Goethe-Uni beteiligt: Atmosphärenforschung in Deutschland wird ausgebaut

Langfristige Messungen für den Klimawandel: das Taunus-Observatorium neben der Hans-Ludwig-Neumann-Sternwarte (Von Cherubino – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40652518)

Deutschland bekommt eine neue Infrastruktur zur Erforschung von Feinstaubpartikeln, Wolken und Spurengasen. Verteilt auf elf Einrichtungen, unter anderen die Goethe-Universität, wird dieser deutsche Beitrag zur EU-Forschungsinfrastruktur ACTRIS künftig bessere Vorhersagen für Luftqualität, Wetter und Klima ermöglichen. Für die Goethe-Universität arbeiten PD Dr. Andreas Kürten (wissenschaftlicher Leiter des Taunusobservatoriums), Prof. Alexander Vogel, Prof. Andreas Engel und Prof. Joachim Curtius mit anderen Akteur*innen der deutschen Atmosphärenforschung zusammen. Der Aufbau der Infrastruktur wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für acht Jahre mit insgesamt 86 Millionen Euro gefördert.

ACTRIS ist die grundlegende europäische Forschungsinfrastruktur für kurzlebige Atmosphärenbestandteile, die die Erdsystembeobachtung und -forschung ausbaut und der Gesellschaft das Wissen zur Entwicklung nachhaltiger Lösungen bereitstellt. Das Kürzel ACTRIS steht für Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure – also eine Forschungsinfrastruktur für Aerosole (u.a. Feinstaubpartikel), Wolken und Spurengase. Diese kurzlebigen Bestandteile der Atmosphäre haben großen Einfluss auf die Luftqualität und das Klima.

Die kurzlebigen Klimatreiber sind in der Regel nur wenige Stunden bis Wochen in der Atmosphäre unterwegs – im Gegensatz zu den langlebigen Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan, die viele Jahre bis Jahrzehnte in der Atmosphäre verbleiben. Deshalb ist über die Wirkung der langlebigen Treibhausgase deutlich mehr bekannt als über die kurzlebigen Bestandteile, obwohl auch diese das Klima deutlich beeinflussen. So reflektieren winzige Schwebeteilchen beispielsweise Sonnenlicht und Wärmestrahlung oder dienen als Keime für die Bildung von Wolkentropfen und Eiskristallen, was die Niederschlagsbildung beeinflusst. Der Mensch nimmt durch Landnutzung, Verkehr und Energieerzeugung Einfluss auf die kurzlebigen Klimatreiber, die sehr unterschiedlich wirken können: zum Beispiel tragen Rußpartikel zur Erwärmung bei, Sulfat- und Nitratpartikel wirken dagegen abkühlend. Klar ist, alle diese Faktoren wirken sich auf das Klima aus und müssen in den Vorhersagen berücksichtigt werden. Wie groß die zum Teil sehr unterschiedlichen Effekte aber letztlich jeweils sind, ist noch nicht ausreichend erforscht.

Neben den Wirkungen auf das Klima haben kurzlebige Bestandteile der Atmosphäre auch einen starken Einfluss auf die Luftqualität und damit auf die menschliche Gesundheit. Schwebeteilchen, umgangssprachlich Feinstaub genannt, und kurzlebige Spurengase wie Stickoxide führen zu Erkrankungen der Atemwege und reduzieren die Lebenserwartung aufgrund von Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen.

Die Auswirkungen der menschlichen Aktivitäten auf die Atmosphäre vom einzelnen Auto bis hin zu riesigen Waldbränden können jedoch nur dann abgeschätzt werden, wenn Messungen kontinuierlich und großflächig an vielen Punkten erfolgen, denn die Atmosphäre kennt keine nationalen Grenzen. Deshalb wurde 2016 die paneuropäische Initiative ACTRIS auf die europäische Roadmap für Forschungsinfrastrukturen aufgenommen.

Mit der Aufnahme des deutschen Beitrags ACTRIS-D auf die Nationale Roadmap für Forschungsinfrastrukturen hatte sich Deutschland 2019 zur Mitarbeit an der europäischen Forschungsinfrastruktur bekannt. Das BMBF hat nun die Förderung des Aufbaus von ACTRIS-D mit zunächst insgesamt ca. 75 Millionen Euro begonnen. Mit diesen Mitteln im Rahmen der Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA) werden in den nächsten fünf Jahren zahlreiche feste und mobile Messstationen sowie Labore und Simulationskammern ausgebaut oder neu errichtet. Eine zweite Förderphase zum vollständigen Aufbau von ACTRIS-D mit einer Förderung von ca. 11 Millionen Euro ist für den Zeitraum 2026 bis 2029 geplant.

ACTRIS-D-Partner Goethe-Universität Frankfurt

Ausgebaut wird beispielsweise das Taunus-Observatorium (TO) der Goethe-Universität auf der Kuppe der Kleinen Feldbergs, an dem seit mehr als hundert Jahren Messungen vorgenommen werden. Das Gemeinschaftsprojekt aller experimentellen Gruppen des Instituts für Atmosphäre und Umwelt unter der Beteiligung von PD Andreas Kürten (wissenschaftliche Leitung des TO), Prof. Alexander Vogel, Prof. Andreas Engel und Prof. Joachim Curtius erhält 3 Millionen Euro für eine neue Instrumentierung, zwei Stellen für Forschende und eine Techniker*innenstelle. Mit dem neuen Instrumentarium sollen nun kontinuierlich Daten zu Spurengasen und Aerosolen erhoben werden. Gemessen wird etwa die durch den Wald geprägte Hintergrundatmosphäre (die dann mit Messungen von anderen Stationen in Städten oder landwirtschaftlichen Gegenden verglichen werden können); ermittelt werden aber auch durch den Menschen ausgelöste Einflüsse, beispielsweise durch Luftmassen, die aus dem Rhein-Main-Gebiet herantransportiert werden.

Das Taunus-Observatorium misst zudem Parameter, die sonst nur an wenigen weiteren Orten in Europa erhoben werden. Hierzu zählt etwa die Messung von Spurengasen wie gasförmige Schwefelsäure und Ammoniak, einer Vielzahl von organischen Komponenten sowie die Bestimmung von kurzlebigen halogenierten Verbindungen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Messung ultrafeiner Partikel, die Untersuchungen zur Neubildung von Aerosolpartikeln ermöglicht.

Die Messungen erfolgen kontinuierlich und langfristig; dadurch werden nicht nur Momentaufnahmen des atmosphärischen Zustands erhoben, sondern es können längerfristige Entwicklungen und saisonale Schwankungen bestimmt werden. Dem Projekt kommt deshalb im Zuge des Klimawandels eine besondere Bedeutung zu – etwa bei der Beantwortung der Frage, wie sich Emissionen aus Wäldern mit steigenden Temperaturen und sich verändernder Flora im Klimawandel entwickeln.

Hintergrund

An ACTRIS beteiligen sich europaweit weit über 100 Forschungseinrichtungen aus 22 Ländern. Sie haben über Europa ein Netz aus mehr als 70 Observatorien gespannt, das durch Stationen in den Polarregionen, den Tropen und in Asien ergänzt wird. Dazu kommen 18 Simulationskammern und Labore in Europa, in denen Prozesse in der Atmosphäre im Experiment nachgestellt werden, sowie 17 mobile Messplattformen, die an unterschiedlichen Standorten eingesetzt werden können. ACTRIS soll einer breiten Nutzergemeinschaft effektiven Zugang zu seinen Daten, Ressourcen und Diensten bieten, um eine qualitativ hochwertige Erdsystemforschung zu ermöglichen. Vom freien und offenen Zugang werden nicht nur der Technologie- und Wissenschaftsstandort Europa, sondern auch Umweltbehörden und Entscheidungsträger und damit letztlich Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa profitieren.

Beteiligte Forschungseinrichtungen

• Goethe-Universität Frankfurt am Main

• Alfred-Wegener-Institut (AWI) – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

• Bergische Universität Wuppertal (BUW)

• Deutscher Wetterdienst (DWD), Offenbach

• Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)

• Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

• Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leipzig (federführend)

• Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

• Umweltbundesamt (UBA), Dessau

• Universität Bremen

• Universität zu Köln

Weitere Informationen

Webseite ACTRIS
Webseite des Taunus-Observatorium
Webseite des Instituts für Atmosphäre und Umwelt

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