Auf der Tagung des European Labour Law Network (ELLN), die vom 17. bis 18. Oktober an der Goethe-Universität stattfindet, wird über die rechtliche Dimension des Themas Schwarzarbeit diskutiert.
Der Koordinator des Netzwerkes, Prof. Bernd Waas vom Lehrstuhl für Arbeitsrecht, erläutert im Gespräch die Schwierigkeit, europaweit ein gemeinsames Begriffsverständnis zu entwickeln.
UniReport: Die ELLN-Tagung rückt ein Thema in den Mittelpunkt, das so gut wie jeder kennt: Schwarzarbeit. Warum ist das Thema für Arbeitsrechtler auf europäischer Ebene interessant?
Bernd Waas: Das fängt schon an mit der Frage: Was bedeutet es „schwarz“ zu arbeiten? Eine Form von illegaler Selbständigkeit? Oder dass ein Teil des Lohns unterm Tisch ausbezahlt wird, um Sozialabgaben zu sparen? Dann gibt es Grauzonen, wie den Werkvertrag, bei dem unklar ist, ob eine Person als Unternehmer oder in Wirklichkeit als Arbeitnehmer arbeitet. In den Mitgliedstaaten der EU wird Schwarzarbeit durchaus unterschiedlich definiert. Deshalb ist unklar, was Letten, Litauer und Deutsche überhaupt meinen, wenn sie von Schwarzarbeit reden. Im Grundsatz ist alles, was bezahlte Tätigkeit ist und nicht den Behörden gemeldet wird, Schwarzarbeit. Aber jedes EU-Mitgliedsland hat eigene Gesetze und Beschreibungen. Um auf der europäischen Ebene ins Gespräch zu kommen, wäre es hilfreich, ein gemeinsames Begriffsverständnis zu haben. Bisher verstehen viele unter Schwarzarbeit vieles.
Schwarzarbeit richtet Schäden in Milliardenhöhe an. Vor allem in der Sozialversicherung. Andererseits stehen Schwarzarbeiter oft ohne Lohn und Krankheitsschutz da, weil Arbeitgeber ihnen Geld vorenthalten. Gibt es rechtlich Handlungsbedarf?
Sie sprechen damit vor allem die Entsendungsproblematik an. Im Kern geht es um Ansprüche, die Schwarzarbeiter haben könnten. Zum Beispiel auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit und nach einem Unfall. Vieles ist in der sog. Entsenderichtlinie der EU geregelt, die Schutz von Betrieben und Arbeitnehmern vor Lohndumping vermeiden soll. Es gibt aber keine spezielle Regelung für Schwarzarbeit. Hier drängt sich eine EU-Regelung auf, weil es ein grenzüberschreitendes Thema ist. Auch gilt es alles zu verhindern, was Schwarzarbeit attraktiv macht. Auf der europäischen Ebene sich ab, dass man zunächst die Zusammenarbeit der Behörden verbessern und im Sinne von best practice-Beispielen voneinander lernen will.
Staat und Sozialversicherungen haben ein Interesse am Kampf gegen Schwarzarbeit. An welchen Punkten geht die Bekämpfung über den öffentlichen Ansatz hinaus?
Zum Beispiel im eben angesprochenen Arbeitsrecht. Oder im Zivilrecht, etwa bei der Gewährleistung. Wer zum Beispiel einen Auftrag schwarz vergibt, hat keinen Anspruch auf Gewährleistung. In der Konsequenz müssten Juristen ein Schild an die Tür hängen mit dem Hinweis „Leute, wenn ihr das bestellt, habt ihr keine Rechte, wenn die Leistung mangelhaft ist.“ Andersherum steht die Frage im Raum, ob ein Schwarzarbeiter trotz nichtigem Vertrag Lohn einfordern könnte in Form von Wertsatz, zum Beispiel für das neu gedeckte Dach. Die entsprechenden Gerichtsentscheidungen sind durchaus auch von der Überlegung bestimmt, was für die Beteiligten das Risiko für Schwarzarbeit erhöht oder, spiegelbildlich gesehen, was sie attraktiver macht?
Wie hoch ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwarzarbeit in Europa?
Unterschiedlich. In Osteuropa ist sie anders, weil viele Leute sagen „Wenn ich im Alter versorgt sein will, bleibt mir gar nichts anderes übrig als Schwarzarbeit.“ Dementsprechend muss man dort von einem sehr hohen Anteil von Schwarzarbeit ausgehen. Osteuropa dürfte überhaupt ein Sonderfall sein: Generell werden die Richtlinien in allen EU-Staaten umgesetzt, sie sind nur nicht überall in gleichem Umfang verinnerlicht. Einen Hinweis geben Anfragen nationaler Gerichte an den EuGH. Sehr viele davon kommen aus Deutschland. Insoweit bildet auch das Netzwerk den Rahmen für einen Lernprozess der Beteiligten, weil es Experten aus verschiedenen Rechtstraditionen zusammenbringt. Und demzufolge ist unsere Tagung allein schon deshalb ein Erfolg, weil so viele teilnehmen und miteinander sprechen. [Die Fragen stellte: Monika Hillemacher]