Frankfurt bekommt eine Jüdische Akademie. Während die Bauarbeiten für die neue Bildungseinrichtung in Bockenheim noch bis 2023 andauern, haben die Goethe-Universität und der Zentralrat der Juden in Deutschland eine künftige Kooperation auf den Weg gebracht. Heute ist dazu ein „Memorandum of Understanding“ unterzeichnet worden.
Die Goethe-Universität Frankfurt am Main und die Jüdische Akademie des Zentralrats der Juden in Deutschland werden in Zukunft eng kooperieren. Damit knüpft die bei ihrer Gründung 1914 von jüdischen Bürgern und Bürgerinnen maßgeblich finanzierte und von vielen jüdischen Dozenten geprägte Stiftungsuniversität ebenso an ihre Tradition an wie die Jüdische Akademie an die Tradition des von Franz Rosenzweig Anfang der 1920er Jahre gegründeten Freien Jüdischen Lehrhauses, das viele Berührungspunkte mit der Frankfurter Universität hatte. Die heutige Unterzeichnung eines „Memorandums of Understanding“ soll den Grundstein legen für gemeinsame wissenschaftliche Projekte.
„Die jüdische Akademie wird eine Bereicherung für den Bildungsstandort Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet sein – in vielerlei Hinsicht.“
Prof. Enrico Schleiff
„Die jüdische Akademie wird eine Bereicherung für den Bildungsstandort Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet sein – in vielerlei Hinsicht. Die Goethe-Universität fühlt sich der Akademie nicht nur aufgrund ihrer eigenen Geschichte zutiefst verbunden; vor allem fachliche Synergien liegen auf der Hand: Kaum ein anderer Hochschulstandort in Deutschland weist eine solche Fächervielfalt mit Perspektive auf das Judentum auf“, formulierte Uni-Präsident Prof. Enrico Schleiff bei der Unterzeichnung des Dokuments heute auf dem Campus Westend. Die Goethe-Universität mit ihrem starken Fokus auf jüdischer Religionswissenschaft, -philosophie und Judaistik sei ein ausgezeichneter Partner dieser neuen Institution, eine fruchtbare und dauerhafte Kooperation liege in beiderseitigem Interesse. „Mit der Jüdischen Akademie wollen wir die gesellschaftlichen Debatten in unserem Land um die jüdische Perspektive bereichern. Zugleich soll die wissenschaftliche Arbeit zu jüdischen Themen verstärkt werden. Daher ist die Kooperation mit der Goethe-Universität ein zukunftsweisender und überaus wertvoller Schritt“, sagte Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
„Die Akademie wird sich in ihrer Arbeit für aktive Toleranz und das gleichberechtigte Miteinander von Kulturen einsetzen.“
Prof. Doron Kiesel
Ein intellektueller Anziehungspunkt für Juden aus Deutschland, aber auch für Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften – das soll die Jüdische Akademie werden. „Die Akademie wird sich in ihrer Arbeit für aktive Toleranz und das gleichberechtigte Miteinander von Kulturen einsetzen“, sagte Prof. Kiesel, einer der beiden Gründungsdirektoren der Jüdischen Akademie. „Zugleich wollen wir ein aufgeklärtes Judentum vermitteln, in dem verschiedene Traditionen ihren Platz haben. Es ist wichtig, jüdischen Menschen eine Identität in der Moderne zu vermitteln“, betonte Sabena Donath, die zweite Gründungsdirektorin, am Rande der Veranstaltung.
Die Kooperation beginnt nicht bei Null: Schon mit der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden, aus der nun die Akademie hervorgeht, gibt es Berührungspunkte zur Goethe-Universität: Der evangelische Theologe und Judaist Prof. Christian Wiese hat bereits mehrere Tagungen in Kooperation mit der Bildungsabteilung organisiert – etwa über das jüdische Frankfurt oder über das Ende der Zeitzeugenschaft.
Ein weiteres gemeinsames Projekt steht vor dem Start: Das hessische Synagogengedenkbuch wird in enger Zusammenarbeit mit der Bildungsabteilung des Zentralrats und dem Jüdischen Museum Frankfurt erstellt. Die Bestände der Goethe-Universität stehen der Akademie offen: Die Judaica- und Hebraica-Sammlung der Universitätsbibliothek ist die größte Sammlung dieser Art in Deutschland und zählt weltweit zu den bedeutendsten. Auf Grund ihrer Größe und der Qualität ihres Bestandes ermöglicht sie die Erforschung der jüdischen Kultur aus nahezu allen Perspektiven. Gegenstand eines Forschungsprojekts wird auch die Forschungs- und Lehrmittelsammlung zum Thema „Erziehung nach Auschwitz“ sein.
Bei der Unterzeichnung am Campus Westend sprachen u.a.: die Historikerin Prof. Birgit Emich über die Initiative Dynamiken des Religiösen mit dem Fokus auf Jüdische Studien und der Judaist Prof. Christian Wiese über die Kooperation zwischen der Goethe-Universität und der Universität Tel-Aviv. Uwe Becker, Beauftragter der Hessischen Landesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus und Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten in Hessen und Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, begrüßten die Kooperationserklärung in ihren Statements.