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Clusterprojekt ConTrust erhält Landesmittel zur Vorbereitung auf die nächste Runde der Exzellenzstrategie

Wenn Konflikte eskalieren: Im Sommer 2020 trafen Demonstranten der Black Lives Matter-Bewegung in Portland/Oregon auf Unterstützer Donald Trumps. Die Auseinandersetzung, in die sich auch die Polizei einschaltete, forderte ein Menschleben. Was läuft schief in solchen Fällen? Wie könnte man die Gewalt künftig verhindern? Mit solchen Fragen befasst sich das Clusterprojekt ConTrust, das in der Vorbereitungsphase der Exzellenzstrategie gefördert wird.

Das Zusammenspiel von Konflikt und Vertrauen steht im Zentrum des Clusterprojekts ConTrust, das für die Goethe-Universität bei der nächsten Exzellenzrunde von Bund und Ländern ins Rennen gehen soll. Prof. Nicole Deitelhoff und Prof. Rainer Forst haben beim Land die Förderung für die Vorbereitungsphase beantragt – mit Erfolg: Bis 2025 stehen dem Vorhaben insgesamt fast 10 Millionen Euro zur Verfügung, etwa die Hälfte davon aus dem hessischen Landeshaushalt.

Konflikte sind in Gesellschaften nicht nur unvermeidbar; sie sind für demokratisches Zusammenleben und gesellschaftlichen Fortschritt unabdingbar. Doch wie können die Konfliktparteien sicher sein, dass sie sich nicht auf ungeschütztes Terrain begeben, dass der Streit nicht zerstörerisch wird? Das Geheimnis des gesellschaftlichen Zusammenlebens, davon geht das am Zentrum Normative Ordnungen angesiedelte Forschungsvorhaben ConTrust aus, ist Vertrauen. Dabei gehen die Projektinitiatoren von einem etwas anderen Vertrauensbegriff aus als allgemein üblich: „Vertrauen wird nicht dort verortet, wo der Konflikt fehlt, sondern es basiert in unserer Vorstellung auf Erfahrungen, insbesondere auch auf Erfahrungen mit Konflikten“, sagt Rainer Forst, der an der Goethe-Universität Politische Theorie und Philosophie lehrt. Vertrauen sei einerseits die Voraussetzung, damit Menschen sich mit anderen auseinanderzusetzen wagen; Vertrauen sei aber auch das Ergebnis von Konflikterfahrungen. Doch wie müssen die auf solche Weise konstruktiven Konflikte beschaffen und „gerahmt“ sein? Wenn die Wissenschaft Antworten auf diese Fragen findet, könnte das der Gesellschaft zu einer besseren Konfliktkultur verhelfen.

Vertrauen, das im Konflikt erst entsteht? Nicole Deitelhoff, Politologin an der Goethe-Universität und Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), das den Förderantrag gemeinsam mit der Goethe-Universität gestellt hat, nennt ein konkretes Beispiel: „Stellen Sie sich den geplanten Bau einer Umgehungsstraße vor: Die einen wollen sie, weil sie sich davon Entlastung ihres persönlichen Lebens erwarten. Die anderen lehnen sie ab, weil dafür zu viel Naturlandschaft zerschnitten wird. Die Auseinandersetzung wird schnell hitzig, konfrontativ. Aber letztlich kommt man doch ins Gespräch, lernt die andere Perspektive kennen, findet Kompromisse.“ Wie aber muss ein Konflikt beschaffen sein, wie muss er ausgetragen werden, um so positiv auszugehen? Dazu brauche es Normen und Verfahren, die von allen akzeptiert werden. „Das ist wie der Lackmustest für eine Gesellschaft – ebenso wie für eine private Freundschaft: Dass man nicht nur bei Schönwetter zusammenhalten kann, sondern auch wenn es knifflig wird“, erklärt Rainer Forst. Politische Gegner, die sich in Anerkennung demokratischer Grundregeln die Hände geben, das zeuge von Vertrauen in die Normen, die sich die Gesellschaft selbst gegeben hat.

Indem sie Vertrauen nicht als Gegenbegriff zum Begriff des Konflikts sehen, sondern als Element desselben, wollen die beteiligten Forscherinnen und Forscher neue Wege beschreiten – ganz in der Frankfurter Tradition. Bei der empirischen und normativen Erforschung des Zusammenhangs zwischen den beiden Begriffen sollen disziplinäre Grenzen überschritten, neue Methoden erarbeitet und angewendet werden. Ziel ist eine Diagnostik der Dynamik von Vertrauen und Misstrauen in Konfliktsituationen. Fünf verschiedene Kontexte sollen untersucht werden: das demokratische System im Allgemeinen, die internationale Politik, Wirtschaftsprozesse, Wissenschaft und Medien. Dementsprechend interdisziplinär ist das Projekt aufgestellt: Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Sozialpsychologie und Politologie, Philosophie und Film- und Literaturwissenschaft werden ihren Teil beitragen. Unter den beteiligten Principal Investigators (PI) sind vier Persönlichkeiten, die mit dem Leibnizpreis ausgezeichnet wurden. Aber auch viele Forscherinnen und Forscher in einer früheren Karrierephase sind am Projekt beteiligt bzw. sollen noch dafür gewonnen werden.

Dass derzeit vieles im Argen liegt mit dem Vertrauen in demokratische Institutionen oder Autoritäten wie gewählte Politiker oder Wissenschaftler, das ist quasi der Auslöser für die Projektidee. Die Wut, die sich bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik der Regierungen entlädt, sei ein Beleg dafür, dass viele Menschen orientierungslos geworden seien, ihr Vertrauen habe „keinen Ort mehr“, erklärt Deitelhoff. Ein Gefühl von Ungewissheit greife um sich, was letztlich viel damit zu tun habe, dass für viele kaum mehr zu erkennen sei, von wem oder auch nur wo Probleme gelöst werden könnten. Um sich ein Bild der Realität zu machen, brauche der Einzelne extrem viele Informationen. Darauf reagierten viele Menschen mit Regression: Sie zögen sich zurück und suchten sich alternative Formen von Gewissheit – zum Beispiel in Demagogen wie Trump. Vertrauen spielt auch in einer solchen Gefolgschaft eine Rolle, es kann dann aber durchaus negative Folgen haben. Es gibt auch, so die Forschungsgruppe, autoritäre Formen des Vertrauens.

Das neue Projekt schließt an den Cluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an, aber der Blickwinkel hat sich ebenso wie die personelle Zusammensetzung geändert. „Der Cluster hat das Fundament gelegt, er bildet die Plattform für die gemeinsame Forschung“, sagt Forst. Der Ansatz sei methodisch und inhaltlich neu und innovativ, und so freut man sich besonders über die Förderzusage: „Jetzt können wir wieder richtig loslegen – und das mit einem schönen Rückenwind“, so der politische Philosoph weiter. ConTrust wird mit 4,8 Millionen Euro aus Landesmitteln und 4,9 Millionen Euro Eigenmitteln von Goethe-Universität und Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung gefördert; dabei tragen die beteiligten Forscher und Forscherinnen selbst ein Viertel des Betrages bei.  „Wir sind sehr dankbar für die Anerkennung, die aus dieser Entscheidung spricht. Und wir danken den vielen Beteiligten für ihren Mut, neue Wege zu gehen, und dem Team der Normativen Ordnungen für sein großes Engagement“, sagt Nicole Deitelhoff. Nun geht es darum, für 2025 die entsprechenden Vorarbeiten für einen Clusterantrag zu erarbeiten. Geht das Projekt dann 2027 erfolgreich aus der nächsten Exzellenzrunde hervor, kann Frankfurt als internationales Zentrum der Vertrauens- und Konfliktforschung weiter ausgebaut werden.

Clusterprojekt ConTrust
Vertrauen im Konflikt. Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit

Sprecher:innen:

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff
Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität (i.G.) und Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
Tel: +49 (69) 798-31444
deitelhoff@hsfk.de

Prof. Dr. Rainer Forst (Foto: Frank Röth)

Prof. Dr. Rainer Forst
Forschungszentrum Normative Ordnungen der Goethe-Universität (i.G.)
Tel: +49 (69) 798-31540
forst@em.uni-frankfurt.de

Mehr Informationen: www.normativeorders.net/de/

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