Statement der Goethe-Universität zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kommt dem 8. Mai als Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus eine besondere Bedeutung zu. Der Sieg der Alliierten setzte dem NS-Terrorregime, der Schoah und dem schrecklichen Vernichtungskrieg ein Ende, den Deutschland mit dem Überfall auf seine Nachbarn begonnen hatte. Halb Europa lag in Trümmern. Daraus entstand ein neuer Konsens. Durch alle gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen und über die Grenzen politischer Lager hinweg, über Jahrzehnte hinweg bewahrt von gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträger*innen, hatte ein Grundsatz Bestand: nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus.
Mit zunehmendem zeitlichem Abstand zu den Geschehnissen über mittlerweile mehrere Generationen hinweg verblassen Erinnerungen. Zeitzeug*innen von Krieg und Holocaust, die noch von ihrem Leid berichten könnten, gibt es kaum noch. Und der Konsens der Nachkriegszeit wird zunehmend in Frage gestellt: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und der Missachtung des Völkerrechts ist dafür eines der folgenreichsten aktuellen Beispiele. Aber auch die aktuelle Regierung in den USA rückt von der Friedensordnung der Nachkriegszeit ab, stellt Staatsgrenzen, völkerrechtliche Prinzipien und sogar die Grundlagen der Demokratie in Frage. Und in Europa selbst sind 80 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes in fast allen Ländern Parteien mit einem rechtsextremistischen, rassistischen und/oder antisemitischen Wahlprogramm erfolgreich und teils an Regierungen beteiligt.
Mit Blick auf ihre eigene wechselvolle Geschichte orientiert sich die Goethe-Universität in ihrem Leitbild an den Prinzipien der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und wendet sich gegen Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus. Sie bekennt sich zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für Forschung und Lehre, die einer friedlichen, demokratischen Entwicklung in Europa und der Welt dienen. Vor diesem Hintergrund stellt der 8. Mai aus Sicht der Goethe-Universität eine immerwährende Mahnung dar, selbst aktiv für Frieden, Freiheit und Demokratie einzutreten und sich entschieden gegen ihre Feinde im Aus- und Inland zu wehren, gegen Aggression, Faschismus, Rassismus und Antisemitismus einzutreten und klar Position zu beziehen.
Es ist unser Auftrag als Universität, dazu beizutragen, diesen Konsens aufrechtzuerhalten und das Gedenken mit Leben zu füllen. Gemeinsam mit neuen Generationen an Studierenden gilt es, das Vergangene und die daraus zu ziehenden Lehren für das eigene Handeln im Alltag wie später in beruflichen Zusammenhängen immer wieder neu kritisch zu hinterfragen und aufzuarbeiten, in der Forschung, in der Lehre und im Transfer von Wissen in die Gesellschaft. Es gilt mehr denn je: Nie wieder ist jetzt.