Fachkräftelücken wachsen weiter

Haupttreiber bleibt der demografische Wandel / Neue Prognosen für Hessen bis zum Jahr 2030

Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe Universität hat für das Hessische Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales neue Prognosen zur Fach- und Arbeitskräftelage bis 2030 in Hessen erstellt. Demnach fehlen 240.000 Fach- und Arbeitskräfte, um offene Stellen zu besetzen, die vor allem aufgrund des Austritts der Babyboomer entstehen. Erstmals hat sich die Digitalisierung dämpfend auf das Anwachsen der Nachfrage ausgewirkt.  

Der Bedarf an Fach- und Arbeitskräften steigt stetig – auch ohne nennenswertes Wirtschaftswachstum. Denn Haupttreiber bleibt auch weiterhin die demografische Entwicklung: Die Generation der Babyboomer geht in Rente, zu wenige jüngere Arbeitskräfte kommen nach. Besonders groß ist der Mangel bei Fachkräften mit Berufsabschluss. Dort fehlen zwischen 2023 und 2030 160.000 Personen. Auch die Lücke bei den Fachkräften mit Studienabschluss klafft immer weiter auseinander; in diesem Bereich fehlen bis 2030 rund 80.000 potenzielle Bewerber. Dabei zeigen sich große Unterschiede zwischen Stadt und Land: Während in ländlich geprägten Regionen vor allem beruflich Qualifizierte fehlen, sind es in den Großstädten vor allem die Akademiker. Besonders stark betroffen sind Berufe im sozialen Bereich, im Handwerk, der Informatik und der Logistik.

Bei den Arbeitskräften ohne formalen Abschluss indes sieht die Situation anders aus. Landesweit gibt es sogar 17.000 Personen mehr, als entsprechende Stellen vorhanden sind. Dennoch herrscht auch hier in vielen ländlichen Regionen bereits ein Mangel, denn der rechnerische Überhang ist auf die Situation in den hessischen Großstädten zurückzuführen. Dort wird die Nachfrage nach Geringqualifizierten auch 2030 noch deutlich geringer sein als das verfügbare Angebot und damit weiter Möglichkeiten eröffnen, um Angelernte über Qualifizierung zu Fachkräften zu entwickeln.

Die Prognosen des IWAK zum Arbeitskräftebedarf werden alle zwei Jahre fortgeschrieben. Die jetzt vorgelegten Prognosen beschreiben die Entwicklungen der Arbeitsmärkte für jeden der 26 Kreise und kreisfreien Städte in Hessen. Dort werden die Lagen einzelner Berufsgruppen bis 2030 vorausgeschätzt. Bei dieser Berechnung wurden erstmals Wechselwirkungen der demografischen Entwicklung mit anderen Trends wie Digitalisierung oder Dekarbonisierung berücksichtigt.

„Im Rahmen unserer Initiative ‚Zukunftsgerecht und regional‘ unterstützen wir die hessischen Akteure aus Wirtschaft, Arbeitswelt und Regionen dabei, benötigtes Personal zu finden und zu binden“, sagt die Hessische Arbeitsministerin Heike Hofmann. „Durch die nun vorgelegten ausdifferenzierten Daten und die konstante Fortschreibung unserer Prognosen bieten wir allen Entscheidern, die sich in den Regionen mit Fach- und Arbeitskräftesicherung befassen, eine solide Grundlage für ihr Schaffen und regionales Handeln. Das hilft allen, die Fach- und Arbeitskräftesicherung noch besser verstehen, umsetzen und verstetigen zu können – in Kreisen, kreisfreien Städten und zusammen in ganz Hessen“, so Hofmann weiter.

„Unsere Prognosen belegen, dass die vor allem durch den Austritt der Babyboomer geradezu explodierende Nachfrage nach Fach- und Arbeitskräften durch die zunehmende Digitalisierung etwas abgeschwächt werden kann. Dies wirkt sich entspannend auf die Gesamtsituation aus“, sagt Dr. Christa Larsen, Leiterin des IWAK. Digitalisierung treibe die Automatisierung von Arbeitsprozessen voran, so dass weniger Fach- und Arbeitskräfte gebraucht würden und trotzdem die Wirtschaftskraft erhalten bleibe. Besonders berücksichtigt sei in den Prognosen die Freisetzungen von Fach- und Arbeitskräften in der Automobilzuliefererindustrie. Diese seien ein gewisses Potenzial für andere Branchen, etwa das Handwerk. „Wir begrüßen es sehr, dass die Freisetzung von Beschäftigten in der Automobilzuliefererindustrie in den Prognosen jetzt berücksichtigt ist. Dies hilft bei uns im Main-Kinzig-Kreis sehr, realistische Unterstützungs- und Fachkräftesicherungsstrategien zu stärken“, stellt Walter Dreßbach, Wirtschaftsförderer des Kreises fest.  

Die vorgelegten Prognosen verdeutlichen, dass alle regionalen Arbeitsmärkte in Hessen von übergeordneten Trends beeinflusst werden – allerdings auf unterschiedliche Art und Weise. Das Wissen um die mittelfristig zu erwartenden Entwicklungen in allen 26 Kreisen und kreisfreien Städten ist wichtig, für die Weiterentwicklung unterstützender Fach- und Arbeitskräftesicherungsstrategien vor Ort. „Wir freuen uns sehr, dass die Goethe-Universität einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Hessen leisten kann“, sagt der Vizepräsident der Goethe-Universität Prof. Bernhard Brüne.

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