Forschende verschiedener Disziplinen analysieren im neuen UniReport den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl.
Er ist der „President-elect“ und wird am 20. Januar sein Amt antreten: Auf den 47. Präsidenten der USA Donald Trump blickt die deutsche Öffentlichkeit eher verhalten-kritisch bis besorgt. Wie sieht es in der Wissenschaft aus, wie bewerten Forschende die zweite Präsidentschaft Trumps, wie wird seine Amtszeit die amerikanische Innen- und Außenpolitik verändern? Im aktuellen UniReport geben sechs Forschende aus verschiedenen Disziplinen eine kurze und prägnante Einschätzung.
Prof. Ute Sacksofsky, Professorin für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an der Goethe-Universität, sieht Trump mit einer „ungeheuren Machtfülle“ ausgestattet. Den demokratiefeindlichen Tendenzen könne nur durch effektive Kontrollmechanismen begegnet werden. Doch zeigten Entscheidungen der letzten Jahre, wie sehr der Supreme Court – durch Trump mit extrem konservativen Richter*innen besetzt – Trumps Agenda stütze.
Der Amerikanist Prof. Johannes Völz sieht die Gründe für Trumps deutlichen Wahlerfolg in der Polarisierung der amerikanischen Sozialstruktur: Die Bildungsunterschiede seien zu einem „wirksamen Faktor der US-Politik“ geworden, weil sie eine „Hierarchie des gesellschaftlichen Status“ begründeten. Für Völz haben die Demokraten vor allem ein „Habitus-Problem“, eine „Partei der kleinen Leute“ seien die Demokraten längst nicht mehr.
Für Prof. Simon Wendt, ebenfalls Amerikanist, ist der Wahlerfolg Trumps historisch gesehen nicht überraschend: „Das Schüren von Ängsten vor Kriminalität und Einwanderung, gepaart mit einer Wirtschaftspolitik, die auf niedrige Steuern und Deregulierung setzt, hat Präsidentschaftskandidaten wie Richard Nixon und Ronald Reagan in der Vergangenheit große Wahlerfolge beschert. Die destabilisierenden Folgen des Endes des Kalten Krieges und die von vielen Menschen als negativ empfundenen Auswirkungen der Globalisierung geben ebenfalls einer konservativen Denkweise Vorschub […].“
Der Politikwissenschaftler Prof. Andreas Nölke prognostiziert, dass sich die Entwicklungsmöglichkeiten für exportorientierte Wachstumsmodelle durch die von Präsident Trump geplanten Zölle weiter verringern werden. „Keine große Ökonomie ist so exportorientiert wie Deutschland. Sollten wir nicht die Binnennachfrage stimulieren – beispielsweise durch eine deutliche Ausweitung der privaten und öffentlichen Investitionen – dürfte sich die wirtschaftliche Misere in Deutschland noch vertiefen.“
Prof. Werner Plumpe, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, betont, dass Trump nicht „der antidemokratische Moloch“ sei. Plumpe sieht aus europäischer Sicht eine Notwendigkeit, zur „Realpolitik“ zurückzukehren. Die europäischen Staaten sollten „ihre eigenen Standortbedingungen […] überdenken und endlich eine Antwort auf die Frage […] geben, ob sie sich ihre teuren Sozialsysteme angesichts schwächelnder Produktivität und geringer technologischer Innovationskraft auf Dauer noch leisten können“.
Prof. Volker Wieland, Professor für Volkswirtschaft an der Goethe-Universität, findet es „seltsam“, dass deutsche Medien das Ende der amerikanischen Demokratie“ verkündeten. Es sei „Demokratie, auch wenn uns das Ergebnis als solches nicht gefallen mag“. Um Trump auf Augenhöhe zu begegnen, rät Wieland der nächsten deutschen Regierung „die Schuldenregeln einzuhalten, angebotsorientierte Strukturreformen auf den Weg zu bringen, Auswüchse des Sozialstaats zu beschneiden und die exzessive Regulierung und Bürokratie abzubauen, um wieder zu substanziellem und dauerhaften Wirtschaftswachstum zurückzukehren“.
Weitere Themen im neuen Uni-Report:
Aktuelles
- Hessischer Hochschullehrpreis: Auszeichnungen für „Call-a-CAB“ und „MakeLab“.
- Neue Aufgaben in historischen Räumen: Die Medizinische Hauptbibliothek.
- Preisverleihung: „Public Service Fellowship“ geht in diesem Jahr an den Humangeographen Martin Lanzendorf, „New Horizon“ an das Team des Wissenschaftsgartens.
Forschung
- Lichtscheu und giftig: Der Salzwasserkrebs Xibalbanus tulumensis.
- Goethe, Deine Forscher: Porträt des Sportpsychologen Chris Englert.
- Neues Reinhart Koselleck-Projekt des Komparatisten Achim Geisenhanslüke: Rhythmus in der Literaturtheorie.
- Georg Zizka über die Flora von Burkina Faso und Mali: späte Frucht eines Sonderforschungsbereiches und der Kooperation von Goethe-Uni und Senckenberg.
- Von Elfen und Feen: Der Skandinavist Matthias Egeler über die ‚Anderwelt‘.
- Professur für Suizidologie: Ute Lewitzka bereichert mit ihrem Engagement für die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen die Goethe-Universität.
Studium, Lehre und Qualifikation
- Künstler, Schriftsteller, Dramaturg und Wissenschaftler: Aria Baghestani mit dem DAAD-Preis für internationale Studierende ausgezeichnet.
- #GoetheDataDive/Zahl des Monats Dezember: 85,6 Prozent der Studierenden geben an, dass sie zu Hause ungestört lernen können.
Campus
- Poesie als Übersetzung: Mit der neuen Monika-Schoeller-Dozentur soll das literarische Übersetzen als Kunstform stärker ins Bewusstsein gerückt werden.
- Accelerator-Programm: Die Goethe-Universität setzt einen Meilenstein bei der Förderung studentischer Ausgründungen.
- „Aura“, „goofy“, „cringe“ & Co: Die Linguistikprofessorin Petra Schulz hat die Bekanntgabe des neuen „Jugendwort des Jahres“ sprachwissenschaftlich begleitet.
- Chancen für die universitäre Lernkultur: Erfahrungen vom ersten Barcamp zu KI.
- „Diversität im Schreibzentrumskontext“: Konferenz an der Goethe-Universität beschäftigte sich mit Neurodivergenz, Mehrsprachigkeit und kreativem Schreiben.
- 6. Tag der RMU: Abenteuer Exzellenzstrategie – ein Rückblick.
- „Die Rolling Stones als Rollenmodell für die modernen jungen Alten“: Weihnachtsvorlesung von Theo Dingermann und Dieter Steinhilber am 17. Dezember.
- Botschafterin des interreligiösen Dialogs: Ilona Klemens ist seit Frühjahr neue Pfarrerin der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG).
- Gedenken an das Vermächtnis eines Universalgelehrten: Eine Publikation würdigt Spiros Simitis.
International
- International Day: Viele Lehramtsstudierende informierten sich über Schulpraktika und Praxissemester an einer Partnerschule im Ausland.
- Demokratie neu denken: Drei neue Fellows am Forschungskolleg Humanwissenschaften arbeiten eng mit „Democratic Vistas“ zusammen.
Kultur
- Neuer Architekturführer beschäftigt sich mit dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends: Campus Westend erfährt eine eigenwillige Würdigung.
- Klassiker mit Aktualität: Chaincourt Theatre Company wagt sich an Shakespeares „Hamlet“.
Bibliothek
- „Have you seen this book?“ Die „Library of Lost Books“ sucht weltweit nach geraubten jüdischen Büchern.
Nachrufe
- Prof. Dr. Erhard Kantzenbach
- Prof. Dr. Rudolf Wiethölter
- Prof. Dr. Manfred Niekisch
- Friedrich von Metzler
Der UniReport 6/2024 steht hier zum kostenlosen Download bereit →