Der Studiengang Geographie passt gut nach Frankfurt. Metropolisierung und Globalisierung, Prozesse der Landschaftsentwicklung und Mensch-Umwelt-Beziehungen lassen sich im Rhein-Main-Gebiet sehr gut veranschaulichen. Besonderheit des Bachelorstudiengangs ist die frühzeitige Aufspaltung in Humangeographie und Physische Geographie mit unterschiedlichen Abschlüssen.
Im Einführungsjahr steht für alle Studierenden aber gerade die Verbindung von naturwissenschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektiven und Methoden in der Geographie im Mittelpunkt. Das Studienfach vermittelt ein differenziertes Bild von Kulturen, Wirtschaftsformen, politischen Systemen, Umwelten und Landschaften, indem es immer den Bezug zu Orten und Regionen herstellt.
Die Studierenden beschäftigen sich mit der Frage, wie menschliches Handeln auf den Raum einwirkt (Humangeographie) und welche physischen Faktoren im Gesamtsystem der Geosphäre zusammenwirken (Physische Geographie), lernen kartographische und statistische Methoden sowie typische Praxisfelder kennen. Zum dritten Semester müssen sie sich entscheiden: Interessieren sie sich mehr für Themen wie Stadtentwicklung, Wirtschaftsräume und ökonomische Strukturen auf der Welt, praktische Zusammenhänge zwischen Wohnraumbestand und Mieten oder Mobilitätsforschung, so widmen sie sich die nächsten vier Semester der Humangeographie auf dem Campus Westend und schließen mit dem Bachelor of Arts ab. Möchten sie sich lieber mit landschaftsökologischen Fragestellungen, mit Geländeformen und formbildenden Prozessen, der Verteilung von Wasseraufkommen und Vegetation auf dem Planeten beschäftigen, Bodenprofile im Gelände untersuchen oder computergestützte Analysen von Geodaten und Satellitenbildern vornehmen, dann sind sie in der Physischen Geographie im Geozentrum auf dem Campus Riedberg richtig. Ihr Abschluss wird der Bachelor of Science sein.
Die räumliche Trennung in die zwei Campi verdeutlicht die Interdisziplinarität des Faches als Wissenschaft an der Schnittstelle zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaften. „Dennoch ist es natürlich möglich, im Nebenfach den jeweils anderen geographischen Zweig fortzuführen“, erklärt Jens Schreiber, der am Institut für Humangeographie den Bereich Studienangelegenheiten leitet. Alternativ bieten sich zur Abrundung Kulturanthropologie, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft, Soziologie, oder Städtebau (in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt) oder Volks-/Wirtschaftswissenschaften an.
Humangeographie
Für den Zweig Humangeographie entscheidet sich der größere Teil der Studierenden, weil nur wenige Universitäten diese gesellschaftswissenschaftliche Ausrichtung mit dem Abschluss Bachelor of Arts anbieten. Das ist eine Spezialität der Goethe-Universität, die auch Studierende von weiter her nach Frankfurt lockt. „Das Institut für Humangeographie forscht am Puls der Zeit und hat eine spannende Diversität in den Forschungsinteressen der Dozenten“, lobt Alexander N. vom Studierendenforum Humangeographie, das Teil der Fachschaft ist. Schwerpunkte sind Geographische Stadtforschung, Wirtschaftsgeographie und Mobilitätsforschung sowie der Umgang mit Methoden der empirischen Sozialforschung. Im dritten und letzten Jahr tritt die Projektarbeit in den Vordergrund. Im Rahmen von Teilprojekten der gegenwärtig am Institut für Humangeographie bearbeiteten Forschungsthemen, auch von studentischen Forschungsgruppen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die eigene Bachelorarbeit zu entwickeln. Der Themenreigen reicht von der Entwicklung des Frankfurter Ostends, der Bedeutung von TTIP bis zur Aneignung des öffentlichen Raums durch Jugendliche.
„Das Bachelor-Studium in der Humangeographie zeichnet sich, neben der umfangreichen Grundlagenausbildung, vor allem durch projektbezogene Lehrveranstaltungen aus, in denen sich Studierende in Kleingruppen über mehrere Semester hinweg intensiv mit humangeographischen Themen auseinandersetzen, eigene Forschungsdesigns entwickeln und Untersuchungen in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main durchführen“, erklärt Jens Schreiber. Darüber hinaus biete das Frankfurter „Kolloquium Humangeographie“ einen Rahmen, in dem Studierende und Mitarbeiter der Frankfurter Geographie mit international etablierten Wissenschaftlern ins Gespräch kommen und sich über aktuelle Fragestellungen informieren können.
Physische Geographie
Im Zentrum der Lehr- und Forschungstätigkeiten des Instituts für Physische Geographie steht das Themenfeld „Dynamik in terrestrischen Mensch-Umwelt-Systemen“. Die fachlichen Schwerpunkte umfassen die Geomorphologie und Landschaftsentwicklung sowie die Bio-, Hydro- und Bodengeographie. Die Studienordnung ist durch einen recht frei gehaltenen Anteil von Nebenfachmodulen flexibel genug, um den Studierenden auch immer wieder neue und individuelle Lehrangebote zu machen. So gibt es in diesem Semester erstmals einen Kurs zu „UAV-Fernerkundung für 3D-Geodatenerfassung“. Für den Wissenschaftsgarten der Universität am Riedberg werden die Studierenden hier mit dem institutseigenen Quadrocopter – umgangssprachlich „Drohne“ – eine eigene Luftbildbefliegung planen und durchführen, um digitale Bildkarten und Geländemodelle in Zentimeterauflösung herzustellen.
„Exkursionen heißen hier „Seminartage vor Ort“ oder „Geländeübung“, denn sie sind immer aktive Veranstaltungen“, erklärt Irene Marzolff vom Institut für Physische Geographie. „Die in den Vorlesungen gelegten Grundlagen werden hier von den Studierenden im Gelände auf konkrete Aufgabenstellungen angewendet.“
Das Handwerkszeug dafür reicht von Karten und digitalen Geodaten über GPS-Geräte, Bohrstöcke und Beregnungsanlagen bis zu botanischen Bestimmungsbüchern. Zur Analyse von Umweltveränderungen in Gegenwart und Zukunft gehört immer auch der Blick auf die Vergangenheit. „Thema einer „Geländeübung Geomorphologie“ kann zum Beispiel die Untersuchung und Kartierung von Elementen der historischen Landnutzung im Odenwald sein, die auch heute noch stark das Landschaftsbild prägen durch Kohlemeilerplätze, Hohlwege, Bergbaurelikte und alte Ackerterrassen“, erläutert Marzolff. „Ist die Einrichtung eines umweltpädagogischen und kulturhistorischen Freilichtmuseums als wertvoller einzuschätzen als die ebenfalls erwogene Errichtung eines Windparks an diesem Standort?“, könne eine Frage sein. Dazu verfassen die Studierenden am Ende der Übung Handlungsempfehlungen an den Ortsbeirat.
In der Geographie sind wir in Frankfurt sehr breit aufgestellt und forschen und lehren zu sehr vielfältigen Themen“, umreißt Marzolff das Fächerspektrum. Es gehe um ökologische, soziale und planerische Fragen, um die Lebensräume und den Globalen Wandel, um Ressourcenschutz, Wasser- und Nahrungsmittelversorgung der Zukunft. Mit 13 Professuren und mehr als 60 wissenschaftlichen Mitarbeitern gehören die beiden geographischen Institute zu den größten in Deutschland. Sie ziehen gerade wegen des Y-artig angelegten Bachelorstudiengangs jedes Wintersemester rund 250 Erstsemester an, von denen rund die Hälfte im Nebenfach studiert. Zusätzlich bieten die beiden Institute auch Lehramtsstudiengänge in Erdkunde an.
Irene Marzolff bedauert, „dass unser Fach an den Schulen so schlecht repräsentiert ist. Denn die Geographie verbindet viele Disziplinen miteinander. Der Klimawandel müsste die Aktualität unserer Inhalte eigentlich verdeutlichen.“ Tatsächlich werde das Thema aber oft der Meteorologie oder Biologie zugeschlagen.
Wer sich für Physische Geographie entscheidet, sollte in der Oberstufe „möglichst nicht alle Naturwissenschaften abgewählt haben“, sagt sie, aber als „richtig harte Naturwissenschaft“ sieht sie ihre Disziplin nicht. „Zur Auffrischung des Abi-Wissens haben wir sogar ein naturwissenschaftliches Grundlagenmodul mit Wahlmöglichkeiten“, kann sie Mathe- oder Bio-Muffel beruhigen.
Betreuung durch Mentoren
Sehr viel Unterstützung biete auch die persönliche Betreuung der Studierenden durch studentische Tutorinnen und Tutoren in den ersten beiden Semestern. „Das ist bei uns Teil des Curriculums“, sagt Marzolff. „Die älteren Studierenden leiten sogar selbst eine physisch-geographische Exkursion und eine Stadtexkursion.“ Dadurch sammeln sie wichtige Erfahrungen darin, einer Gruppe Inhalte zu vermitteln. Die Mentees wiederum bekommen Kontakt zu höheren Semestern und bessere Einblicke, was sie in den kommenden Semestern erwartet. Grundlegende IT-Kenntnisse für die Erhebung und Nutzung von Geodaten und Arbeit mit Geo-Informationssystemen werden immer dazu gehören. Das gehöre mittlerweile zur Kernkompetenz vieler Absolventen, stimmen Marzolff und Schreiber überein, die beide in diesem Bereich lehren. Geo-Informations-Management sei eine der am stärksten wachsenden Wirtschaftsbranchen. „Wobei wir uns auf die Analysen beschränken, etwa zur Bestimmung möglicher Standorten für Supermärkte“, sagt Schreiber. „Programme schreiben wir hier nicht.“
„Ich habe nach einem Studiengang gesucht, der viele verschiedene Themen aus unterschiedlichen Perspektiven verbindet, da ich nicht einfach nur eine Richtung studieren wollte wie es beispielsweise bei Politikwissenschaft oder der Volkswirtschaftslehre der Fall ist“, beschreibt der Studierende Alexander N. seine Studienfachwahl. „Ich habe mir verschiedene Universitäten online für dieses Fach angeschaut und Frankfurt hat mir aufgrund der Y-Struktur am besten gefallen.“ Jens Schreiber kann gut nachvollziehen, was Alexander N. meint: Für ihn sind Geographen auch später im Beruf, etwa in der Stadtplanung, diejenigen, „die sich zwischen den Disziplinen eingliedern und vermitteln, die Zusammenhänge herauslesen zwischen den Prozessen.“
Für die erste Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarkt sorgt ein achtwöchiges Pflichtpraktikum. „Für etliche war das schon über Werks- und Zeitverträge der Einstieg in den Beruf“, weiß Marzolff. Nach dem Studienabschluss ─ auch mit Bachelor ─ gebe es viele Möglichkeiten, aber kein scharf umrissenes Berufsbild. „Oft taucht in Stellenbeschreibungen noch nicht einmal das Stichwort Geographie auf“, bedauert sie. Zu den typischen Einsatzorten zählen Ingenieurbüros, Ämter für Stadtplanung und Umwelt, Wirtschaftsförderung, Ministerien und Organisationen für Entwicklungshilfe, Natur und Umwelt, Infrastruktur, Flugsicherheit sowie Versorger und Verkehrsdienstleister wie der RMV, aber auch Geodienste und ─ gerade in Frankfurt ─ Immobilien-Researcher.
Nach dem Bachelor die Uni zu verlassen, ist möglich: „Die Privatwirtschaft ist da ganz offen“, beobachtet Schreiber. „Dagegen ist in der Verwaltung immer noch der Master entscheidend für die entsprechende Eingruppierung“, weiß er. Viele entscheiden sich für das Masterstudium, um sich weiter zu spezialisieren. Sie erwartet eine engere Einbindung in laufende Forschungsprojekte und Exkursionen zu den damit im Zusammenhang stehenden Orten im In- und Ausland. Auch Afrika und Amerika können dazu gehören.
Für Bachelor der Humangeographie bietet sich in Frankfurt der Masterstudiengang „Geographien der Globalisierung ─ Märkte und Metropolen“ an, Bachelor of Science können mit einem Master in Physischer Geographie zu „Mensch und Umwelt im globalen Wandel“ noch tiefer in das Geschehen auf der Erdoberfläche eintauchen.
Autorin: Julia Wittenhagen
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Themen von Bachelor-Arbeiten aus 2016
Humangeographie:
- Aneignung von öffentlichem Raum durch Jugendliche – Interessenkonflikte bei der Nutzung von öffentlichem Raum in einem suburbanen Mittelzentrum.
- Carsharing im Kontext studentischer Mobilität.
- Geographien der Mikroversicherung – am Beispiel des Mikrokranken- und Beerdigungsanbieters ServiPerú.
- Green City – Die Konstruktion von Frankfurt am Main als „Grüne Stadt“.
- Höchst kreativ?! Der Einfluss kreativer Zwischennutzungen auf die Stadtentwicklung am Beispiel des Höchster Designparcours.
- Outdoor: Das Geschäft mit dem Draußen. Entwicklungen der Outdoor-Bekleidungsindustrie und Markteinschätzung der Outdoor-Bekleidungsindustrie.
- Sanierung und Aufwertung in randständigen Gebieten – das Frankfurter Ostend und das Mainstream-Phänomen Gentrification.
- TTIP: Deutschland, EU & USA. Eine kritische Diskursanalyse zur Identitäten-Konstruktion.
- Urbane Ungleichheiten in der Lebensmittelnahversorgung in Frankfurt am Main.
Physische Geographie:
- Die Entwicklung der Nutzungen von unbemannten Luftfahrtzeugen in Deutschland sowie deren Anwendungsbereiche und Forschungsschwerpunkte.
- Ermittlung und Untersuchung tatsächlicher und potentieller Standorte des Zwerggrases Mibora minima (L.) Desv. (Poaceae) mit physisch-geographischen Methoden im Rahmen eines Artenschutzprojektes.
- Evaluierung der Kohlenstoffaufnahme, -speicherung und -veränderung europäischer Wälder mit Inventur- und Modelldaten.
- Fernerkundliche Analyse der Siedlungsentwickung von Irbid (Jordanien).
- Globale Betrachtung von klimabedingten Biomverschiebungen in Bezug auf Schutzgebiete.
- Identifizierung effizienter Handlungsoptionen für eine nachhaltige Grundwassernutzung am Beispiel des Wasserschutzgebiets „Heiden-Lammersfeld“.
- Schutzgüterbezogene Bewertung der Umweltverträglichkeit von Windenergieanlagen am Beispiel ausgewählter Flächen im Odenwald.
- Untersuchung zur Deckschichtengenese auf der Kuppe des Kleinen Feldbergs im Taunus.
- Vergleich alternativer Kompensationsplanungen für das Bahnprojekt „Hochheim – Neubau Bahnkörper“ unter naturschutzfachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
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Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3.17 (PDF-Download) des UniReport erschienen.