Mit der neuen Monika-Schoeller-Dozentur soll das literarische Übersetzen als Kunstform stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Die aktuelle Dozentin Uljana Wolf greift in Theorie und Praxis bis in die Romantik zurück.
„Ein fulminanter Start“, sind sich Prof. Frederike Middelhoff und Prof. Dr. Caroline Sauter, Mitveranstalterinnen der neuen Dozentur, einig. Die Lyrikerin und Übersetzerin Uljana Wolf konnte in ihrer ersten von zwei Vorlesungen, aber auch in ihrem anschließenden eintägigen öffentlichen Workshop am 19. November 2024 die Teilnehmenden für ihre außergewöhnliche Praxis des literarischen Übersetzens begeistern. Auch Studierende der Goethe-Universität nahmen zahlreich an der ersten Vorlesung im Freien Deutschen Hochstift teil. Die Vorlesung umkreiste spielerisch und multimedial, wie Romantik und der US-amerikanische Komiker Buster Keaton Modelle eines kreativen Übersetzens und produktiven Falsch- bzw. Neu-Verstehens lyrischer Texte bereitstellen können. Im anschließenden Workshop beteiligte Wolf die Teilnehmenden intensiv am Prozess der Übersetzung auch aus ihr und ihnen nicht oder nur marginal vertrauten Sprachen, wie dem Rumänischen oder Russischen. Dies ist ebenfalls Teil ihrer – auch veröffentlichten – Übersetzungspraxis. „Uljana Wolf praktiziert dabei ein kollaboratives Übersetzen im Tandem mit jemandem, der die Sprache spricht. Dabei spielen nicht nur semantische, sondern vor allem klanglich-sinnliche Aspekte von Sprache eine wichtige Rolle“, erläutert Frederike Middelhoff.
Die neue Dozentur ist im Gedenken an Monika Schoeller, Verlegerin und Förderin von Literatur, durch die Förderung der S. Fischer Stiftung und in Zusammenarbeit zwischen dem Freien Deutschen Hochstift, dem Institut für Deutsche Literatur und ihre Didaktik und dem Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft ein-gerichtet worden. Jedes Wintersemester kann so ein*e Übersetzer*in nach Frankfurt eingeladen werden, um in Vor-/Lesungen, Workshops und Seminareinheiten die Verbindungslinien zwischen Literatur und (ihrer) Übersetzung auszuloten. Damit ergänzt die neue Dozentur zugleich die renommierten Frankfurter Poetikvorlesungen, die immer im Sommersemester stattfinden. „Da ergeben sich sicherlich sehr viele Schnittstellen, beide Reihen sind gewissermaßen komplementär zu denken“, ist sich Caroline Sauter sicher. „Mit Aris Fioretos stand auch der letzte Poetikdozent für vielsprachige Literatur und Übersetzung.“
Übersetzung soll in der Monika-Schoeller-Dozentur sowohl theoretisch als auch praktisch behandelt werden. „Ich habe mich als Romantik-Forscherin gefreut, dass Uljana Wolf unter anderem auch den Bezug zu Novalis’ Blütenstaub-Fragmenten hergestellt hat. Übersetzung war im Literaturbetrieb um 1800 von zentraler Relevanz. An die Reflexionen darüber, was Übersetzung eigentlich ist und welchen gesellschaftlichen und kulturellen Stellenwert sie besitzt, heute anzuknüpfen, ist uns ein großes Anliegen“, sagt Frederike Middelhoff. Die Kunst der Übersetzung konnten die Studierenden im Begleitseminar gleich zur Anwendung bringen, in dem sie Wolfs Gedichte jeweils in ihnen vertraute Sprachen übertrugen: Dabei entstanden u. a. portugiesische, französische, russische, englische und italienische Fassungen.
Auf das Thema Übersetzen mit Künstlicher Intelligenz angesprochen, betont Caroline Sauter: „Wir sind uns sicher, dass literarisches Übersetzen dem maschinell-positivistischen Übersetzen etwas entgegensetzt. Es geht bei der Übersetzung von Poesie darum, Sensibilitäten zu schärfen oder erst herzustellen; darum, mit Stimmungen und Affekten zu spielen. Es spielt sich im Zwischenraum zwischen Original und Übersetzung vieles ab. Dies auszuloten, ist eine künstlerische Praxis.“ Die Übersetzungskunst in diesem Sinne zu umkreisen, ist das Anliegen der Dozentur und aller an ihr beteiligten Personen.
Am 21. Januar findet die zweite Vorlesung von Uljana Wolf statt. Sie wird aus eigenen Texten lesen und mit den beiden Dozentinnen im Rahmen eines Podiumsgesprächs über das Wechselspiel von Dichtkunst, Literaturtheorie und Übersetzung sprechen.
21. Januar 2025, 20 Uhr
Uljana Wolf. Grammargirls auf Gartenpfaden. Von Poesie, Übersetzung und den Sprachen dazwischen. Monika-Schoeller-Dozentur für literarisches Übersetzen.
Frankfurter Bürgerverein, Holzhausenschlösschen, Justinianstraße 5.
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