120 Studierende als Starthelfer ins Deutsche

Wie kann man die vielen Flüchtlinge in die Gesellschaft integrieren? Das ist derzeit ein großes Thema. 120 Studierende der Goethe-Universität reden nicht nur darüber, sondern packen mit an: Seit Januar geben sie neben ihrem Studium ehrenamtlich Menschen, die in Frankfurt Zuflucht gefunden haben, Unterricht im Deutschen. Denn die Sprache ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gelungene Integration. Das Projekt ist zunächst auf drei Monate ausgelegt, eine Verlängerung ist wahrscheinlich.

„Ich habe mir schon seit Längerem gedacht: So ein Projekt mit Flüchtlingen, das wäre cool“, erzählt Karolin Elleringmann. Auf die E-Mail der Uni-Leitung habe sie dann auch sofort reagiert. Inzwischen ist die 22-jährige Jura-Studentin eine von 120 Studierenden der Goethe-Universität, die an fünf verschiedenen Standorten in Frankfurt Flüchtlinge unterrichten. Als Sprecherin für den Campus Westend koordiniert sie darüber hinaus den Einsatz ihrer Kommilitonen.

„Die Goethe-Universität möchte sich der gesellschaftlichen Aufgabe stellen, die die große Zahl der Flüchtlinge mit sich bringt. Aber wir können nicht nur Räume zur Verfügung stellen; die Uni kann noch gezielter helfen, indem sie als Sprachvermittlerin auftritt“, sagt Vizepräsidentin Prof. Tanja Brühl, die sich das Projekt „Start ins Deutsche“ mit Dr. Kerstin Schulmeyer-Ahl, Leiterin der Abteilung Lehre und Qualitätssicherung, ausgedacht hat. Es ging eine E-Mail an alle Studierenden der Goethe-Universität – das Feedback war überwältigend: 1500 Studierende wollten mitmachen. Es waren bei weitem nicht nur Lehramtsstudierende.

„Wir hätten das Projekt noch fünfmal größer machen können“, sagt Dr. Stephanie Dinkelaker, die die Koordination auf Seiten der Univerwaltung übernommen hat. Zunächst wurden 120 Studierende ausgewählt, zwölf Fachbereiche und verschiedene Semester sind vertreten. Etwa ein Drittel sind Lehramtsstudenten. Das auf drei Monate angelegte Pilotprojekt soll erst sorgfältig evaluiert werden, bevor es gegebenenfalls in eine zweite, größere Runde geht.

 

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Alle Beteiligten engagieren sich ehrenamtlich – auch die Dozenten, die die Studierenden auf ihre wichtige Aufgabe vorbereitet haben. An zwei Tagen erhielten sie intensiven Unterricht in verschiedenen Modulen, nicht nur in Didaktik und Unterrichtsmethodik, auch die Themen Traumatisierung und Mehrsprachigkeit wurden angesprochen. „Wir hatten eine Art Crashkurs in Arabisch: Der Dozent sprach nur Arabisch mit uns. Das hat mir die Angst genommen, dass mich meine Schüler nicht verstehen könnten“, sagt Karolin Elleringmann. Sie habe erfahren, dass auch einsprachiger Unterricht funktionieren kann. Und sie könne jetzt ein paar Vokabeln in Arabisch, was im Kurs für viel Freude gesorgt habe.

Mitte Januar haben die Kurse dann begonnen. In Zweierteams gehen die Studierenden an die verschiedenen Standorte am Campus Bockenheim, am Campus Westend, im Gutleutviertel im Gallus und in Höchst. Das „Deputat“ beläuft sich auf zweimal zwei Stunden pro Woche. In einer Schule für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterstützen Studierende zudem Lehrer beim Unterrichten.

„Ich war erst schon etwas unsicher, ob mich die Schüler überhaupt akzeptieren würden“, erzählt Jura-Studentin Elleringmann. Doch schon beim ersten Mal habe sie gemerkt: Ihre Schüler seien „unglaublich offen, nett und freundlich. Einige sind jedes Mal eine halbe Stunde zu früh da, weil sie sich so sehr auf den Unterricht freuen.“ Die meisten in ihrer Gruppe könnten schon etwas Deutsch, das mache es leichter. In anderen Gruppen müssen manche Flüchtlinge erst noch die lateinischen Buchstaben lernen.

Nach den Erfahrungen auf der Flucht frage die Studentin nicht, das habe sie in der Vorbereitung gelernt. Zu unabsehbar seien die Reaktionen. Um sie mit der neuen Aufgabe nicht alleinzulassen und Hilfestellungen bei schwierigen Situationen geben zu können, hat die Uni in Zusammenarbeit mit dem Sigmund-Freud-Institut Frankfurt eine Supervision organisiert, die alle zwei Wochen stattfindet. Zudem gibt es mehrere didaktische Sprechstunden. „Wir wollen die jungen Menschen nicht überfordern oder gar riskieren, dass sie selbst Schaden nehmen“, erklärt Stephanie Dinkelaker.

Überfordert fühlt sich Karolin Elleringmann bislang nicht, aber durchaus gefordert. Wenn es zum Beispiel darum geht, zu erklären, was „graue Haare“ auf Deutsch heißt. „Ich bin dann gebückt durch den Raum gelaufen, dann haben alle gleich gewusst, was ich meine“, lacht sie. Letztlich fühle sie sich durch ihr Engagement vor allem selbst bereichert: „Ich wollte so etwas schon immer gern machen, ehrenamtlich Menschen helfen. Ich kann ja nur Zeit spenden.“

Ermöglicht wurde das Pilotprojekt durch finanzielle Unterstützung von mainFirst und Spendengelder des Weihnachtskonzerts des Collegium Musicum der Goethe-Universität, die für Lernmaterialien verwendet wurden. Eine Evaluation der Schulung fand schon statt, demnächst wird es eine weitere Evaluation geben, die das gesamte Projekt in den Blick nimmt. Die weitere Finanzierung wird derzeit geplant.

Quelle: Pressemitteilung vom 25. Februar 2016.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

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