Entgegen bisheriger Auffassungen bilden Blauwale aus dem Nordpazifik und Nordatlantik möglicherweise getrennte Unterarten. Diese genetischen Erkenntnisse zur Evolution des größten Tieres der Erde, des Blauwals (Balaenoptera musculus), hat ein Forschungsteam des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums (SBiK-F), des vormaligen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und der Goethe-Universität Frankfurt gewonnen. Schutzmaßnahmen sollten gezielt auf die individuellen Populationen angepasst werden, so die Frankfurter Forscher. Ihre Studie wurde jetzt im Fachjournal „Molecular Ecology“ veröffentlicht.
Blauwale (Balaenoptera musculus) können eine Länge von bis zu 30 Metern und ein Gewicht von über 180 Tonnen erreichen und sind damit die größte bekannte Walart, die je auf der Erde existiert hat. Die majestätischen Meeressäuger sind in allen Weltmeeren anzutreffen, bevorzugen jedoch kalte, nahrungsreiche Gewässer, die sie in den Sommermonaten aufsuchen, bevor sie für den Winter in wärmere Regionen wandern. Im 20. Jahrhundert wurde der Blauwal durch den intensiven Walfang stark bedroht. Obwohl der kommerzielle Walfang mittlerweile größtenteils verboten ist, erholen sich die Populationen nur langsam und die Art findet sich noch immer auf der Roten Liste.
„Aus genetischer Sicht bedeutet so ein dramatischer Rückgang von Individuen, dass sich auch die genetische Vielfalt innerhalb der Blauwalpopulationen verringert. Dies verstärkt in der Folge die Effekte von Inzucht, da schädliche Mutationen sich nun stärker ausprägen als vorher“, erklärt Dr. Magnus Wolf, Erstautor der Studie vom SBiK-F und der Goethe-Universität Frankfurt.
Wolf hat gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Menno J. de Jong und Prof. Dr. Axel Janke die Genome von 33 weltweit verteilten Blauwal-Individuen analysiert. „Die Blauwal-Populationen im Nordatlantik und -pazifik werden derzeit als eine einzige Unterart betrachtet, obwohl sie durch kontinentale Landmassen getrennt sind und sich ihre Laute akustische klar unterscheiden lassen. Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass diese Wale seit der letzten Eiszeit getrennte evolutionäre Wege eingeschlagen haben“, so Wolf und weiter: „Die Analyse der Genome zeigt signifikante genetische Unterschiede zwischen den beiden Populationen. Wir schlagen daher vor, der Nordpazifik-Population einen neue Unterartennamen zu geben: Balaenoptera musculus sulfureus.“ Blauwale wurden früher in manchen Gegenden aufgrund der gelblichen Algenschicht auf ihrer Unterseite, welche an die blassgelbe Farbe des chemischen Elements Schwefel (Latein: Sulfur) erinnert, auch „Sulfurbottom“ genannt. Der Name ehrt diesen historischen Spitznamen, heißt es in der Studie.
Die Forschungsarbeit wirft zudem einen Blick auf die allgemeine genetische Gesundheit von Blauwalen – und gibt dabei sowohl Anlass zur Hoffnung als auch zur Vorsicht. „Obwohl wir häufige Anzeichen von Inzucht und eine allgemeine Reduktion der genetischen Vielfalt gefunden haben, haben sich die untersuchten Blauwale eine hohe genetische Varianz erhalten, was eine gute Nachricht für das Überleben dieser Giganten ist“, erläutert Seniorautor Janke.
Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Genomik-Forschung im Naturschutz und heben die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit hervor. Wolf resümiert: „Unsere Arbeit kann als ‚Blaupause‘ für die Naturschutz-Genomik dienen. Sie demonstriert, wie der Status von schwer zu beobachtenden Arten wie dem Blauwal erfolgreich mit genomischen Analysen untersucht werden kann. Mit diesen Techniken können wir Schutzmaßnamen gezielt auf spezifische Populationen zuschneiden und reagieren, bevor Populationsrückgang und Inzucht zu Problemen werden.“
Publikation: Magnus Wolf, Menno J. de Jong, Axel Janke: Ocean-Wide Conservation Genomics of Blue Whales Suggest New Northern Hemisphere Subspecies. Mol Ecol, 34: e17619 (2025). https://doi.org/10.1111/mec.17619