Von der Idee hin zur Forschung – Ein Schülerpraktikum am Quantencomputer der Goethe-Universität Frankfurt

Der Elftklässler Arthur Frisch ist kein gewöhnlicher Schüler. Mit großem Interesse und einer ausgeprägten Leidenschaft für Mathematik, Informatik und Physik sucht er aktiv nach Wegen, seiner Neugier zu folgen. Seit den Osterferien 2025 absolviert er ein Schülerpraktikum an der Goethe-Universität Frankfurt und arbeitet dabei rund um den Quantencomputer „Baby Diamond“ herum, welcher am 16. Dezember letzten Jahres feierlich eingeweiht wurde.
Ursprünglich stammt Arthur aus Nordrhein-Westfalen, wo er in jungen Jahren am Förderprogramm „Mathe für kleine Asse“ in Münster teilnahm. Als er entdeckte, dass es dieses Angebot auch an der Goethe-Universität in Frankfurt gibt, kam er erstmals mit der Universität in Kontakt. Parallel dazu wuchs sein Interesse an Physik zunehmend. Zu Hause baute er eigene Schaltungen, lötete Platinen zusammen und vertiefte sich mithilfe von YouTube-Videos in Themen der Mathematik, Informatik und Quantencomputer.
Initiativbewerbung für ein Schülerpraktikum
„Mangels eigenen Quantencomputers“, so Arthur augenzwinkernd, machte er sich – zusätzlich zu seinem parallel laufenden Schülerstudium in Mathematik – auf die Suche nach einem passenden Praktikum, um sich noch intensiver mit der Quantenphysik auseinanderzusetzen. Dabei stieß er auf den „Baby Diamond“, den Quantencomputer der Goethe-Universität.
Kurzerhand ergriff er die Initiative und schrieb eine E-Mail an Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert, den Leiter des Lehrstuhls für Modulares Supercomputing und Quantencomputing an der Uni. Dieser verwies ihn weiter an Dr. Manpreet Jattana, Stellvertretender Gruppenleiter an der Fakultät, welcher nach einem kurzen Gespräch mit Arthur „positiv überrascht von seiner Motivation und seinem Talent“ war, woraufhin die beiden ein Praktikum vereinbarten: Zwei Wochen ganztägig in den Osterferien, gefolgt von einem Tag die Woche, an welchem Arthur weiter an dem Forschungsprojekt arbeiten kann.
Die Arbeit am Quantencomputer „Baby Diamond“
„Moderne Quantencomputer sind nach wie vor fehleranfällig“, erklärt Jattana. Grundlegend für Quantencomputer sind dabei zwei zentrale physikalische Eigenschaften: die sogenannte Superposition und die Verschränkung. Die Superposition erlaubt es, Qubits in mehreren Zuständen gleichzeitig darzustellen – allerdings sind diese Zustände äußerst empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie Temperatur oder Rauschen. Die Verschränkung wiederum beschreibt die tiefe Verbindung zwischen mehreren Qubits, durch die sich Zustände wechselseitig beeinflussen können – ein essenzieller Mechanismus für die Funktionsweise von Quantenalgorithmen.
Der „Baby Diamond“ ist dabei ein besonderes Modell: Zwar verfügt er derzeit nur über fünf Qubits, also fünf quantenmechanische Schalter, doch durch seine modulare Bauweise lässt er sich perspektivisch erweitern, was ein entscheidender Schritt in Richtung skalierbare Quantencomputer sein kann. Darüber hinaus besticht der „Baby Diamond“ durch eine sehr hohe Energieeffizienz.
„Quantencomputer ist nur ein physikalisches System, welches auch mathematisch dargestellt werden kann“
Um sich weiter in die Thematik einzulesen, bekommt Arthur zu Beginn des Praktikums einen wissenschaftlichen Artikel mit dem Namen „Benchmarking gate-based quantum computers“ überreicht, welcher unter anderem von Professor Lippert selbst verfasst ist. Darin geht es um Mechanismen zur Prüfung und Stabilitätsbewertung von Quantencomputern. Arthurs Aufgabe war es, „Bench- marks, welche für andere Quantencomputer verwendet wurden, für den „Baby Diamond“ umzusetzen“, so Jattana weiter. Dazu waren Arthurs „Kenntnisse in Python ein wesentlicher Vorteil“, fügt Jattana hinzu.
Arthur arbeitet an Codierungen, welche anschließend simuliert und getestet werden. Das passiert mit normalen Computern, denn im Endeffekt ist der Quantencomputer nur ein „physikalisches System, welches auch mathematisch dargestellt werden kann“, schildert Arthur lächelnd. Das dauert um einiges länger, funktioniert aber auch. Zwar könne er noch nicht sagen, ob er „wirklich was bewirken konnte“, aber darum gehe es ihm auch nicht primär, sondern darum, „erste Einblicke zu gewinnen, neue Ansätze zu finden und meiner Neugier zu folgen“, erläutert er weiter.
Gut aufgehoben und voller Begeisterung
Die Initiativbewerbung kam anfangs etwas überraschend für die Universitätsverwaltung, welche anfangs nicht ganz wusste, wo man ihn verorten solle. „Schließlich wurde das Praktikum jedoch gut organisiert“, erzählt Arthur. Darüber hinaus zeigt auch das Angebot des Schülerstudiums die Offenheit, den Willen und die Initiative der Goethe-Universität dazu, junge, interessierte Menschen und wissbegierige Köpfe gezielt zu fördern.
Arthur selbst ist von seinen Erfahrungen überzeugt: „Ich kann ein Praktikum an der Goethe-Uni im Bereich Quantencomputing jedem empfehlen, der sich für diese modernen Technologien interessiert. Ich hatte sehr viel Spaß und habe mich hier jederzeit gut aufgehoben gefühlt.“ Und auch sein Praktikumsleiter Dr. Jattana findet lobende Worte: „Arthur war freundlich und aufgeschlossen und arbeitete selbstständig in unserem Institut, darüber hinaus nutzte er die Gelegenheit, um sich mit unseren Doktoranten auszutauschen.“
Konzentration auf das Abitur und Inspiration für weitere junge Menschen
Während der Oberstufe möchte er sich nun auf das Abitur konzentrieren und lässt das Schülerstudium zunächst einmal ruhen. Nach dem Abitur möchte er jedoch weiter Mathematik studieren und zieht darüber hinaus noch ein Informatik- oder Physikstudium in Erwägung. Auch die Arbeit an der Künstlichen Intelligenz und der Alterungsforschung des Menschen interessiere ihn sehr.
Ein interessierter junger Mensch und ein offenes akademisches Umfeld, in welchem mit Neugier geforscht werden kann. Das Praktikum von Arthur Frisch am Quantencomputer an der Goethe-Universität ist ein schönes Beispiel dafür, wie Interesse und Begeisterung gezielt gefördert werden können. Vielleicht ist das ein Funke, welcher auch andere junge Menschen dazu inspiriert, den ersten Schritt in Richtung Forschung zu gehen.
Exkursionsbesuch und Tage der offenen Tür an der Fakultät für Modulares Supercomputing und Quantencomputing
So stellte Arthur den Kontakt zu seinem Lehrer her, mit welchem ein Exkursionsbesuch mit der gesamten Schulklasse von Arthur geplant sei, bei dem der „Baby Diamond“ bestaunt werden kann und somit vielleicht bereits die nächsten zukünftigen Wissenschaftler inspiriert werden können.
Des Weiteren bietet der Fachbereich für alle Interessierten, von „erfahrenen Wissenschaftlern bis hin zu Schülern“ aus dem Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus, Führungen und Tage der offenen Tür an, so Jattana. Dadurch soll der Austausch mit der Wissenschaft gestärkt werden.
Denn als „Wissenschaftler an der Goethe-Universität sehe ich es als meine Verantwortung, der nächsten Generation von Wissenschaftlern die Möglichkeit zu bieten, bereits früh verschiedene Forschungseinrichtungen kennenzulernen“, berichtet Jattana erfreut. Sicherlich, so zeigt sich Dr. Manpreet Jattana stolz, helfe auch zukünftig „Baby Diamond“ dabei, „weiterhin Schüler wie Arthur Frisch zu begeistern und zu einem Leben voller wissenschaftlicher Neugier zu motivieren“.
Autor: Kevin Knöss
„Baby Diamond“ – Hessens erster Quantencomputer
Das Herzstück des „Baby Diamond“ ist kaum größer als ein normaler Stand-PC, und doch ist er Vertreter einer völlig neuen Computergeneration: Hessens erster Quantencomputer wurde Mitte Dezember 2024 an der Goethe-Universität offiziell in Betrieb genommen. Der vom Unternehmen XeedQ GmbH entwickelte „Baby Diamond“ kann bei 20 Grad Celsius betrieben werden und eignet sich daher sehr gut für die Forschung – im Gegensatz zu anderen Quantencomputern, die mit flüssigem Helium auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden müssen. Auf den Optimierungsspezialisten „Baby Diamond“ warten an der Goethe-Universität erste Anwendungen, in denen es um Anlageportfolios im Finanzbereich, Zeitpläne von Krankenpflegekräften oder Probleme aus der Quantenchemie geht. In erster Linie dient er jedoch der Forschung selber: Forschende und Studierende werden nicht nur Algorithmen für den Quantencomputer entwickeln, sondern können auch die Erzeugung der Quantenbits verändern. Es ist vorgesehen, auch Nutzern des Nationalen Hochleistungsrechnens Zugang zu gewähren.