Der Nachwuchsforscher Dr. Claus-Dieter Kuhn von der Universität Bayreuth erhielt den mit 60.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis für seine Studien zur Führungsrolle der Ribonukleinsäuren in der Zelle. Ribonukleinsäuren galten lange Zeit nur als Exekutive der Genkopiermaschinerie. Dabei sind sie die eigentlichen Strippenzieher in der Zelle. Einige Ribonukleinsäuren funktionieren als molekulare Schalter und steuern die Entwicklung in die eine oder andere Richtung. Andere geben Botenribonukleinsäuren zum Abschuss frei und kontrollieren dadurch wie viele Botenribonukleinsäuren in Proteine übersetzt werden. Wieder andere entsorgen sich selbst, wenn sie den Qualitätsanforderungen der Zelle nicht genügen. Kuhn hat über verschiedene Aspekte dieser Prozesse gearbeitet und gezeigt wie Ribonukleinsäuren diese Aufgaben zusammen mit einigen Proteinen meistern und welche Eigenschaften sie dafür mitbringen. Der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung würdigt, dass Kuhns Arbeiten die Ribonukleinsäure-Forschung vorangebracht haben und dass sie die Aussichten für eine therapeutische Nutzung der Ribonukleinsäuren verbessert haben.
„Um RNA-Moleküle zu studieren, verbringt Claus Kuhn oft Tag und Nacht im Labor. Warum sollte ein junger Familienvater das tun? Zum einen natürlich aus Neugier. Zum anderen, weil er sehr gerne Experimente macht. Schließlich hofft er auch auf Erkenntnisse, die von biomedizinischer Bedeutung sind. Für die Biomedizin scheint die RNA immer wieder Türen zu öffnen. Auch die beiden anderen Preisträgerinnen am heutigen Tag, Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna, sind RNA-Forscherinnen“, sagte Prof. Dr. Patrick Cramer, Kuhns Doktorvater vom Genzentrum der Ludwig Maximillians Universität München in seiner Laudatio.
Kuhns Arbeiten knüpfen an die Beobachtung an, dass es in jeder Zelle Hunderttausende von Ribonukleinsäuren gibt, die nicht in Proteine übersetzt werden und die auch kein Müll sind. Die Wissenschaftler konnten sich lange keinen Reim darauf machen. Auch nicht auf die Tatsache, dass viele Lebewesen eine nahezu identische Genausstattung haben, aber in ihrer Erscheinung und ihren Kompetenzen deutliche Unterschiede zeigen, wie etwa der Schimpanse und der Mensch. Heute weiß man, dass die nicht in Proteine übersetzten Ribonukleinsäuren eine wichtige Rolle bei der Ausdifferenzierung des Lebens spielen. Kuhn hat dies auf verschiedenen Ebenen analysiert. Zu seinen frühen Leistungen gehören molekulare Schnappschüsse des Enzyms RNA Polymerase I. Dieses Enzym stellt die Ribonukleinsäuren her, die Teil der Ribosomen sind, der Eiweißfabriken. Aus diesen Schnappschüssen konnte ein Modell des Enzyms abgeleitet werden. Kuhn hat später gezeigt, wie sich die Ribonukleinsäuren, die die Proteinbiosynthese mit Aminosäuren beliefern, selbst brandmarken, wenn sie fehlerhaft sind. Sie tun dies über eine spezielle Markierung. Kuhn hat des Weiteren dazu beigetragen, dass die Funktionsweise eines Proteins mit dem Namen Argonaute-2 geklärt wird. Dieses Eiweiß drosselt den Durchsatz bei der Proteinbiosynthese, indem es zusammen mit einer kurzen Ribonukleinsäure dafür sorgt, dass die komplementäre Boten-Ribonukleinsäure zerschnitten wird. Heute arbeitet Kuhn über Ribonukleinsäuren, die Gene an- und abschalten. Diese Erkenntnisse könnten die Medizin voranbringen.
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Claus-Dieter Kuhn (37) studierte Biochemie in Regensburg, das er durch ein Masterstudium der Chemie an der Universität Stockholm abschloss. Danach wechselte er an das Genzentrum der Ludwig Maximilians-Universität (LMU) in München, wo er 2008 promovierte. Von München aus ging Kuhn ans Cold Spring Harbor Laboratory in New York. Er unterbrach seinen Aufenthalt 2009 für ein Jahr und arbeitete für das Unternehmen Proteros Biostructures GmbH in Martinsried. 2010 kehrte Kuhn wieder an das Cold Spring Harbor Laboratory zurück. Seit 2014 ist er an der Universität Bayreuth. Er leitet dort eine Nachwuchsgruppe am Forschungszentrum für Bio-Makromoleküle, die vom Elitenetzwerk Bayern gefördert wird. Der Nachwuchspreisträger ist mehrfach ausgezeichnet worden. Er erhielt ein Hochbegabtenstipendium der Wilhelm-Narr-Stiftung, ein Kekulé-Stipendium aus dem Fonds der Chemischen Industrie und war ein Fellow des Jane Coffin Childs Memorial Funds for Medical Research. Er gehörte zwei Graduiertenprogrammen an und wurde mit dem Römerpreis der LMU und einem Promotionspreis der LMU geehrt.
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