„Architektur ist nicht nur Selbstzweck“

Eröffnung der Ausstellung Plätze in Deutschland 1950 und heute im IG-Farben-Haus; Foto: Detlef Podehl
Eröffnung der Ausstellung „Plätze in Deutschland 1950 und heute“ im IG-Farben-Haus; Foto: Detlef Podehl

Am vergangenen Dienstag wurde die Wanderausstellung „Plätze in Deutschland 1950 und heute“ eröffnet. Neben Fotografien markanter deutscher Plätze wurde den vielen Besuchern anschließend eine interessante Podiumsdiskussion geboten.

Die Hauptwache, einer der bekanntesten Verkehrsknotenpunkte innerhalb Frankfurts – das war er auch damals in den 50er Jahren schon. Alle wichtigen Straßenbahnlinien verkehrten um den Platz in der Innenstadt. Heute fahren dort die S- und U-Bahnen unterirdisch. Das „Loch“ im Platz, von Frankfurtern so bezeichnet, führt zu dem Bahnhof unter Tage. Diese Veränderungen des Ortes von 1955 bis 2013 veranschaulichen jeweils zwei gegenübergestellte Fotografien in der Wanderausstellung „Plätze in Deutschland 1950 und heute“, die derzeit im IG-Farben-Haus der Goethe-Universität halt macht.

Gleich zwei Frankfurter Mobilitätspunkte gehören zu den 27 gezeigten Bilderpaaren markanter deutscher Plätze: Die Frankfurter Hauptwache (1955 und 2013) und der Bahnhofsplatz (1952 und 2015). „Architektur ist nicht nur Selbstzweck, sie dient dem Wohle der Menschen, die gerne im urbanen Umfeld wohnen“ – mit diesen Worten eröffnete der Vizepräsident der Goethe-Universität, Manfred Schubert-Zsilavecz, die Ausstellung am vergangenen Dienstag. Noch bis zum 16. Mai 2016 ist die Gegenüberstellung auf dem Campus Westend zu sehen.

In das Bild des Frankfurter Bahnhofsplatzes von 2015 treten, anders als 1952, auf der rechten Seite die hohen Bankentürme, die die Stadt heute prägen. An dem nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend verkehrsgerecht gestalteten Platz führen bis heute mehrere Fahrspuren für Autos und Straßenbahnen entlang. Das Auto sei nach dem Zweiten Weltkrieg der Inbegriff von Freiheit gewesen, so dass viele Städte in den 50er Jahren autogerecht geplant worden seien, sagte der Stadtplaner Professor Harald Bodenschatz vom Center for Metropolitan Studies an der TU Berlin bei einer Podiumsdiskussion am Eröffnungstag.

Prof. Christoph Mäckler erklärt die ausgestellten Fotografien; Foto: Detlef Podehl
Prof. Christoph Mäckler erklärt die ausgestellten Fotografien; Foto: Detlef Podehl

Ein weiterer Aspekt, der zu einer Verunstaltung des öffentlichen Raums insbesondere in Frankfurt geführt habe, sei die schnelle Bebauung der Stadt nach dem Krieg gewesen, da Frankfurt Hauptstadt werden wollte, fügte der Frankfurter Architekt Professor Christoph Mäckler hinzu. Das Deutsche Institut für Städtebaukunst an der TU Dortmund, an dem Mäckler lehrt, hat die Wanderausstellung konzipiert, die seit 2013 an verschiedenen Orten in Deutschland gezeigt wird. Die ersten Fotos seien nach dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen worden und zeigten keine Kriegszerstörungen, sagte der Architekt. Die Plätze, wie sie heute aussehen, seien demnach von Architekten und Stadtplanern beschädigt worden. „Einen schönen Platz der Moderne gibt es nicht“, sagte Mäckler.

„Man musste sich legitimieren, wenn man etwas stehen lassen, nicht, wenn man etwas neu bauen wollte“, sagte Bodenschatz. Johnny Klinke, Gründer und Direktor des Tigerpalasts, bemerkte, Hausbesetzer hätten ganze Stadtviertel vor einer städtebaulichen Zerstörung gerettet, wie etwa das Westend. Doch alt muss nicht immer gleich als schön empfunden werden: Der Altstadt-Wiederaufbau ist für Klinke ein nicht nachvollziehbarer Eingriff.

Der Bürgermeister und Planungsdezernent der Stadt Frankfurt, Olaf Cunitz, hält dagegen. Es sei die Sehnsucht nach Historischem, die für den Wiederaufbau spreche. Plätze prägen eine Stadt, sie seien Felder der Begegnung, Orte der Integration, was für eine derart internationale Stadt wie Frankfurt, von wichtiger Bedeutung sei, sagte Cunitz. Als größte und positivste Entwicklung der Stadt sieht Klinke das Museumsufer, das ein Wohnen am Main ermöglicht habe. Plätze seien zudem oft mit Emotionen verbunden, wie etwa der Frankfurter Römer, an dem viele Jahre lang die Fußballnationalmannschaft nach großen Turnieren empfangen wurde.

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Ein weiterer Diskussionspunkt des Abends stieß bei Mäckler und Bodenschatz nicht auf Einigkeit: Die proaktive Gestaltung des öffentlichen Raumes. Mäcklers Meinung nach sei die aktive Gestaltung wichtig für Lebendigkeit einer Stadt: „Wir brauchen eine gemischte Stadt, nicht nur reine Wohnviertel.“ Erst wenn Wohnen und Gewerbe gemischt würden, entstünde Leben. Anders als Mäckler sieht Bodenschatz das Problem einer Übergestaltung und plädiert daher für eine möglichst geringe Einflussnahme in die Inszenierung des öffentlichen Raums. Auch der Klimawandel trage seinen Teil zum Thema bei, ergänzte Christoph Siegl vom Open Urban Institute, die Menschen würden immer mehr Zeit draußen verbringen wollen.

In den nächsten Jahren plant die Stadt Frankfurt, sowohl den Bahnhofsvorplatz als auch die Hauptwache neu zu gestalten. Möglicherweise gibt es zukünftig in Frankfurt doch einen schönen Platz der Moderne.

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Informationen zur Ausstellung:

Wann: 13. April bis 16. Mai 2016 | Wo: Foyer IG-Farben-Haus; Besichtigung während der Öffnungszeiten

Zum Weiterlesen:

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