Wie Darstellende Kunst die Pandemie überlebt hat

Wie haben sich die staatlichen und nicht-staatlichen Förderungen während der Pandemie im Bereich der darstellenden Künste ausgewirkt? Dies hat eine internationale Studie mit Beteiligung der Goethe-Universität untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Situation von Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland im internationalen Vergleich positiv war. Aber in einzelnen Punkten gibt es auch Nachholbedarf.

Das von der British Academy geförderte Forschungsprojekt „Pandemic Preparedness in the Live Performing Arts: Lessons to learn from Covid-19 across the G7“ unter Beteiligung der Goethe-Universität hat seine Ergebnisse präsentiert. (Copyright: University of Exeter)

Das von der British Academy geförderte Forschungsprojekt „Pandemic Preparedness in the Live Performing Arts: Lessons to learn from Covid-19 across the G7“ lief von April 2023 bis Januar 2024. Ziel war ein Vergleich dessen, wie sich die staatlichen und nicht-staatlichen Förderungen auf die Arbeit von Institutionen, Organisationen, Beschäftigte der darstellenden Künste und Freiberufler in den G7-Staaten während der Pandemie ausgewirkt haben – insbesondere im Vergleich zwischen den USA, Kanada, Großbritannien und Deutschland. Die Projektleitung des deutschen Teams hatte Prof. Heidi Liedke vom Institute of English and American Studies der Goethe-Universität inne, Research Assistant am Projekt war Ronja Koch. Liedke befasst sich in ihrer Forschung u.a. mit digitalen Formen des zeitgenössischen Theaters und mit den Auswirkungen der Pandemie auf das Theater in Großbritannien und Deutschland. Die Forschungsteams führten umfangreiche Literatursynthesen von Publikationen aus dem Zeitraum 2020-2023 durch und nahmen sowohl wissenschaftliche als auch journalistische Publikationen und Grundsatzpapiere in den Blick, die die Themen Theater, Oper und Tanz betrafen. Ergänzend sprach Liedke u.a. mit Vertreterinnen und Vertretern einiger Staatstheater, des Fachreferats Theater, Tanz, Performance der Bundesregierung und dem Deutschen Bühnenverein.

Mit dem 2 Milliarden Euro umfassenden Förderprogramm „Neustart Kultur“ war zum ersten Mal in Deutschland in solch einem Umfang Kultur gefördert worden – ein Umfang, der auch im internationalen Vergleich besonders ist. Durch das Programm waren viele Menschen finanziell abgesichert, wenn auch nicht alle im selben Ausmaß: Während Festangestellte der Stadt- und Staatstheater Kurzarbeitergeld erhielten, mussten sich Künstlerinnen und Künstler der Freien Szene und Solo-Selbstständige durch Anträge kämpfen. Auf Bundes- und vor allem auch Länderebene gab es aber auch Projektförderungen, die schnell und unbürokratisch erworben werden konnten. Besonders wichtig war, dass das Zustandekommen physischer Aufführungen keine Voraussetzung mehr war, um gefördert zu werden. Dies verschaffte Freiraum, die eigene Kunst weiterzuentwickeln. Dass häufig aus der Politik zu hören war, wie wichtig Kultur und deren Förderung für Deutschland seien, wurde als sehr wertschätzend empfunden; Künstlerinnen und Künstler fühlten sich von der Politik gesehen.

Die Pandemie und die damit verbundenen Distanzgebote haben dafür gesorgt, dass viel mit digitalen Formaten experimentiert wurde. An vielen Institutionen fehlte es jedoch an einer umfassenden Digital-Strategie – sowohl bei der künstlerischen Praxis als auch bezüglich der inneren Strukturen. Dies gilt insbesondere für ländliche Regionen, wo fehlende Internetzugänge nach wie vor ein Problem darstellen. Allerdings gab es durchaus auch einen Förderfokus auf den ländlichen Raum, sodass auch hier neue performative Formate entstehen konnten und die Digitalisierung vorangetrieben wurde. Allgemein wurde der öffentliche Raum verstärkt einbezogen. Theater wie der Mousonturm in Frankfurt erbauten z.B. extra eine Open-Air Bühne.

„In Deutschland und Kanada gab es deutlich mehr Support für die Kunstschaffenden und die Theater als in den anderen Ländern“, berichtet Prof. Liedke. In einer gemeinsamen Konferenz, an der auch eine Politikerin aus dem House of Lords teilgenommen habe, seien der hessische Masterplan Kultur und die Resilienzmanager, die an einigen Staatstheatern (z.B. in Hannover oder Darmstadt) eingerichtet worden, als Best Practice Beispiele präsentiert worden. Auch die Debatte über eine Aufnahme der Kunstförderung ins deutsche Grundgesetz sei auf großes Interesse gestoßen. „Genau diese Diskussion wird auch von den Kunstschaffenden in Großbritannien selbst geführt. Nun wollen sie sie auch in die Politik tragen“, sagt Liedke.

Ganz frei von Schwachstellen sei das deutsche System allerdings nicht: Im Vergleich zu den anderen Ländern müssten deutsche Bühnen noch erheblich barrierefreier werden – sowohl für die Beschäftigten als auch das Publikum –, und auch Minderheiten müssten stärker berücksichtigt werden. Auch bei der Förderstrategie und der Mitbestimmung könne man noch Stellschrauben drehen. Die bürokratischen Hürden sowie die mangelnde Abstimmung der verschiedenen Förderangebote hätten insbesondere den Freischaffenden den Zugang erschwert. Sinnvoll wäre, wenn im Entwicklungsprozess verschiedene Parteien auf der Kultur- und Politikseite involviert wären, wie es zum Beispiel in Hessen beim „Masterplan Kultur“ der Fall war. Die insgesamt fünf Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger in Großbritannien sind auf der Homepage des Projekts nachzulesen. 

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