Neue Wirkstoffe für Medikamente der Zukunft: Bis zu 15 Millionen Euro für Goethe-Uni und ihre Partner

137 Wettbewerbsskizzen wurden eingereicht – jetzt hat sich PROXIDRUGS der Goethe-Universität und ihrer Partner als einer von sieben deutschen Zukunftsclustern durchgesetzt. (Übersicht: © BMBF)

Die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe, die gezielt krankheitsrelevante Proteine im Körper abbauen, steht im Fokus des Zukunftsclusters PROXIDRUGS. Die Goethe-Universität Frankfurt koordiniert den Verbund, zu dem Forscher:innen der TU Darmstadt, der Universität Heidelberg, des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie, des Max-Planck-Instituts für Biophysik sowie pharmazeutische und biotechnologische Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet gehören. PROXIDRUGS konnte sich in der Finalrunde des Clusters4Future Wettbewerbs des Bundesforschungsministeriums als eines von sieben geförderten Projekten durchsetzen und wird nun mit bis zu 15 Millionen Euro gefördert.

Viele Krankheiten werden durch außer Kontrolle geratene oder fehlerhaft funktionierende Proteine verursacht. Etablierte Strategien der Wirkstoff-Forschung zielen daher darauf ab, Proteine zu blockieren, um beispielsweise das unkontrollierte Wachstum von Krebszellen zu stoppen. Allerdings lassen sich nur 20 Prozent aller krankheitsrelevanten Proteine, die zum Beispiel bei neurodegenerativen Leiden, bei Herz-Kreislauf- und Entzündungskrankheiten sowie bei Infektionen eine Rolle spielen, durch klassische, kleine Moleküle blockieren. Die verbleibenden 80 Prozent der krankheitsrelevanten Proteine sind bislang therapeutisch nicht zugänglich.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von PROXIDRUGS wollen jetzt die Entwicklung einer neuen Wirkstoffklasse vorantrieben, die das zelleigene Verwertungssystem für Proteine einbezieht. PROXIDRUGS-Koordinator Prof. Ivan Đikić vom Institut für Biochemie II der Goethe-Universität erläutert: „Unser Körper besitzt ein ausgeklügeltes System, um defekte, überflüssige oder schädliche Proteine zu entsorgen. Dieses System werden wir nutzen, um krankheitsrelevante Proteine gezielt abzubauen.“

Im Stoffwechsel jeder Zelle werden ständig Proteine gebildet und wieder abgebaut. An abzubauende Proteine hängt die Zelle das kleine Protein Ubiquitin an. Dies geschieht mithilfe bestimmter Enzyme, sogenannter E3-Ligasen. Die Ubiquitin-Markierung signalisiert dem „Schredder“ der Zelle (Proteasom), dass die markierten Proteine nicht mehr gebraucht und stattdessen abgebaut und recycelt werden können.

PROXIDRUGS-Forscherinnen und Forscher wollen nun Wirkstoffe entwickeln, die krankheitsrelevante Proteine in die räumliche Nähe („proximity“) solcher E3-Ligasen bringen. Damit erhalten krankheitsrelevante Proteine die Abbau-Markierung mit Ubiquitin und werden von der Zelle selbst entsorgt.

Prof. Đikić: „Proximitäts-induzierende Wirkstoffe, kurz Proxidrugs, sind eine der vielversprechendsten neuen Arzneimittelklassen in der biomedizinischen Forschung. Gemeinsam mit den Partnern aus der Industrie wollen wir diese innovativen Wirkstoffe systematisch erforschen und neuartige Arzneimittel gegen Krebs, neurodegenerative Erkrankungen sowie bakterielle und virale Infektionen entwickeln. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, haben wir das ‚Frankfurt Center for Innovation and Technologies‘ an der Goethe-Universität als akademischen Hub etabliert, in dem alle notwendigen Technologien gebündelt werden.“

Der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Enrico Schleiff, unterstreicht die Bedeutung des Zukunftsclusters PROXIDRUGS als „Transfer-Beschleuniger“ für die Rhein-Main-Region: „Mit PROXIDRUGS treiben wir die Erforschung einer neuartigen Wirkstoffklasse voran, aus der durch die Einbindung unserer Partner schneller als bisher anwendungsreife Medikamente entwickelt werden können. PROXIDRUGS stellt eine konsequente Weiterentwicklung der Transferstrategie der Goethe-Universität aufbauend auf unseren Leuchtturmprojekten in der biomedizinischen und pharmazeutischen Forschung dar, zu denen seit wenigen Tagen auch das durch Hessen geförderte Clusterprojekt ENABLE zählt. Mit PROXIDRUGS können wir die Erkenntnisse aus unseren Forschungsfeldern in der Strukturbiologie, chemischen Biologie, Biochemie, Pharmazie und Zellbiologie auch in wirtschaftliche Wertschöpfung transferieren. Zusammen mit unseren starken Partnern in Wissenschaft und forschender Industrie der Rhein-Main-Region werden wir dadurch einen entscheidenden Beitrag in einem hochaktuellen Feld der Wirkstoff-Forschung leisten.“

Der „Clusters4Future“-Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums startete im Sommer 2019 als Teil der Hightech-Strategie 2025 mit dem Ziel, in regionalen Spitzenstandorten den Wissens- und Technologietransfer zu fördern. Aus 137 Wettbewerbsskizzen wurden zunächst 16 Finalisten ausgewählt, die ab Mai 2020 die Skizzen zu einem Konzept ausarbeiten konnten. PROXIDRUGS wird jetzt als eines von 7 Zukunftsclustern zunächst für die Dauer von drei Jahren gefördert.

Koordinator PROXIDRUGS:
Prof. Dr. Ivan Đikić
Institut für Biochemie II, Universitätsklinikum der Goethe-Universität Frankfurt und Buchmann-Institut für molekulare Lebenswissenschaften
Tel: +49 (0) 69 6301-5964,
dikic@biochem2.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen: „Karliczek: Zukunftscluster sind die Innovationsregionen von morgen“, Pressemitteilung vom Bundesministerium (3. Februar 2021)

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