Studierende der Goethe Universität konzipieren ein neues Ausstellungsprojekt zu „Migration in Europa“ mit fotografischen Arbeiten der Künstlerin Eva Leitolf. Sie steht in der Tradition engagierter dokumentarischer Fotografie. In der Serie „Postcards from Europe“ bildet Leitolf Orte ab, an denen sich Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalttaten ereignet haben, doch im Gegensatz zu den medialen Berichterstattung zeigen ihre Fotografien menschenleere Orte, die teilweise sogar frei von jeglicher Zivilisation sind.
Die neue Ausstellung der Studiengalerie 1.357 ist zu sehen vom 3. November bis zum 2. Dezember montags bis donnerstags zwischen 12 und 17 Uhr im IG-Farben Haus auf dem Campus Westend. Die Ausstellungseröffnung ist am 2. November (Mittwoch) um 20 Uhr im IG-Farben-Haus, Raum 1.357, Campus Westend.
Die Serie „Postcards from Europe“ ist als ein fortlaufend wachsendes, offenes Archiv angelegt und stellt die Fotografie ins Zentrum eines Diskurses über die mediale Vermittlung von politischen Missständen in der Gesellschaft. Die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit der Problematik von Flucht und Migration wird durch möglichst nüchterne und stille Bilder eröffnet und eine Politisierung der Thematik abseits von jeglichem Spektakel ermöglicht. Seit 2006 hat Leitolf für „Postcards from Europe“ in Spanien, den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta, an der ungarisch-ukrainischen Grenze, in den Hafenstädten Calais und Dover, in Griechenland und im Süden Italiens gearbeitet. Ihre Fotografien menschenleere Orte erwecken den Eindruck der Ereignislosigkeit, sie werden jeweils von einem Text begleitet, der die konkreten Vorfälle oder Situationen schildert. Erst im Zuge des Lesens wird deutlich, weshalb der fotografierte Ort überhaupt bildwürdig ist.
Den Arbeiten wird konsequent eine Schockwirkung entzogen, die Bilder von Gewalt auslösen können. Der Kernpunkt ist daher die Frage, wie die Fotografie im künstlerischen Kontext eine journalistische Berichterstattung reflektiert, indem dokumentarische Standards aufgehoben werden. Ohne die Darstellung von Menschen konzentriert sie sich ausschließlich auf die Tatorte. Diese Orte dienen Leitolf gewissermaßen als Leerstellen oder Bühnen, die umso mehr auf die Möglichkeit der Anwesenheit von Menschen, Protagonisten verweisen sollen.
Die Texte zu den Fotografien sind Ergebnis einer ausführlichen Recherche. Sie entstammen unterschiedlichster Quellen wie Nachrichten und Polizeiakten, Leitolfs Gesprächen mit Migrant_innen, Opfern, Vertreter_innen von Hilfsorganisationen und Ansässigen vor Ort. Betrachter können das Textuelle als Teil des bildlichen Erlebens wahrnehmen – ohne jede Hierarchisierung. Sie können sich diese Bilder aber auch bis zu einem gewissen Grad ohne Text erarbeiten, da die Künstlerin ihre Bilder nicht buchstäblich überschreibt. Leitolfs Interesse gilt besonders dem Spannungsfeld zwischen dem, was sichtbar ist, und dem, was vorstellbar wird.
Eva Leitolf (geb. 1966) studierte Fotografie an der Universität Gesamthochschule Essen sowie Kunst am California Institute of the Arts als Schülerin Allan Sekulas, inzwischen lehrt sie selbst an verschiedenen Kunsthochschulen und Universitäten. Ihre Arbeiten, u.a. die zwischen 1992 und 2008 entstandene Serie „Deutsche Bilder – eine Spurensuche“, „Rostock Ritz“ (2004) und „Postcards from Europe“ (seit 2006) wurden mit renommierten Preisen und Stipendien ausgezeichnet und in internationalen Einrichtungen wie der Pinakothek der Moderne in München, dem Frankfurter Kunstverein, Sprengel Museum Hannover, Rijksmuseum Amsterdam, Fotomuseum Rotterdam und der Wallach Art Gallery in New York ausgestellt – und regelmäßig veröffentlicht, z.B. in der Süddeutschen Zeitung oder der ZEIT.
Die Studiengalerie 1.357 ist eine Kooperation des Städel Museums, des MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main und der Goethe-Universität. Sie realisiert pro Jahr vier Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst, die unter dem Leittitel „Erinnerungskultur und Bildgebrauch“ in Lehrveranstaltungen von Studierenden verschiedener Disziplinen erarbeitet werden.