Studienzweifler / Umdenken in der Bildungspolitik

Foto: jens schmitz / pixelio.de

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Dr. Birgitta Wolff und Bernd Ehinger, Präsident der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main und des Hessischen Handwerksstages (HHT) fordern ein Umdenken in der Bildungspolitik, aber auch ein stärkeres gesellschaftliches Bekenntnis zur Gleichwertigkeit von Dualer und akademischer Bildung. Bei einem Mediengespräch an der Goethe-Universität zogen beide am Mittwoch Bilanz der ersten Phase des Projekts „yourPUSH“ und läuteten gleichzeitig den Start der zweiten Projektphase ein. Das Programm soll sogenannte Studienzweifler, die aus unterschiedlichen Gründen ihr Studium nicht weiterführen wollen, zu einer Umorientierung in eine Duale Bildung ermutigen. Dafür wurde an der Goethe-Universität im Studienservicecenter (SSC) zusammen mit der Handwerkskammer eine spezielle Beratung eingerichtet.

Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff betont: „Ich wünsche mir für die Duale Bildung im Verhältnis zur akademischen Bildung wieder mehr Wertschätzung. Hier ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten – auch unter dem Druck eines verengten Bildungsbegriffs der OECD – etwas aus der Balance geraten. So gelten beispielsweise Kinder aus Akademikerfamilien, die sich für eine Duale Ausbildung und z.B. eine Karriere im Handwerk entscheiden, als „Bildungsverlierer“. Wozu soll ein solch diskreditierendes Label gut sein? Ich wünsche mir eine stärkere, diskriminierungsfreie Durchlässigkeit in alle Richtungen, und das über ein ganzes, jeweils selbstbestimmtes Leben hinweg. Dieser Wunsch liegt auch dem Projekt yourPush zugrunde.“

Handwerkskammerpräsident Bernd Ehinger sagt: „Die Duale Bildung, nicht nur im Handwerk, ist eine Basis für die wirtschaftliche Prosperität mit internationaler Strahlkraft, nicht nur am Standort Deutschland. Das ist leider viel zu wenig bekannt. Nicht nur in Bezug auf die Veränderungen durch Wirtschaft 4.0 ergeben sich eine Reihe von hervorragenden beruflichen Perspektiven, auch in Bezug auf die Existenzgründung.“ Aktuell gibt es mehr als 130 verschiedene Karriereoptionen im Handwerk, Absolventen mit Meisterabschluss sind formal dem Bachelor-Absolventen gleichgestellt. „Wir brauchen jetzt eine grundsätzliche Debatte hinsichtlich unserer Bildungswege in Deutschland. Alle müssen hierfür ins Boot: Wissenschaft, Schulen, Elternhäuser und Politik. Entscheidend müssen Fragen sein wie: In welchen Berufen brauchen wir wirklich eine akademische Lehrstruktur, in welchen Bereichen ist der größte Bedarf an Fachkräften und welche Talente sind in welchem System am besten aufgehoben.

Zu behaupten, die Duale Bildung sei ein Bildungsweg zweiter Klasse und im Vergleich zum Studium nicht erstrebenswert, ist gesellschaftspolitisch gefährlich: Mehr noch, es ist ein Schlag ins Gesicht von vielen jungen Talenten, die etwa im Handwerk viel besser aufgehoben wären, als an der Hochschule. Um es ganz deutlich zu sagen: Jeder, der dazu in der Lage ist, darf studieren, muss es aber nicht.“ Im Bezirk der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main absolvieren rund 9.000 Azubis eine handwerkliche Duale Ausbildung, rund 1.000 machen den Meisterbrief. Schätzungsweise ein Viertel aller Studierenden brechen die akademische Laufbahn während Ihrer Studiums ab.

Universität und die Handwerkskammer kooperieren in der zweiten Projektlaufzeit von yourPUSH und beraten Studierende, die sich ihrer akademischen Laufbahn nicht mehr sicher sind, gemeinsam. Ziel ist, 80 Studierende für die Vorteile der Dualen Bildung zu begeistern, interessierte Unternehmen zu beraten und über die Leistungsfähigkeit aufzuklären. Die Universität hat hierfür auch ein Monitoringverfahren entwickelt, das ermöglicht, Studierende mit Zweifeln an der akademischen Laufbahn möglichst frühzeitig ansprechen zu können. Mit Erfolg: Seit April hat ein Kandidat die Ausbildung zum Tischler begonnen, drei Kandidaten fangen ein Praktikum an, unter anderem als Informationselektroniker. In der ersten Projektphase wurden insgesamt 46 Studierende in die Duale Bildung vermittelt. Die Initiative ist ein Jobstarter plusProjekt, gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds.

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Mehr Informationen zum Projekt unter www.yourpush.de. Alle freien Ausbildungsplätze im Handwerk unter www.lehrstellen-radar.de. Informationen zu den 130 Ausbildungsberufen unter www.handwerk.de.

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Mehr zum Thema (UniReport 3.18): »Für mich war einfach klar, dass ich studieren will« 

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