Biologen der Goethe-Uni suchen nach Gravitations-Rezeptoren

Das Team der Goethe Universität mit Kollegen von der Uni Wien und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (von links): Ella Nukarinen (Uni Wien), Volkan Cevic (DLR), Maik Böhmer (GU), Stefan Simm (GU), Guangwei Xing (GU).

Nicht erst seit dem Hollywood Film „Der Marsianer“ weiß man, dass Pflanzen ein wesentlicher Bestandteil der bemannten Raumfahrt zu fernen Planeten sein werden. Doch wie reagieren Pflanzen auf veränderte Schwerkraftverhältnisse? Das untersucht Dr. Maik Böhmer vom ZERO-G Labor an der Goethe-Universität in diesen Tagen während einer Serie von Parabelflügen in Bordeaux.

Untersuchungsobjekt ist die Blütenpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand), die schon seit langem ein bewährtes Modellsystem in der Gravitationsbiologie ist. Im Rahmen des Projektes IMPACT im Arbeitskreis von Prof. Enrico Schleiff an der Goethe-Universität wurden Arabidopsispflanzen bereits mehrfach veränderten Gravitationsbedingungen ausgesetzt.

Dass Pflanzen auf Schwerkraft reagieren, erkennt man daran, dass ihre Organe in ganz bestimmter Orientierung zur Schwerkraft wachsen: Die Wurzel wächst zum Erdmittelpunkt, die Sprossachse davon weg. Die Wurzelspitze und eine Schicht der Sprossachse (Endodermis) sind zu diesem Zweck mit Zellen aus­ge­stattet, welche die Schwerkraft wahrnehmen. Darin enthalten sind Stärkekörper, sogenannte Stato­lithen. Was aber genau in diesen Zellen passiert und ob es einen Gravi-Rezeptor in Pflanzen gibt, ist noch unbekannt.

Um das herauszufinden, nutzen die Forscher europaweit Möglichkeiten, Pflanzen in sogenannter Mikrogravitation zu untersuchen. Dazu gehören der Fallturm des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen, Parabelflüge der Firma Novespace in Bordeaux (Frankreich), Höhenforschungsraketen in Kiruna (Schweden) und die Internationale Raum­station (ISS). Beim Fallturm liegt die Experi­mentier­zeit bei 4,7 Sekunden, beim Parabelflug sind es bereits 22 Sekunden, bei der Höhenforschungsrakete bis zu fünf Minuten und auf der ISS können Experimente über mehrere Tage durchgeführt werden. Alle diese Möglichkeiten nutzt das IMPACT-Projekt, das seit März 2018 vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als Projektträger des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) für drei Jahre mit 350.000 Euro gefördert wird.

Indem die Forscher untersuchen, welche molekularen Prozesse in Schwerelosigkeit gesteuert werden, können sie auf den Einfluss der Schwerkraft zurückschließen. Während der jetzigen Parabelflüge werden etwa 60.000 Pflanzen mit einer eigens entwickelten Hardware in verschiedenen Phasen des Parabel­flugs fixiert: bei einfacher und doppelter Schwerkraft sowie unter Mikrogravitation. Später werden dann im Labor aktive Signal­prozesse mit moderner Massenspektrometrie sichtbar gemacht. Die ursprünglich im Forschungsprogramm nicht eingeplanten Flüge sind Dank einer zusätzlichen Förderung der Europäischen Weltraumagentur (ESA) und des Vereins der Freunde und Förderer der Goethe-Universität möglich. Partner des Arbeitskreises von Prof. Schleiff an der Goethe-Universität sind das DLR in Köln (Arbeitskreis Dr. Ruth Hemmersbach) und die Universität Wien (Arbeitskreis Prof. Wolfram Weckwerth).

„Obwohl die Zeit der Schwerelosigkeit mit 22 Sekunden noch recht kurz ist, erwarten wir auf­grund von Vorversuchen im Fallturm bereits erste Erkenntnisse über ent­sprechend schnelle Primärprozesse bei der Schwer­kraft­­­wahrnehmung“, erläutert Maik Böhmer. Im Fallturm hatten sich bereits nach 2,7 Sekunden erste messbare Veränderungen in den frühen Signalprozessen gezeigt. In späteren Analysen mit Pflanzen, bei denen die Gene für diese Prozesse gezielt abgeschaltet wurden, konnte dies bestätigt werden. „Mit einem längeren Zeitfenster und mehr Mess­punkten hoffen wir, nun ein Modell der pflanzlichen Schwerkraftperzeption und frühen Signaltransduktion aufstellen zu können“, ergänzt Prof. Schleiff.

Neben der Grundlagenforschung bildet das Projekt auch einen Ausgangspunkt für angewandte Forschungen. Da die Architektur der Pflanzen sich maßgeblich an der Schwerkraft orientiert und Seitentriebe einen bestimmten Winkel zur Schwerkraft einnehmen, könnte es durch ein Verständnis dieses Prozesses möglich sein, kompaktere Pflanzen zu züchten und damit Ertragssteigerungen zu erzielen.

Quelle: Pressemitteilung vom 1. November 2018

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