Weltweit vernetzt, lokal verankert: Die „Quark Matter“ in Frankfurt

Zum ersten Mal fand vom 6. bis 12. April 2025 die weltweit führende Konferenz für Schwerionenphysik, Quark Matter, an der Goethe-Universität statt. Im Gespräch erzählt Professor Harald Appelshäuser welche wissenschaftlichen Highlights auf dem Programm standen, warum Schwerionenforschung mehr mit unserem Alltag zu tun hat, als man denkt und was Frankfurt zum idealen Austragungsort macht.

Prof. Appelshäuser, was steckt hinter der Quark Matter?

Die Quark Matter ist die weltweit größte Konferenz im Bereich der relativistischen Schwerionenphysik. Es gibt sie bereits seit 1982, und in diesem Jahr dürfen wir die 31. Auflage ausrichten. Mit rund 1000 internationalen Teilnehmenden ist sie in diesem Jahr auch die bislang größte.

Im Zentrum steht die enge Verbindung zwischen Theorie und Experiment – gerade im Hinblick auf die großen internationalen Einrichtungen wie das CERN in Europa oder das BNL in den USA. In naher Zukunft wird auch FAIR in Darmstadt dazustoßen. Unsere Region war schon von Anfang an eine Art Keimzelle für die Schwerionenphysik und ist heute weltweit als Zentrum dieser Forschung bekannt. Umso mehr freuen wir uns, dass die Quark Matter nun endlich auch einmal in Frankfurt stattfindet.

Was wurde auf der Quark Matter besonders heiß diskutiert?

Teilnehmende der Quark Matter Konferenz, Foto: Uwe Dettmar, Goethe-Universität Frankfurt

Ein echtes Highlight in diesem Jahr sind die ersten Ergebnisse aus dem dritten Lauf des Large Hadron Colliders, kurz LHC, am CERN. Für diesen sogenannten Run 3 gab es über rund zehn Jahre hinweg erhebliche Upgrades, und seit zwei Jahren kann nun mit dem neuen Aufbau experimentiert werden. Die Daten, die dabei entstanden sind, wurden auf dieser Konferenz zum ersten Mal präsentiert – das ist ein echter Durchbruch.

Der LHC ist der größte und leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Die meiste Zeit des Jahres läuft er im Protonenmodus, aber etwa ein Monat ist der Schwerionenphysik gewidmet – dann werden Blei-Ionen kollidiert. Das ist für uns besonders spannend, weil wir dabei die höchsten Energiedichten erreichen. Es entstehen Temperaturen, wie sie nur wenige Mikrosekunden nach dem Urknall geherrscht haben. So können wir modellieren, wie das Universum ganz am Anfang ausgesehen hat – lange bevor sich Teilchen wie Protonen und Neutronen gebildet haben.

Ein weiteres bedeutendes Ereignis betrifft das neue Experiment sPHENIX in den USA, das ebenfalls zum ersten Mal an den Strahl gegangen ist. Auch von dort wurden jetzt erste Ergebnisse vorgestellt – das macht diese Quark Matter besonders spannend.

Warum ist diese Forschung für die Gesellschaft von Bedeutung?

Grundlagenforschung ist grundsätzlich relevant, weil der Mensch von Natur aus wissen will, wie die Dinge funktioniert und wie die Welt entstanden ist. Warum interessieren wir uns für Dinosaurier? Weil wir verstehen wollen, woher wir kommen. In unserem Fall geht es tatsächlich um die frühesten Phasen des Universums – um den ersten millionstel Bruchteil einer Sekunde nach dem Urknall. Gleichzeitig messen wir fundamentalen Kräfte der Natur auf den kleinsten Skalen, die wir heute überhaupt nur zugänglich machen können.

Dafür ist ein enormer technischer Aufwand notwendig – und dabei entstehen immer wieder neue Technologien, die später auch außerhalb der Physik Anwendung finden. Besonders stark ist das im Bereich Computing: Wir verarbeiten riesige Datenmengen und brauchen dafür ständig neue, innovative Konzepte. Auch die Entwicklung und Weiterentwicklung von Detektoren ist wichtig – vieles davon wird später beispielsweise in der medizinischen Bildgebung oder in der Klimaforschung genutzt.

Frankfurt ist zum ersten Mal Austragungsort der Quark Matter. Warum ist die Stadt ein guter Ort dafür?

Frankfurt ist in vielerlei Hinsicht ideal: Die Stadt verfügt über eine hervorragende Universität und hat eine lange wissenschaftliche Tradition – besonders im Bereich der Schwerionenphysik. Frankfurt steht auch für Offenheit und Internationalität, was für eine globale Konferenz wie diese besonders wichtig ist. Viele unserer Teilnehmenden sagen, dass sie sich hier sehr wohlfühlen.

Wissenschaft wird hier traditionell nicht im Elfenbeinturm betrieben, sondern ist Teil der Zivilgesellschaft – das ist uns wichtig. Und natürlich spielt auch die gute Erreichbarkeit eine Rolle: Frankfurt ist ein internationaler Verkehrsknotenpunkt. Wer von weit her anreist, ist oft in weniger als 30 Minuten vom Flughafen im Hotel – das sorgt bei vielen für Erstaunen. Hinzu kommt unser schöner Campus im Westend: Er bietet alle Einrichtungen, die man für eine professionelle Konferenz auf hohem Niveau braucht – und ist gleichzeitig offen, lebendig und mitten im studentischen und städtischen Leben.

Sie haben vor und während der Konferenz auch öffentliche Veranstaltungen organisiert, unter anderem für Schüler*innen. Was war die Idee dahinter?

Es ist uns sehr wichtig, auch die Öffentlichkeit einzubeziehen – unsere Fragestellungen und Ergebnisse verständlich zu erklären und Begeisterung für Physik zu wecken. Wir erleben immer wieder, dass das auf großes Interesse stößt. Wenn man erklärt, was man macht, bekommt man fast immer positive Rückmeldungen. Ich habe ehrlich gesagt noch nie gehört, dass jemand sagt: „Das ist doch völlig irrelevant.“

Wir wollen außerdem für Physik werben – und allgemeiner auch für die Naturwissenschaften. Das sind zentrale Felder, in denen wir dringend Nachwuchs brauchen. Und noch weiter gefasst geht es uns auch um Wissenschaft als gesellschaftlichen Wert. Denn es ist leider nicht mehr selbstverständlich, dass Wissenschaft allgemein anerkannt wird. Viele scheinen zu glauben, dass man auf Wissenschaft verzichten kann – oder dass Glauben wichtiger ist als Wissen. Wir finden: Wissen ist besser als Glauben.

Was war für Sie persönlich das größte Highlight auf der Quark Matter?

Mich beeindruckt, wie groß und lebendig unsere Community inzwischen ist. Man spürt das Wachstum ganz deutlich – und dass es eine aktive Gemeinschaft ist. Auch die Qualität der aktuellen Daten ist bemerkenswert, besonders, wenn man bedenkt, dass die neuen Experimente noch gar nicht so lange laufen. Und nicht zuletzt bin ich sehr angetan von der Organisation – dazu bekommen wir viel positives Feedback.

Phyllis Mania

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