26. Erfinderlabor: Schüler aus ganz Hessen forschten zu Biotechnologie

26. Erfinderlabor; Foto: Zentrum für Chemie e.V.

„Ein solches Maß an Disziplin, Freude und Energie ist wirklich eindrucksvoll“, so Dr. Helge Bode beim Finale des jüngsten Erfinderlabors. Der Professor für Molekulare Biotechnolgie an der Goethe-Universität Frankfurt äußerte sich begeistert über den Elan und die intellektuelle Dynamik der 16 Oberstufenschüler, die eine Woche lang souverän zu diesem schwierigen Themenkomplex geforscht haben. Die Teilnehmer seien allesamt in der Lage gewesen, ihr neu erworbenes Wissen sofort in die Praxis umzusetzen. „Das macht mir Hoffnung für die Zukunft“, so Bode bei der Abschlusspräsentation vor knapp 200 Gästen auf dem Campus Riedberg.

Zum 26. Mal hatte das Zentrum für Chemie (ZFC) mit Sitz in Bensheim jeweils acht leistungsstarke und motivierte Schülerinnen und Schüler eingeladen, um eine Woche lang im Dialog mit Wissenschaft und Wirtschaft eine wichtige Zukunftstechnologie kennen zu lernen. Diesmal stand eine wegweisende Querschnittsdiziplin mit enormem Einfluss auf industrielle Anwendungen und Produkte im Mittelpunkt: Für ihre biotechnologischen Forschungen wurde die US-Wissenschaftlerin Frances Arnold jüngst mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Und auch beim Biotechnologie-Workshop des ZFC haben die Schüler viele spannende Entdeckungen gemacht.

Die ganze Faszination des Themas offenbarte sich in den Abschlusspräsentationen der vier Teams, die in Frankfurt komplexe Zusammenhänge plastisch, eloquent und fundiert erläutert haben. Neben inhaltlichem Know-how zeigten sie auch viel methodische Sicherheit und dramaturgischen Pep. Dafür gab es den geballten Applaus im Hörsaal des Fachbereichs Biowissenschaften, wo die Teilnehmer jeweils zehn Minuten Zeit hatten, um ihre Versuche in griffiger und allgemein verständlicher Form einem interessierten Publikum zu erläutern. „Großes Kino!“, kommentierte Thomas Deichmann, Kommunikationschef bei der BRAIN AG in Zwingenberg. Der Diplom-Ingenieur und erfahrene Wissenschafts-Journalist lobte die Teilnehmer ebenso wie den Ansatz des Erfinderlabors, relevanten Zukunftstechnolgien bereits auf schulischer Ebene eine prominente Platform zu geben.

Unter knapp 200 hochkarätigen Bewerbern aus 73 hessischen Schulen hatte das ZFC im laufenden Schuljahr die besten ausgewählt und eingeladen. „Das Thema Biotechnologie verzeichnet jedes Jahr die größte Resonanz“, so Vorstand Dr. Thomas Schneidermeier in der Goethe-Universität. Das Interesse an den Workshops sei konstant hoch, so der Lehrer aus Bensheim, der das Erfinderlabor seit 2005 organisiert. Bisher haben über 430 Top-Schüler teilgenommen. „Wir möchten Berufsperspektiven eröffnen und konkretisieren und dabei insbesondere umweltfreundliche Technologien in den Fokus nehmen“, so Schneidermeier. Das Erfinderlabor ist Teil der Initiative „Schule 3.0“, die in Zusammenarbeit mit Schule, Wirtschaft und Politik relevante Zukunftstechnologien in den Regelunterricht integriert. Laut verschiedener Studien fühlen sich viele Oberstufenschüler nicht ausreichend über ihre beruflichen Möglichkeiten informiert, wie Schneidermeier in Frankfurt betonte. Die Biotechnolgie böte gute Chancen. In der Branche habe sich die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdreifacht.

Prof. Dr. Helge Bode bezeichnete die Biotechnologie als eine einschneidende Schlüsseltechnologie, die im Rahmen des normalen Schulunterrichts entweder überhaupt nicht oder nur als theoretische Fußnote vorkomme. „Im Erfinderlabor dagegen werden viele praktischen Aspekte der biotechnologischen Forschung durchgespielt – und das weit über Unterrichtswissen und die experimentellen Möglichkeiten von Schule hinaus.“

Das kann Stephan Rollmann nur bestätigen. Der Referatsleiter Gymnasien im Hessischen Kultusministerium (HKM) stellt fest: „Im Unterricht kommt das Experimentieren leider zu kurz.“ Der langjährige Schulleiter und Chemielehrer weiß, von was er spricht. In Frankfurt lobte er den Anspruch des ZFC, naturwissenschaftlich interessierte Schüler zu unterstützen und sie durch ein breit gefächertes Angebot auf Studium und Beruf vorzubereiten.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Hessen ist ein Kooperationspartner der ersten Stunde. „Aus Überzeugung“, wie Geschäftsführer Gregor Disson in Frankfurt betonte. Es komme bereits heute darauf an, sich aktiv um die klugen Köpfe von Morgen zu kümmern. Mit rund 60.000 Beschäftigten und knapp 27 Milliarden Euro Umsatz ist die chemische Industrie der beschäftigungs-, umsatz- und exportstärkste Wirtschaftszweig Hessens. In der Branche seien biotechnologische Verfahren heute immer häufiger Standard, so Disson weiter.

Die Hessische Wirtschaftsförderung setzt ebenfalls früh an, wenn die Zukunft des Standorts auf dem Spiel steht. „Uns geht es nicht nur um das Thema Nachwuchssicherung. Wir wollen Begeisterung säen“, sagte Dr. Carsten Ott von der Hessen Trade & Invest GmbH. Der Abteilungsleiter Technologie & Innovation plädierte an die Schüler, selbstbewusst und offen in ihre Berufsbiografie zu starten. Das Erfinderlabor sei eine ideale Gelegenheit, persönliche Interessen auszuloten und zu konkretisieren.

„Die praktische Anwendung von theoretischem Wissen hilft bei der Studien- und Berufswahl“, so Katharina Friedrich von der Eleonorenschule in Darmstadt. Lars Wiborny (Justus-Liebig-Schule Darmstadt) kann sich nach dem Abitur „sehr gut vorstellen, in einem Labor zu arbeiten“. Und Hannah Bohrer vom Goethe-Gymnasium in Bensheim habe „erstmals die Chance gehabt, schulisches Wissen mit wissenschaftlichen Methoden zu verknüpfen“.

Bei den Pionieren der weißen Biotechnologie erfuhren die Schüler bereits am ersten Tag, wie auf der Grundlage biologischer Ressourcen, etwa durch die kontrollierte Evolution von Enzymen, neue Anwendungen und Produkte in der Konsumgüter- und Chemieindustrie entwickelt werden. Das börsennotierte Unternehmen war wiederholt Kooperationspartner des ZFC. In Zwingenberg erlebten die Teilnehmer einen Fachvortrag zum Thema Bio-Actives und Labor-Rundgänge. Dr. Ute Dechert (Unit Head Organisation & Processes) informierte über Karrierechancen im verzweigten Biotech-Kosmos.

Thomas Deichmann richtete den Blick auf das innovative Potenzial der Biotechnologie als Treiber einer so genannten Bioökonomie, die auf nachwachsenden Rohstoffen basiert und die traditionelle Erdöl-basierte Wirtschaft ablösen wird. Denn Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind sich einig: Das Zeitalter der Bioökonomie hat längst begonnen. „Ein Megatrend“, so Deichmann, der naturwissenschaftlich interessierten Schülern in diesem Segment glänzende berufliche Zukunftssausichten vorhersagt. Beispielhaft erläuterte Dirk Ritzmann, Biologielaborant bei der BRAIN AG, seine Perspektiven in einer aufstrebenden Branche.

Am Fachbereich Biowissenschaften der Goethe-Universität, einer der größten seiner Art in ganz Deutschland, haben sich die Schülerteams unter anderem mit der Biosynthese in Pflanzen und Mikroorganismen, der Herstellung von Proteinen sowie mit genetisch veränderten Naturstoffen beschäftigt. Die Betreuung durch die Wissenschaftler des Fachbereichs wurde von den Teilnehmern allgemein hoch gelobt. „Der Spaß am Forschen stand immer im Mittelpunkt. Auch, wenn ein Experiment einmal nicht funktioniert hat“, berichtet ZFC-Projektleiterin Binke Friedrich aus dem Labor.

„Wir brauchen solche extrem cleveren Köpfe wie euch“, so das Fazit von Prof. Dr. Helge Bode am Finaltag, der von Dr. Janin Sameith (Hessen Trade & Invest) moderiert wurde. Neben zwei Tagen im Labor und einer Fülle von Informationen genossen die Schüler auch noch ein Rhetorik-Seminar von der Universität Tübingen. Die Jury aus Thomas Deichmann, Dr. Carsten Ott, Stephan Rollmann und Christine Hauck (Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Rhein-Main-Taunus) gab sämtlichen Teams ein positives Feedback. Neben Zertifikaten erhielten die erfolgreichen Forscher jeweils ein Jahresabonnement der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Vier Teilnehmer freuten sich über Sonderpreise der Fraunhofer-Gesellschaft. „Nehmt diese Begeisterung mit an eure Schulen“, so Stephan Rollmann im Hörsaal.

Das Erfinderlabor wird seit 2005 vom Zentrum für Chemie mit Sitz in Bensheim an der Bergstraße organisiert. Das Projekt greift Themengebiete auf, die im Unterricht nicht vorkommen oder in diesem Kontext nur partiell behandelt werden können. Mit seinen Veranstaltungen möchte das ZFC das Interesse und die Kreativität junger Menschen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften wecken und sie für aktuelle naturwissenschaftliche Themen nachhaltig begeistern. Die Zusammenarbeit mit Industrie- und Hochschulpartnern ermöglicht Schülerinnen und Schülern einen Zugang zu aktuellen Forschungsmethoden und vermittelt darüber hinaus einen Eindruck von der interdisziplinären Ausrichtung und den verschiedenen Arbeitsgebieten im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.

Das Erfinderlabor ist Teil der ZFC-Initiative “Schule 3.0 – Zukunftstechnologien in den Unterricht“. Das 2013 gestartete Angebot umfasst unter anderem Workshop-Programme für Lehrkräfte aller MINT-Fächer in den Bereichen organische Elektronik, Elektromobilität und Digitalisierung. Dem gleichnamigen Schulnetzwerk gehören aktuell 13 hessische Schulen mit gymnasialer Oberstufe und die Deutsche Schule Seoul an. Im Schuljahr 2018/19 finden im Februar und April weitere Workshops zu den Themen Elektromobilität und Organische Elektronik statt.

Quelle: Pressemitteilung des Zentrums für Chemie e.V. vom 30. Oktober 2018

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