Wenn die Gefühle Achterbahn fahren – EU fördert Forschung zu Stimmungsschwankungen

Ein neues internationales Forschungsprojekt, das am Universitätsklinikum Frankfurt koordiniert wird, will die Mechanismen und Ursachen von Stimmungsschwankungen bei Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen aufdecken. Es wird von der EU-Kommission mit 1,3 Millionen Euro gefördert. Die Rekrutierung der Patientinnen und Patienten ist jetzt gestartet.

Starke Stimmungsschwankungen treten bei einer Reihe psychischer Erkrankungen auf.

Stimmungsschwankungen treten bei vielen psychischen Erkrankungen auf, insbesondere aber bei der bipolaren Störung, der Borderline-Störung und beim adulten ADHS. Wie sich Stimmungsschwankungen jeweils ausprägen, kann je nach Erkrankung sehr unterschiedlich sein. Bei einer bipolaren Störung erleben Betroffene oft längere Episoden von Manie oder Depression, wirken in den Phasen dazwischen aber gesund. Patientinnen und Patienten mit ADHS oder Borderline-Störung hingegen haben Schwierigkeiten, ihre unmittelbaren Emotionen zu regulieren. Dadurch sind Stimmungsschwankungen bei ihnen deutlich häufiger, aber auch weniger ausgeprägt. Gleichzeitig finden sich aber auch Menschen, die an verschiedenen Formen von Stimmungsschwankungen gleichzeitig leiden.

Für die korrekte Diagnose der Grunderkrankung ebenso wie eine angemessene Therapie wäre es wichtig, die Mechanismen zu kennen, die den Stimmungsschwankungen zugrunde liegen. Unterscheiden sie sich je nach Krankheitsbild? Doch empirische Daten fehlen bislang.

Diese Wissenslücke will das Projekt DynaMoND (Dynamics of Affect Modulation in Neurodevelopmental Disorders) schließen. Dafür werden Betroffene ein Jahr lang begleitet und genetische Informationen mit selbsterfassten Daten zu Stimmungsschwankungen und externen Stressfaktoren kombiniert. Das von der EU-Kommission im Rahmen des ERA-NET-Programms mit 1,3 Millionen Euro geförderte Projekt wird von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychiatrie des Universitätsklinikum Frankfurt koordiniert und in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen in Karlsruhe, Barcelona, Brescia, Bergen und Genf durchgeführt.

„Krankheiten wie ADHS, die bipolare Störung oder die Borderline-Störung gehen oft mit schweren Beeinträchtigungen der Lebensqualität einher. Menschen mit ADHS beispielsweise haben ein höheres Risiko für Unfälle und Suizid. Umso wichtiger ist es, Betroffenen früh zu helfen. Dafür ist es aber notwendig, die Mechanismen hinter den Erkrankungen zu verstehen. Hier setzt DynaMoND an“, erklärt der Frankfurter Projektleiter Prof. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychiatrie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Dynamiken von Stimmungsschwankungen verstehen

Basis der Forschung von DynaMoND ist das DynAffect-Modell. Es geht davon aus, dass die individuellen Unterschiede in Art und Häufigkeit von Stimmungsschwankungen bei gesunden Menschen von drei Faktoren abhängig sind: der individuellen Ausgangslage oder Grundstimmung, wie stark eine Person auf externe oder interne Auslöser reagiert, und wie stark Stimmungsschwankungen wieder auf die Grundstimmung zurückreguliert werden.

Im Rahmen von DynaMoND wird das Modell erweitert: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Grundstimmung bei längeren manischen oder depressiven Episoden verlagert und erst zum Ende der Episode zur Ursprungslage zurückkehrt. Dieses erweiterte Modell soll helfen, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen.

Erkrankungen früh erkennen – Spätfolgen verhindern

An der Studie teilnehmen sollen insgesamt 480 Personen zwischen 14 und 30 Jahren an den fünf Standorten: jeweils 120 Betroffene mit ADHS, bipolarer Störung und Borderline-Störung sowie 120 gesunde oder neurotypische Personen.

Durch die Fokussierung auf Teenager und junge Erwachsene will DynaMoND dazu beitragen, dass die Krankheiten zukünftig schon im frühen Stadium erkannt und behandelt werden. So lassen sich außerdem Behandlungsmöglichkeiten für dieses entscheidende Frühstadium ableiten, die möglicherweise manche negativen Spätfolgen verhindern können. Betroffene und andere an der Teilnahme Interessierte können sich am Universitätsklinikum Frankfurt bei Maximilian Bayas melden unter dynamond@kgu.de oder 069-6301-85428.

Betroffene einbinden

Nach einer gründlichen Anamnese, die beispielsweise auch traumatische Erlebnisse aus der Kindheit einschließt, sowie einer Genotypisierung werden die Teilnehmenden über ein Jahr vom Forschungsteam begleitet. Dabei erfassen die Teilnehmenden selbst ihre jeweiligen Stimmungen, Aktivitäten und ihr Schlafverhalten über eine Smartphone-App. Außerdem soll regelmäßig das individuelle Stresslevel erfasst werden. So wird nicht nur eine umfassende Datengrundlage für die Studie geschaffen, auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer profitieren: Betroffene können durch die präzise Beobachtung Auslöser und Frühwarnsymptome für ihre Stimmungsschwankungen erkennen und möglicherweise beeinflussen.

Zukünftige Forschung durch große neue Datenbank signifikant erleichtern

DynaMoND schafft außerdem die Basis für weitere Studien zu den untersuchten Krankheiten. Alle aufgenommenen Daten werden anonymisiert in einer großen Datenbank gesammelt. Diese wird internationalen Forschenden zugänglich gemacht. So können Zusammenhänge zwischen den Krankheiten noch intensiver untersucht und möglicherweise neue Behandlungsstrategien abgeleitet werden. Damit trägt DynaMoND auch über den Abschluss des Projekts hinaus dazu bei, die Diagnose und Behandlung dieser Krankheiten und damit die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend zu verbessern.

Quelle: Universitätsklinikum Frankfurt

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