Ab 14. Mai / US-Historikerin Lynn Hunt über die Wurzeln der Moderne

Die 6. Dagmar-Westberg-Vorlesung, die von 14. bis 17. Mai stattfindet, übernimmt die amerikanische Historikerin Lynn Hunt. Die bekannte Forscherin, die sich viel mit der Französischen Revolution und der Geschichte der Menschenrechte befasst hat, hält drei öffentliche Vorträge und ein Kolloquium zum Thema „The Global, the Social, and the Martial: Discovering New Capacities in the Eighteenth Century“.

„Die Westberg-Vorlesungen widmen sich einem Thema von breiter kulturhistorischer Relevanz über Fächergrenzen hinweg. Professor Hunt, eine international renommierte Historikerin der Frühen Neuzeit, repräsentiert diese Breite: Sie verbindet europäische Kulturgeschichte mit Fragen historischer Methodik und Epistemologie“, erklärt Professorin Rebekka Voß von der Goethe-Universität. Die Judaistin war an der Auswahl für die diesjährige Reihe der Westberg-Vorlesung beteiligt. Insbesondere Hunts soeben erschienenes Buch „History: Why It Matters“ sei, so Voß, ein Beleg dafür, dass kulturgeschichtliche Forschung überaus aktuell sei.

In ihrer Frankfurter Vorlesung, die sie in englischer Sprache halten wird, wird Lynn Hunt zeigen, dass neue Konzepte von modernen Gesellschaften keineswegs nur auf die Philosophie der Aufklärung, den „Aufstieg des Westens“ oder das Erstarken bürokratischer Staatsgebilde zurückführen sind. Vielmehr will sie den Blick auf „Geschichte von unten“ lenken, denn neue Vorstellungen von Individuum und Gesellschaft kamen im achtzehnten Jahrhundert oft von unerwarteter Seite.

Die erste Vorlesung mit dem Titel „Tea, Women and the Concept of Civilization“ befasst sich mit der Frage, welche neue Rolle Frauen zukam durch den Konsum von Tea und anderen chinesischen Produkten und wie dies die europäische Vorstellung von „Zivilisation“ mitgeprägt hat. Das Konzept von „Gesellschaft“ wurde im achtzehnten Jahrhundert neu zugeschnitten, besonders während der Französischen Revolution, woraus sich in den späten 1790er Jahren und frühen 1800er Jahren die Sozialwissenschaften entwickelt haben.

Die zweite Vorlesung wendet sich der Bildsprache zu und zeigt, wie diese den Blick auf soziale Beziehungen verändert hat. Die neuen Möglichkeiten von Individuum und Gesellschaft nahmen eine bedenkliche Entwicklung in den Revolutionskriegen der 1790er Jahre, als individuelle Initiative und Nationalgefühl auf neue Weise ineinanderflossen.

Die dritte Lesung schließlich taucht ein in die sich verändernden Strukturen der französischen Revolutionsarmeen, um zu verstehen, warum diese so erfolgreich waren, aber auch, warum die Gefechte von so viel Gewalt geprägt waren. Alle drei Vorlesungen behandeln die unabsichtliche Entdeckung neuer Möglichkeiten des Einzelnen im Zusammenhang mit dem Bewusstsein sozialer Kräfte. Am Kolloquium mit dem Titel „Globalization, Visualization and Religion in the Origins oft he Enlightenment“ beteiligt sich als weitere führende Forscherin der Geschichte der Frühen Neuzeit Prof. Margaret C. Jacob, ebenfalls Distinguished Professor of History an der University of California, Los Angeles.

Zur Person der Referentin

Nach ihrem Studium am Carleton College und ihrer Promotion an der Stanford University lehrte Professor Hunt an der University of California, Berkeley (1974 bis 1987) und ging dann an die University of Pennsylvania, Philadelphia (1987-1998). Von 1998 bis zu ihrer Emeritierung 2013 hatte sie die Eugen Weber-Professur an der University of California, Los Angeles, inne. Heute ist sie dort als Distinguished Research Professor tätig. 2002 war sie Präsidentin der American Historical Association, 2010 erhielt sie von dieser den Nancy Lyman Roelker Award for Graduate Mentorship. Darüber hinaus wurde Hunt in Berkeley und Los Angeles mit namhaften Lehrpreisen ausgezeichnet.

Hunts Werk umfasst Bücher über den Ursprung der Menschenrechte, die Französische Revolution, historische Methodik und Erkenntnistheorie, die Quellen der religiösen Toleranz, aber auch über die Geschichte der Pornographie. Die Bücher von Lynn Hunt wurden in vierzehn Sprachen übersetzt. Ihre jüngsten Veröffentlichungen sind das Lehrbuch „The French Revolution and Napoleon: Crucible of the Modern World“ (2017), das sie gemeinsam mit Jack Censer geschrieben hat, und „History: Why It Matters“, erschienen im März 2018.

Zur Dagmar-Westberg-Vorlesung

Die Gastprofessur ist nach dem Vorbild amerikanischer Lectures konzipiert. Sie wird aus einem Stiftungsfonds finanziert, den die 2017 verstorbene Mäzenin Dagmar Westberg zur Verfügung gestellt hat. Nach dem Willen der Stifterin soll das Geld ausschließlich für die Geisteswissenschaften verwendet werden. So kann die Goethe-Universität jährlich eine/n weltweit renommierte/n Forscher/in nach Frankfurt einladen. In den vergangenen vier Jahren fiel die Wahl auf den Germanisten Peter Strohschneider, der nun DFG-Präsident ist, die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum, den deutsch-amerikanischen Archäologen Lothar von Falkenhausen, den Berliner Theologen Christoph Markschies und der Princeton-Historiker Anthony T. Grafton.

Die Termine:

„Tea, Women and the Concept of Civilization“ | Montag, 14. Mai, 18 Uhr | Campus Westend, Festsaal Casino (Cas. 823):

„French Revolutionary Armies and Total War“ | Dienstag, 15. Mai, 18 Uhr | Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)

„Revolutionary Armies and Total War“ | Mittwoch, 16. Mai, 18 Uhr | Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)

„Globalization, Visualization and Religion in the Origins of the Enlightenment“ | Kolloquium zu den Vorlesungen: Donnerstag, 17. Mai, 10-13 Uhr, | Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg v.d. Höhe, (Anmeldung unter m.eise@em.uni-frankfurt.de)

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Informationen: Prof. Dr. Rebekka Voß, Professur für Geschichte des deutschen und europäischen Judentums, Seminar für Judaistik, Fachbereich 09, Campus Bockenheim, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt am Main, Telefon +49 (69) 798 22796, E-Mail voss@em.uni-frankfurt.de

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