Forschergeist im Rampenlicht

Freundesvereinigung ehrt wissenschaftlichen Nachwuchs für herausragende Arbeiten

Die Akademische Feier des Vereins der Freunde und Förderer der Goethe-Universität ist mehr als ein Festakt – sie ist eine Bühne für die stillen Heldinnen und Helden der Wissenschaft. Hier werden nicht nur Preise vergeben, sondern Geschichten sichtbar gemacht: Geschichten von Neugier, Beharrlichkeit und dem Mut, neue Wege zu gehen. Anfang Juni 2025 wurde deutlich, wie Stifterinnen und Stifter mit ihrem Engagement akademische Leistungen nicht nur ehren, sondern Forschung beflügeln und Karrieren prägen.

Die Vielfalt der ausgezeichneten Arbeiten überraschte selbst akademische Schwergewichte: Da forscht ein Preisträger an den radikalen Subkulturen der Gegenwart, ein anderer Preisträger taucht tief ein in die Justizreformen des 18. Jahrhunderts, während eine dritte Nachwuchswissenschaftlerin globale Gesundheitspolitik neu denkt. Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften fanden gleichermaßen Gehör – und zeigten eindrucksvoll, wie relevant und facettenreich Forschung heute ist. 50.000 Euro Preisgeld, verteilt auf zehn herausragende Talente, sind ein Signal: Aus kleinen Schritten entsteht Spitzenforschung – und die braucht Raum, sich zu entfalten. Drei dieser Nachwuchstalente stellen wir Ihnen hier näher vor – und damit auch die Geschichten hinter den Preisen.

Resilienz erforschen – mitten in der Krise

Dr. rer. nat. Kira Ahrens © Uwe Dettmar, Goethe-Universität Frankfurt
Dr. rer. nat. Kira Ahrens © Uwe Dettmar, Goethe-Universität Frankfurt

Die Corona-Pandemie bedeutete für viele einen psychischen Stresstest. Kira Ahrens machte daraus ihr Forschungsfeld – und entwickelte eine der ersten Studien, die langfristig untersuchten, wie Menschen seelisch mit großen Krisen umgehen. Ihre Dissertation zeigt: Resilienz ist keine Ausnahme, sondern oft die Regel. »Die Herausforderung war, schnell zu reagieren«, erzählt sie. »Wir planten deshalb mit dem LORA-Konsortium wöchentliche Befragungen.« Die Ergebnisse ihrer Dissertation basieren auf Daten von über 1.000 Probanden. Erhoben wurden nicht nur psychologische, sondern auch biologische Indikatoren – etwa Haarkortisol oder genetische Risikofaktoren. »Ich wollte verstehen, welche individuellen Ressourcen die Aufrechterhaltung oder schnelle Wiederherstellung der psychischen Gesundheit ermöglichen – und wo die Grenzen liegen.«

Heute arbeitet sie an der Schnittstelle von Forschung und Therapie. In ihrer Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin strebt sie eine Zukunft als »Clinician Scientist« an: »Ich möchte dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse dort ankommen, wo sie gebraucht werden – in der klinischen Praxis.«

Mathe für die Mental-Health-Forschung

Julien Patrick Irmer ist ein Brückenbauer zwischen zwei Welten: zwischen trockener Statistik und gelebter psychologischer Forschung. In seiner Dissertation entwickelte er neue mathematische Werkzeuge, mit denen sich psychologische Studien besser planen und auswerten lassen – auch bei komplexen Fragestellungen. Konkret: Irmer arbeitet an sogenannten Strukturgleichungsmodellen – eine statistische Methode, mit der sich Zusammenhänge zwischen psychologischen Merkmalen wie Intelligenz, Motivation oder Stress untersuchen lassen. Bisher war es oft schwer, die »richtigen« Modelle zu wählen oder vorab abzuschätzen, ob eine geplante Studie genug Aussagekraft (statistische Power) besitzt. Irmer entwickelte neue Verfahren, mit denen sich solche Modelle intelligenter auswählen und Studien effizienter vorbereiten lassen – sogar automatisch und ohne tiefergehendes Statistik-Know-how. Seine Methoden kombinieren klassische Statistik mit modernen Machine-Learning- Ansätzen – und sind als Open-Source- Software für alle nutzbar.

»Mein Ziel war es, diese hochkomplexen Werkzeuge verständlich und praktisch einsetzbar zu machen«, sagt er. Während der Arbeit an seiner Dissertation wurde seine Tochter geboren – ein zusätzlicher Balanceakt zwischen Forschung, Lehre und Familie. Und sein größtes Vorbild? »Meine Frau – ihre wissenschaftliche Klarheit und Leidenschaft beeindrucken mich jeden Tag.«

Der schwierige Blick in den Abgrund

Felix Roßmeißl hat sich ein Forschungsfeld gewählt, das andere meiden: den Weg junger Männer in den Dschihadismus. In akribischer Kleinarbeit analysierte er Interviews mit Aussteigern, Prozessakten und Propagandamaterial – und entwickelte eine neue theoretische Perspektive auf Radikalisierung: als Karriere in einer totalen Subkultur. »Der Zugang war schwer, die Gespräche nicht selten emotional belastend«, erzählt Roßmeißl. Gleichzeitig stand er unter dem Druck, in einer hochpolitisierten Debatte wissenschaftlich neutral zu bleiben. »Es ging mir darum, verständlich zu machen, wie sich junge Männer in ideologischen Selbstverpflichtungen verlieren – ohne sie zu entschuldigen.«

An der Goethe-Universität fand er dafür den richtigen Ort: »Die kritische Theorie und das intellektuelle Klima am Institut für Soziologie haben mein Denken geprägt.« Heute forscht Roßmeißl an der Hochschule Fulda zu gesellschaftlichen Konflikten und Zukunftsperspektiven – zuletzt im Sudan. Sein Thema bleibt: die Frage, wie Menschen in extremen Lagen Orientierung suchen – und wie Gesellschaften darauf antworten.

Auszeichnung mit Signalwirkung

Die drei porträtierten Preisträger stehen stellvertretend für eine neue Generation von Forschern: methodisch präzise, gesellschaftlich relevant und intellektuell mutig. Die Goethe-Universität hat diesen mit der Akademischen Feier und der Ehrung durch die Freunde und Förderer nicht nur eine Bühne geboten – sondern auch ein klares Signal gesetzt: Zukunft entsteht dort, wo Denken Tiefe hat.

Autorin: Heike Jüngst

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