Biowissenschaften: Forscher der Goethe-Universität entdecken neuen Stoffwechsel-Typ in Bakterien

Während in anaeroben Lebensräumen die Essigsäure bildenden Bakterien und Methan-Bildner auf die Weitergabe von Wasserstoff angewiesen sind, recycelt Acetobacterium woodii den Wasserstoff innerhalb seiner Zelle. (Illustration: Sarah Ciurus, Goethe-Universität Frankfurt)

Wie das Bakterium Acetobacterium woodii Wasserstoff in einer Art Kreislauf zur Energiegewinnung nutzt, haben jetzt Mikrobiologen der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden. Das Bakterium lebt in einer Umgebung ohne Sauerstoff und kann dank des Wasserstoff-Kreislaufs unabhängig von anderen Bakterienarten existieren.

Sie machen das Sauerkraut sauer, lassen Milch zu Joghurt und Käse gerinnen und geben Roggenbrot seinen kräftigen Geschmack: Bakterien, die ihre Nährstoffe vergären anstatt ihnen die Energie mithilfe von Sauerstoff zu entziehen. Acetobacterium woodii (kurz: A. woodii) ist so eine anaerob lebende Mikrobe. Käse und Brot sind nicht ihr Metier – sie lebt fern vom Sauerstoff im Schlamm am Meeresgrund und ist auch in Kläranlagen oder Termitendärmen anzutreffen.

In diesen Lebensräumen wimmelt es von Mikroben, die auf verschiedene Weise die organischen Substanzen für sich nutzen. Zucker, Fettsäuren und Alkohole werden zum Beispiel durch eine Reihe von Bakterienarten zu Essigsäure vergoren, wobei auch Wasserstoff (H2) entsteht. Der jedoch stört in höheren Konzentrationen die Gärung – ein Zuviel an Wasserstoff würde nämlich die Gärungsreaktion stoppen. Deshalb leben die gärenden Bakterien in Gesellschaft mit Mikroben, die auf just diesen Wasserstoff angewiesen sind, Methanbildner etwa, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid Methan herstellen und auf diese Weise Energie gewinnen. Von dieser Gesellschaft profitieren beide Partner – und sind gleichzeitig so aufeinander angewiesen, dass der eine nicht ohne den anderen überleben kann.

A. woodii beherrscht beide Disziplinen der anaeroben „Wasserstoff-Gesellschaft“: Es kann organische Stoffe zu Essigsäure vergären und die Essigsäure auch anorganisch aus Kohlendioxid und Wasserstoff herstellen. Dass A. woodii dabei den wichtigen Wasserstoff in der eigenen Zelle recycelt, haben jetzt die Mikrobiologen um Professor Volker Müller vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt herausgefunden.

Dazu schalteten die Frankfurter Wissenschaftler im Labor das Gen für das Enzym aus, das in A.woodii den Wasserstoff bildet, die so genannte Hydrogenase. Das Ergebnis: Die Bakterien konnten zum Beispiel in einem Medium mit Fruchtzucker nur wachsen, wenn außerdem noch Wasserstoff zugesetzt wurde. Verschiedene weitere Tests bestätigten, dass beide Stoffwechselwege zur Essigsäureherstellung über Wasserstoff verbunden sind, der die Zelle nicht verlässt.

„Durch das von uns entdeckte ‚Wasserstoff-Recycling‘ besitzt Acetobacterium woodii ein Höchstmaß an metabolischer Flexibilität,“ sagt die Frankfurter Experimentatorin Dr. Anja Wiechmann. „Es kann in einem Kreislauf Wasserstoff sowohl selbst herstellen und nutzen oder Wasserstoff aus externen Quellen verwerten. Damit ist es in der Lage, sowohl von organischen Substanzen wie auch allein von anorganischen Substanzen zu leben.“

Professor Volker Müller erklärt: „Die Ergebnisse strahlen weit über die Untersuchung von Acetobacterium woodii hinaus. Es gab bereits Vermutungen, dass viele ursprüngliche Lebensformen einen solchen Stoffwechsel besitzen, wie wir ihn bei Acetobacterium woodii beschrieben haben. Dies wird zum Beispiel für die Asgard-Archaeen angenommen, die erst vor wenigen Jahren im Meeresgrund vor Kalifornien entdeckt wurden. Unsere Untersuchungen liefern den ersten Beweis, dass solche Stoffwechselwege tatsächlich existieren.“

Publikation: Anja Wiechmann, Sarah Ciurus, Florian Oswald, Vinca Seiler, Volker Müller (2020). It does not always take two to Tango: „Syntrophy“ via hydrogen cycling in one bacterial cell. ISME Journal, doi.org/10.1038/s41396-020-0627-1

Weitere Informationen: Prof. Volker Müller, Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik, Institut für Molekulare Biowissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt, Tel.: (069) 798-29507, E-Mail: vmueller@bio.uni-frankfurt.de

Quelle: Pressemitteilung vom 30. März 2020

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