Vom Wissen zum Handeln – wie entwickeln wir die Goethe-Uni zu einer nachhaltig agierenden Universität?

Das Wissen um ökologische Krisen, soziale Ungerechtigkeiten und damit die Einsicht in die Notwendigkeit eines tief greifenden Wandels unserer Lebensweise allein reicht nicht aus – wir müssen unsere Erkenntnisse, wie wir die Welt nachhaltiger gestalten können, auch umsetzen. Um einen eigenen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation zu koordinieren und zu intensivieren, hat die Goethe-Universität ein Nachhaltigkeitsbüro eingerichtet. Seit dem Sommer 2022 ist die neue Organisationseinheit innerhalb des Leitungsbereichs voll besetzt: Die Arbeit der fünf Mitarbeitenden wird durch vier studentische Hilfskräfte verstärkt, die wichtige Impulsgeber* innen sind.

Die Gesellschaft sieht sich mittlerweile täglich mit weitreichenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen konfrontiert. Hochschulen kommt damit als Forschungseinrichtungen, als Orten von Bildung und Ausbildung und als gesellschaftlichen Akteuren die Verantwortung zu, nicht nur entscheidende Impulse zur Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften zu geben, sondern auch selbst beispielhaft voranzugehen“, unterstreicht Universitätspräsident Enrico Schleiff die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit. Das Präsidium der GU hat die „Entwicklung der Goethe-Universität zu einer nachhaltig agierenden Universität“ dementsprechend als einen von insgesamt elf strategischen Handlungsbereichen der Hochschule für die kommenden Jahre festgehalten. Die Einrichtung des Nachhaltigkeitsbüros ist hierfür ein erster wichtiger Schritt. Die neu geschaffene Einheit ist – ähnlich wie das Gleichstellungsbüro – auf zentraler Verwaltungsebene angesiedelt und koordiniert künftig die verschiedenen Prozesse, welche sich dem Themenkomplex Nachhaltigkeit zuordnen lassen.

Fragen der Nachhaltigkeit

In dem Abschlussbericht „Our Common Future“ der Brundtland- Kommission im Jahr 1987 wurde Nachhaltigkeit als entscheidender Gradmesser für die Gestaltung der Zukunft festgeschrieben. Nachhaltigkeit wurde definiert als eine Entwicklung, welche die heutigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne dass künftige Generationen weniger Möglichkeiten haben, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Grundidee haben die Vereinten Nationen weiterentwickelt und bei der 70. UN-Generalversammlung am 25. September 2015 in New York die sogenannten Sustainable Development Goals (SDG) verabschiedet: Die globalen nachhaltigen Entwicklungsziele sind der Versuch, eine Entwicklungsagenda bis 2030 zu ermöglichen, die sich am Einhalten umfassender Menschenrechte innerhalb der planetaren Grenzen orientiert.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Themenkomplexen der Nachhaltigkeit ist die Goethe-Universität kein unbeschriebenes Blatt. Dennoch geht die Verantwortung des Wissenschaftssystems über das der Wissensschöpfung hinaus. Zunehmend hinterfragen öffentliche Organisationen ihren eigenen Handlungsraum und die damit verbundenen Strukturen, die sich auf die Gesellschaft auswirken.

Was bedeutet eine nachhaltig agierende Universität konkret? Im Universitätsalltag kommen wir sofort damit in Berührung. Es beginnt beim Weg zur Vorlesung – ist der Campus gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, gibt es Fahrradstellplätze oder Duschen für Fahrradfahrende? Im Büroalltag der Mitarbeitenden stellen sich beispielsweise Fragen zur Beschaffung und zum Recycling: Wie viel und welches Papier nutzen wir, was passiert mit ausgemusterten technischen Geräten? Während sich Fragen dieser Art einigermaßen gut beantworten lassen, gesellen sich weitaus kompliziertere Fragestellungen dazu: Bereiten wir unsere Studierenden umfassend auf eine komplexe und sich immer schneller wandelnde Welt vor? Können sie Themen der Nachhaltigkeit in verschiedenen Dimensionen betrachten und auf ihre Fächer bzw. Lerninhalte beziehen? Welche Forschungsschwerpunkte wählen Wissenschaftler*innen und welche Berücksichtigung finden Themen, die von übergeordneter gesellschaftlicher Relevanz sind und eine Gesellschaft als Ganzes voranbringen können? Als Querschnittsthema berührt Nachhaltigkeit alle Bereiche der Universität. Deshalb lassen sich diese Fragen nur gemeinsam beantworten – im konstruktiven Diskurs mit allen Beteiligten.

Einladung zum Mitwirken

Der Austausch über die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung wird mit dem Nachhaltigkeitsbüro vor allem inneruniversitär grundlegend systematisiert. Aufbauen kann das Team unter anderem auf der Vorarbeit der Kollegen* innen des Immobilienmanagements, der studentischen Initiative „Goethes Green Office“ (siehe Info-Kasten) sowie der durch den Senat eingerichteten AG Nachhaltigkeit, die Fach-Expert* innen an der GU und bereits laufende Projekte miteinander vernetzt sowie inhaltlichen Austausch ermöglicht.

Die Rolle des Nachhaltigkeitsbüros an der Goethe-Universität ist zunächst eine beratende. Dr. Johannes Reidel, Leiter der neuen Einheit, betont: „Die Goethe- Universität ist ja nicht automatisch nachhaltig, weil ein Nachhaltigkeitsbüro eingerichtet wurde. Wir können als Team auf die jeweiligen Nachhaltigkeitsaspekte in den relevanten Bereichen anhand aktueller Standards und Erfahrungswerte aufmerksam machen, Empfehlungen geben und an der ein oder anderen Stelle konkrete Handlungsimpulse setzen. Die Umsetzung können wir aber nicht (alleine) tragen, hier sind wir auf das aktive Mitwirken aller Hochschulangehörigen angewiesen.“ Seine Kollegin Peggy Feige ergänzt: „Gerade jetzt, in unserer Anfangsphase, freuen wir uns über Impulse und Anregungen, die uns erreichen.“

Ein Blick nach vorne

Das Nachhaltigkeitsbüro richtet sich in seinem Auftrag nach gesetzlichen Vorgaben ebenso wie nach strategischen Entscheidungen: Beispielsweise stehen rund um den Campusbetrieb die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen ebenso im Vordergrund wie die Minderung des Ressourcenverbrauchs. So ist das Büro in die Entwicklung von kurzfristig umzusetzenden Energiesparmaßnahmen für das anstehende Wintersemester bereits eingebunden, verbunden mit dem festen Vorsatz, diese durch die Mitarbeit auch über einen längerfristigen Zeitraum hinaus wirken zu lassen.

In Forschung und Lehre unterstützt das Nachhaltigkeitsbüro die inhaltliche und methodische Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen. So hat es beispielsweise einen kleinen Beitrag zur Ausschreibung der Fördermittel zur Qualitätssicherung Lehre (QSL-Projektmittel) beisteuern können. Hier stehen die Hälfte der Mittel für den Themenkomplex Nachhaltigkeit bereit. Dabei geht es nicht allein um die inhaltliche Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit, sondern auch um Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Entwicklung transdisziplinärer und transformativer Lehr- und Lernumgebungen.

In den kommenden Monaten will das Team im Auftrag des Präsidiums unter Beteiligung aller Statusgruppen eine universitätsweite Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln. Eine erste Möglichkeit, sich aktiv einzubringen, bietet sich am 22. November: Das Nachhaltigkeitsbüro lädt alle Interessierten zu einer Auftaktveranstaltung in den Festsaal am Campus Westend ein, um den Stand und die Perspektiven der Nachhaltigkeit an der Goethe-Universität gemeinsam zu diskutieren.

Autorin: Lilly Gothe, Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität

Das neue International House am Campus Riedberg ist ein energetisch kompaktes hochwärmegedämmtes und nachhaltig gebautes Passivhaus, das den KFW 40 Standard erfüllt. Bei den Baumaterialien wurde nicht nur auf einen guten Primärenergiefaktor, sondern auch auf Umweltverträglichkeit und Rückbaubarkeit Wert gelegt. Zusätzlich ist das Gebäude mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet, die das gesamte Haus versorgt. Im Jahr können ca. 100.000 kWh Strom erzeugt werden, davon werden 90-95% selbst genutzt. Foto: Uwe Dettmar

Seit letztem Jahr gibt es am Campus Riedberg und am Campus Westend zwei sogenannte Permakultur-Gärten. Mitten in der Stadt wird hier gemeinsam gesät, gegärtnert und geerntet. Mit ihrer Pflanzenvielfalt und als Lebensraum, z.B. für Insekten, sollen die Gärten einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Besonderes Augenmerk legen die Campusgärtner*innen auf den Erhalt alter Sorten: Damit wollen sie dem Artensterben als Folge des Klimawandels und der industriellen Landwirtschaft entgegenwirken. Foto: Isabelle Hammerschmiedt

GOETHES GREEN OFFICE
Studierende der Goethe-Universität waren in einem »Bottom-up-Prozess« maßgebliche Treiber in der Institutionalisierung des Nachhaltigkeitsbüros: Schon seit 2018 setzt sich die studentische Initiative »Goethes Green Office« (GGO) für eine sozial-ökologische Transformation der Universität ein. Sie plädieren für umfassende Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen. Der erste Ansatzpunkt ist die eigene Universität. Die Gruppe der Studierenden hat seitdem einiges umgesetzt: So organisierte sie beispielsweise im Wintersemester 2019 in Kooperation mit den Students for Future eine Public Climate School sowie eine studentische Vollversammlung. 2021 legte sie auf dem Campus Riedberg und dem Campus Westend unter fachlichem Support der Gemüseheld*innen studentische Gemeinschaftsgärten an. Auch organisieren die Mitglieder des GGO wesentlich die vom Senat einberufene AG Nachhaltigkeit und schaffen so eine zentrale Kommunikationsplattform zu Nachhaltigkeit in der Goethe- Universität. Die Gründung des Nachhaltigkeitsbüros, eines der wesentlichen Ziele des GGO, haben drei Mitglieder des GGO maßgeblich begleitet und stellen als studentische Hilfskräfte dort nun auch einen Teil des neuen Teams.

Mehr Informationen: www.goethesgreenoffice.de, Artikel in der FAZ über die studentische Initiative, 2020

Das neue Gebäude der Sprach- und Kulturwissenschaften auf dem Campus Westend, das im September 2022 eröffnet wurde, verfügt über verschiedene Dachbegrünungen. Sie gleichen einerseits durch den Bau versiegelte Flächen wieder aus, dienen andererseits aber auch dazu, Überhitzung zu reduzieren. Während sich Dachflächen ohne Begrünung im Sommer enorm aufheizen und so zur Überhitzung der Städte beitragen, bleiben begrünte Dachflächen wesentlich kälter. Foto: Uwe Dettmar

Im Permakulturgarten am Campus Westend beleben Studierende in Zusammenarbeit mit einer lokalen Initiative eine Brachfläche mit zahlreichen Gemüsesorten. Das fördert die lokale Biodiversität und zeigt, dass Nachhaltigkeit auch zu einem guten Leben beitragen kann. (Foto: Lilly Gothe)

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