Studierende der Archäologie tauchen praxisnah ein in die Welt der 3D-Digitalisierung.

Vermutlich assoziieren viele Menschen beim Begriff der Archäologie noch immer Forschende, die mit analogen Mitteln den Objekten ihrer Ausgrabungen zu Leibe rücken, über Zeichnungen, klassische Fotografien und natürlich auch über Gipsabgüsse: „Diese klassischen, fachimmanenten Methoden zur Erfassung archäologischer Objekte werden weiterhin Anwendung finden. Digitale Methoden ermöglichen jedoch neue Sichtweisen auf und Fragen an Objekte und Materialien“, betont Dr. Ulrike Wolf, Lehrbeauftragte in der Klassischen Archäologie und eLearning-Koordinatorin im ZGW (= Zentrum Geisteswissenschaften). Die auf zwei Semester angelegte Lehrveranstaltung „Vermittlung, Anwendung und kritische Evaluation unterschiedlicher Methoden zur 3D-Digitalisierung“ setzt genau da an: Studierenden des Faches theoretisches Wissen und praktische Kompetenzen zu vermitteln, gerade auch im Hinblick auf spätere berufliche Perspektiven. Mitorganisator der Veranstaltung ist Dr. Matthias Recke, Kustos der Antikensammlung der Goethe-Universität und des Skulpturensaals.
„Das Besondere sind unsere Kooperationspartner: einmal uniintern das Projekt fuels (Future Learning Spaces), ein Verbundprojekt der TU Darmstadt, der Hochschule Darmstadt sowie der Goethe-Universität Frankfurt, zum anderen das Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH). Mit unseren Partnern stärken wir unsere eigene Expertise und schaffen zugleich auch Netzwerke in Richtung Arbeitsmarkt“, betont Ulrike Wolf.
Ein Objekt und sein Modell

Inspirierend war sicherlich schon der gewählte Seminarraum: Im Skulpturensaal des IG-Farben-Hauses auf dem Campus Westend stand für das Blockseminar Mitte Januar die Technik bereit. Einleitend führten Christian Seitz vom LfDH und Dr. Anne Schaefer, Lehrbeauftragte am Institut für Archäologische Wissenschaften (IAW), die Studierenden theoretisch in das Thema ein. Dann wurde es ganz praktisch: In drei Gruppen aufgeteilt, konnten die Teilnehmenden mit zwei der meist genutzten Methoden zur 3D-Digitalisierung experimentieren. Für die meisten war es eine erste Berührung damit: „Ich hatte natürlich schon einiges darüber gelesen, aber von der praktischen Seite her war das komplettes Neuland für mich“, erzählt Johanna. Ihrer Kommilitonin Katharina ging es ähnlich: „Daher fand ich spannend, dass wir die 3D-Technologien direkt ausprobieren und auch gleich erste Ergebnisse sichten konnten. Man hat gesehen, was klappt und was nicht.“ Paul hatte bereits als wissenschaftliche Hilfskraft an der Erstellung von 3D-Modellen mitgewirkt, aber für ihn war es eine neue Erfahrung, die Objekte über Kamera oder Scanner zu erfassen: „Wir hatten Objekte, die ganz unterschiedlich beschaffen waren, auch von der Oberfläche her: Da war beispielsweise der matte Gipsabguss eines Kopfes, aber auch die glänzend glasierte Lampe. Auch Details adäquat zu erfassen, wie beispielsweise die Kinnpartie eines Kopfes, stellt einen vor Herausforderungen. Da muss man sich herantasten.“
Fotografiert werden kann mit herkömmlichen Kameras oder Handys. Die dabei entstehenden Fotos werden über die Methode „Structure from Motion“ (SfM) genutzt: Dafür benötigt werden Aufnahmen von dem Objekt, die einen möglichst hohen Grad an Überlappung aufweisen – am besten von 80 Prozent. Das Programm erkennt dann die Überschneidungen und errechnet das dreidimensionale Modell. Nachbearbeitungen sind natürlich am Rechner möglich und meist auch erforderlich.
Ein technisch avancierteres, aber auch recht teures Gerät stellt der Streifenlichtscanner dar: Der Scanner wirft gestreiftes Licht auf den Gegenstand und erzeugt viele Bilder innerhalb weniger Sekunden. Der/die Nutzer/-in kann über einen Bildschirm dabei zuschauen, wie das Gerät das Objekt abscannt und bereits ein erstes Modell erzeugt. „Das Gerät benötigt aber einen regulären Stromanschluss, sodass es sich nicht unbedingt für den Einsatz im abgelegenen Gelände eignet“, erläutert Paul.
Die Zukunft des Faches Archäologie ist (auch) digital

Wie sehr verändern aber digitale Technologien das Profil eines Faches? „Digitale Methoden bereichern den Methodenkoffer in den Archäologischen Wissenschaften. Sie ermöglichen neue wissenschaftliche Erkenntnisse, erleichtern die Arbeit z.B. bei der Auswertung großer Datenmengen oder helfen dabei, Objekte besser erfahrbar zu machen, z. B. durch den Einsatz von 3D-Modellen in Lehre oder Museum. Die klassischen Arbeitsgebiete werden daher durch neue Aufgabenbereiche ergänzt. Kompetenzen sind hier vor allem an der Schnittstelle zwischen Fach und Technik wichtig – gewissermaßen die Sprache von Archäologie und Technik/Informatik zu sprechen, um bestimmte technologische Entwicklungen zu verstehen und Anforderungen formulieren zu können“, sagt Ulrike Wolf.
Was denken die Studierenden der Archäologie über 3D-Digitalisierung, verändert die Beschäftigung damit auch ihre beruflichen Perspektiven? „Ich bin gerade noch im Bachelor und habe daher noch keine konkreten Berufswünsche. Ich bin aber dankbar dafür zu erfahren, was neue Technologien möglich machen. Ein 3D-Modell selber zu erstellen, könnte auch für meine Abschlussarbeit sehr nützlich werden“, sagt Johanna. Auch Katharina ist sich noch nicht ganz sicher, in welche berufliche Richtung sie es zieht: „Neben der akademischen Laufbahn bieten sich auch spannende Arbeitsfelder in Museen, in der Denkmalpflege und im Kulturbereich an. Egal, wo es einen später einmal hinzieht: Die digitalen Technologien und die damit gegebene universelle Verfügbarkeit von Objekten ist eine tolle Sache.“ Paul findet den Aspekt spannend, dass die 3D-Digitalisierung auch einen großen Beitrag zur dauerhaften Dokumentation von Kulturdenkmälern leisten kann: „Klimatische Schäden, aber auch kriegerische Zerstörungen setzen vielen Ruinen zu. Mit der digitalen Technologie lassen sich Gebäude oder ganze Städte in den dreidimensionalen Raum bewegen. Das geschieht bereits zu wissenschaftlichen, aber auch zu touristischen Zwecken.“
Gespannt sind Johanna, Katharina und Paul auf jeden Fall schon auf die dritte Seminarsitzung des Wintersemesters: Dann sollen die Ergebnisse, die final berechneten 3D-Modelle, gesichtet, analysiert und diskutiert werden. Im Sommersemester, im zweiten Teil der Lehrveranstaltung, soll es dann um die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie in der archäologischen Arbeit gehen. Ulrike Wolf sieht auch noch viele Fragen und Herausforderungen, was den großflächigen Einsatz der 3D-Technologie, auch aus Gründen des Kulturschutzes, angeht: „Wer die Technik anwendet, benötigt dafür sehr viel Speicherplatz, der wiederum Energie verbraucht. Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit muss man darüber in den Diskurs eintreten, was digitalisiert werden kann – und was nicht.“