Evolution im Labor simulieren

Dr. Mirko Basen; Foto: Uwe Dettmar

Das Leben auf der Erde ist vermutlich an heißen Quellen in den Ozeanen entstanden. Um neue Standort zu besiedeln, mussten sich die an Hitze gewöhnten Mikroorganismen an die kühlere Umgebung anpassen. Wie sie das innerhalb von nur wenigen 100 Generationen gemacht haben könnten, will der Mikrobiologe Dr. Mirko Basen von der Goethe-Universität jetzt durch simulierte Evolution im Labor herausfinden.

Mirko Basens Forschungsprojekt gehört zu den fünf Prozent erfolgreichen, die unter den knapp 600 eingereichten Anträgen im „Experiment!“-Programm der VolkswagenStiftung ausgewählt wurden. Mit diesem Programm fördert die Stiftung ausdrücklich gewagte Forschungsideen, die etabliertes Wissen grundlegend herausfordern und auf unkonventionellen Hypothesen beruhen.

Die ersten Organismen, die vor etwa vier Milliarden Jahren unseren Planeten bevölkerten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach Hitze liebende (thermophile) Mikroorganismen, die sich bei 60 oder mehr Grad am wohlsten fühlten. Ihr Stoffwechsel beruhte vermutlich auf der Oxidation von Wasserstoff, verbunden mit der Reduktion von Kohlendioxid, das auf der jungen Erde reichlich vorhanden war.

Von dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller irdischen Lebewesen leiten sich zwei Ahnenreihen ab: Die Bakterien und Archaeen. Einige von ihnen mögen es bis heute heiß – etwa die Bewohner der schwarzen Raucher in der Tiefsee. Deren Urahnen könnten Kohlendioxid entweder zu Essigsäure (acetogene Bakterien) oder zu Methan (methanogene Archaeen) verstoffwechselt haben.

„Im Stammbaum der Lebewesen gibt es eine ganze Reihe thermophiler Mikroorganismen. Es ist also anzunehmen, dass die Anpassung an kühlere Temperaturen durch mehrere, voneinander unabhängige Ereignisse stattfand“, erläutert Dr. Mirko Basen von der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik an der Goethe-Universität.

Bisher ist vor allem der umgekehrte Weg, nämlich die Anpassung von Proteinen und Zellen an heiße Lebensräume untersucht worden. Forscher haben Mechanismen vorgeschlagen, mit denen die Hitze empfindlichen Proteine geschützt werden. Sie beziehen sich auf Veränderungen des Stoffwechsels, der Struktur der Zellmembran und der DNA oder RNA. Bei bestimmten Bakterienstämmen ist es auch gelungen, sie durch experimentelle Evolution im Labor sukzessive an höhere Temperaturen anzupassen. Nach einigen hundert Generationen hatte sich ihre „Wohlfühltemperatur” um etwa 10 Grad erhöht.

„Ich schlage nun einen Perspektivwechsel vor, der vollkommen neue Einsichten in die Evolution und die Anpassung an kalte oder heiße Umgebungen bringen könnte. Meine Hypothese ist, dass die Anpassung an niedrigere Temperaturen schnell passiert ist, erzwungen durch eine rasche Veränderung der Umgebung“, so Mirko Basen.

Diese Hypothese wird der junge Mikrobiologe jetzt durch Evolution im Labor testen. Dazu verwendet er einige der vermutlich ältesten Stämme von Bakterien und Archaeen, deren Stoffwechsel auf Kohlendioxid basiert.

Quelle: Pressemitteilung vom 6. Dezember 2017

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