Tischtennisspielerin Juliane Wolf kehrt mit Silber und Bronze, Rollstuhlbasketballer Nico Dreimüller mit einer Bronzemedaille aus Paris zurück.
Zweimal aufs Siegertreppchen
Richtig fassen kann sie es nach wenigen Wochen immer noch nicht: Bei ihren dritten Paralympischen Spielen darf Juliane Wolf zum ersten Mal aufs Medaillentreppchen steigen, und das gleich zweimal. „Man schwimmt auch noch Wochen danach auf einer Euphoriewelle, zudem mir jetzt immer auch noch viele Leute zum doppelten Erfolg gratulieren“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin. „Aber jetzt habe ich zumindest realisiert, dass die beiden Medaillen wirklich mir gehören“, lacht sie. Bei Welt- und Europameisterschaften war Wolf im Einzel und Doppel sowie mit der Mannschaft schon recht erfolgreich, aber bei den Paralympischen Spielen zu punkten, fehlte bislang noch in ihrer Bilanz. Nach der Silbermedaille im Doppel mit Stephanie Grebe fiel eine Last von ihr ab, sie konnte sich nun auf den Einzelwettbewerb konzentrieren. Auch wenn sie im Halbfinale gegen die favorisierte Norwegerin als Underdog galt, wollte sie ihr bestes Tischtennis zeigen. „Das ist mir leider nicht gelungen, ich war dann direkt nach dem Match etwas enttäuscht“, betont sie. Tischtennis ist für sie ein „kopfintensiver Sport“, nur Fitness und Strategie reichen nicht aus, um zu punkten. „Ich neige manchmal dazu, zu passiv zu spielen, aber man darf nicht nur auf Fehler der Gegnerin warten“, sagt sie selbstkritisch.
Auch die Olympischen Spiele hat Wolf sehr intensiv verfolgt, ganz besonders natürlich auch die Tischtennis-Wettbewerbe. Man trainiert an den gleichen Sportstätten in Düsseldorf und hat auch Kontakt zu Olympioniken wie Timo Boll. Wolf betont: „Es waren für mich bislang die schönsten Spiele, mit vollen Stadien und sehr netten Gastgebern, die für eine gute Stimmung gesorgt haben. Ich habe mich sehr wohl in Paris gefühlt“, schwärmt Wolf.
Wie geht es sportlich bei ihr weiter? „Ich muss für mich erst noch klären, ob ich auch bei den nächsten Paralympics in Los Angeles wieder antreten möchte. Denn der Weg dorthin führt über eine wirklich schwere Qualifikation. Zuerst einmal konzentriere ich mich auf die anstehende Saison mit meinem Verein, was mich an den Wochenenden stark einbindet. Ich fühle mich körperlich noch sehr fit, aber meinem Job an der Universität und natürlich auch meiner Tochter und Familie muss ich auch genug Zeit widmen.“ Wolf arbeitet am Lehrstuhl von Prof. Michael Urban in den Erziehungswissenschaften, sie gibt momentan Seminare im Bereich Sonderpädagogik. Etwas mehr Zeit für ihr Forschungsgebiet „Integrationshelfer an Schulen“ fände sie auch schön. Wolf beobachtet allerdings schon länger, dass die Mischung aus Job, Familie und Leistungssport ein Auslaufmodell zu sein scheint: So setzt sich auch bei den Paralympics allmählich der Profisport durch. „Meine Gegnerinnen sind fast alle Vollprofis, das muss man klar sagen. Die können sich ganz anders auf ihre Wettkämpfe vorbereiten.“ Gefreut hat sie sich, dass auch in Deutschland Paralympics stärker medial als früher wahrgenommen werden; auch die Sportförderung hat seit einigen Jahren entsprechend nachgezogen. „Ich wünsche mir, dass sich Deutschland auch mal wieder als Gastgeber der Olympischen und Paralympischen Spiele bewerben würde. Dadurch würde nochmal ein Ruck durch die Gesellschaft gehen.“
Basketball-Krimi mit gutem Ausgang
Auch Nico Dreimüller kann noch nicht ganz glauben, dass er eine Bronzemedaille mit dem Rollstuhlbasketballteam gewonnen hat. „Letztens träumte ich wirklich, dass wir nochmal zum Spiel um die Medaille antreten müssten“, lacht er. Aber auch ein Schreiben aus dem Bundeskanzleramt, von Olaf Scholz höchstpersönlich unterzeichnet, hat den Erfolg in Paris definitiv bestätigt. Der Jurist, der an der Goethe-Universität studiert hat und gerade sein Rechtsreferendariat am Landgericht Frankfurt absolviert, schwärmt wie Juliane Wolf von der besonderen Stimmung in Paris. „Eine unfassbare Lautstärke in der Halle, 130 Dezibel wurden einmal gemessen“, erzählt Dreimüller. „Auch zu Hause vor den Bildschirmen setzte sich die besondere Stimmung, die schon die Olympischen Spiele in Paris ausgezeichnet hatte, fort. Der Vorteil dieses Mal: Es gab für die Fans zu Hause keine Zeitverschiebung, wie noch in Rio de Janeiro oder in Tokio.“
Auch für Dreimüller waren es in Paris bereits die dritten Paralympics, auch zum ersten Mal mit einem Medaillenerfolg. Das Spiel um den dritten Platz und damit um die Bronzemedaille war ein richtiger Krimi: Zur Halbzeit lag das deutsche Team noch mit acht Punkten gegen Kanada zurück. „In der Kabine dachten alle: Das kann es doch jetzt nicht gewesen sein! In der zweiten Halbzeit konnten wir uns aber steigern, haben aggressiv verteidigt und somit den wenn auch sehr knappen Sieg perfekt gemacht. Ich habe mir das Spiel noch mal angeschaut: Das Verrückte ist, dass wir über das ganze Spiel gesehen gerade einmal über eine Länge von neun Minuten geführt haben – und das waren die letzten neun Minuten. Bin überglücklich, dass wir das Spiel noch drehen konnten.“ Im Halbfinale war das deutsche Team den Briten deutlich unterlegen. Hier sieht Dreimüller auch, wie auch bei dem siegreichen US-Team, noch gewisse Qualitätsunterschiede. Angesichts des großen Interesses an Paralympics: Steigt damit auch der Druck, müssen nun auch die Paralympioniken „liefern“, entscheidet der Rang im Medaillenspiegel über die Reputation? „Ich persönlich spüre das eigentlich nicht so, auch nicht im Gespräch mit meinen Sportkollegen. Sobald man aber mit Sportfunktionären spricht, ist das schon Thema, denn natürlich stellt sich schon aus deren Sicht die Frage, ob die Fördermittel sich auch in Form von Medaillen auszahlen. Man muss aber auch sehen: Als Team können wir immer nur eine Medaille gewinnen, im Unterschied zu den Einzelsportarten.“
Grundsätzlich würde er aber gerne weiterhin seinem Sport verbunden bleiben, Europa-, Weltmeisterschaften und auch die Paralympics in Los Angeles mitnehmen. Das nächste große Ziel ist für Dreimüller aber kein sportliches: Der Abschluss seines Studiums steht an, mit dem zweiten Staatsexamen. In welche berufliche Richtung es ihn zieht, kann er noch nicht sagen; eine juristische Tätigkeit mit Sportbezug fände er interessant. „Der Sport öffnet einem wirklich viele Türen“, sagt Nico Dreimüller.