Die Leitung der Medizinischen Hauptbibliothek, kurz MedHB, am Campus Niederrad hat seit 1. September 2024 Dr. Christian Seitz inne, der in einer Doppelrolle agiert: als Leiter der Medizinischen Hauptbibliothek und zugleich als Open-Access-Beauftragter der Goethe-Universität Frankfurt. Seitz hat einen interessanten Werdegang: Von Hause aus ist er eigentlich Theologe, in dem Fach hat er mit einer fundamentaltheologischen Arbeit an der Universität Erfurt auch promoviert. Er betont aber: „Meine Dissertation ist wissenschaftstheoretisch ausgerichtet und beschäftigt sich unter anderem mit dem Austausch der Geistes- und Naturwissenschaften. Somit war das durchaus auch eine gute Grundlage für meine heutige interdisziplinäre Arbeit.“
Nach seiner Zeit in der Theologie hat Seitz unter anderem als Leiter der Diözesanbibliothek Rottenburg und der Bibliothek des Wilhelmsstifts Tübingen sowie als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informationswissenschaft der TH Köln gearbeitet, nebenbei noch einen Master in Bibliotheks- und Informationswirtschaft an der TH Köln erworben. Am Universitätsklinikum in Frankfurt hatte er zudem noch einen Lehrauftrag in Tierethik im Rahmen der Tierversuchskunde übernommen.
Freier Zugang zu Forschungsergebnissen
Mit urheberrechtlichen Aspekten von Open Access hatte Seitz sich bereits in seiner Masterarbeit beschäftigt. Heute widmet er sich neben der Leitung der MedHB schwerpunktmäßig diesem für das universitäre Publikationswesen so ungemein wichtigen Thema „Open Access Beratung“. Die Unterstützung der Forschenden aller Fächer und Fachbereiche auf ihrem Weg in Richtung Open Access bildet den Hauptschwerpunkt seiner Arbeit. Aufgrund des hohen Publikationsaufkommens am größten Fachbereich der Goethe-Universität, dem Fachbereich Medizin, lag die Verschränkung der Aufgaben nahe.
Der freie Zugang ist natürlich auch gesellschaftlich relevant, wie Seitz erklärt: „Neue Erkenntnisse in der medizinischen Forschung sollen so schnell wie möglich verbreitet werden. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig dieser zügige Datenfluss ist, damit beispielsweise ein neuer Impfstoff entwickelt werden kann.“
Im Unterschied zum klassischen meist zugriffsbeschränkten Publizieren, bei dem Wissenschaftler*innen kostenfrei publizieren, Bibliotheken die Zeitschriften über eine Lizenz oder ein Abonnement erwerben und schlussendlich nur Mitglieder der abonnierenden Institutionen Zugriff auf die Artikel erhalten, kehrt sich die Finanzierungslogik im Rahmen der Open-Access-Transformation um: Bezahlt wird das Publizieren und der lesende Zugriff steht weltweit allen frei zur Verfügung.
Dies führt zu einem tiefgreifenden Wandel, der Einfluss auf die Finanzströme hat, bisherige Praktiken in der Wissenschaftsbewertung mindestens zur Diskussion stellt und insbesondere forschungsstarke Einrichtungen wie die Goethe-Universität in besonderer Weise fordert.
Vor diesem Hintergrund sind Unterstützungsangebote für Forschende und Publizierende gefragt. Seitz erklärt an dieser Stelle: „Die Forschenden werden oft – so auch an der Goethe-Universität – über einen Publikationsfonds unterstützt und entlastet.“ Open Access, ist sich Christian Seitz sicher, erhöht nachhaltig die Sichtbarkeit und Reputation von Forschung, indem der Zugriff kostenfrei ist. Auch werden mit dem sogenannten Diamond-Open-Access-Modell neue Wege beschritten: „Diamond Open Access“ „ist ein Open-Access-Geschäftsmodell, bei dem weder für Publizierende noch für Lesende Gebühren anfallen. Die Publikationsinfrastruktur für die frei zugänglichen Erstpublikationen wird von wissenschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt oder durch fachlich organisierte Wissenschaftsverbände, wie zum Beispiel Fachgesellschaften, finanziert.“ Auch auf dem Feld des Diamond Open Access will Seitz über Beratungsservices und Schulungsmodule die Forschenden unterstützen. In der UB wird derzeit auch ein Zweitveröffentlichungsservice aufgebaut, bei dem die Mitglieder der Goethe-Universität die Möglichkeit erhalten, (teil-)automatisiert ihre Closed-Access-Veröffentlichungen als sogenannte Green-Open-Access-Publikationen auf dem Publikationsserver der Goethe-Universität frei zur Verfügung zu stellen. Für die damit verbundenen rechtlichen Fragen steht das Team von Seitz für die Beratung zur Verfügung.
Ein weiteres Feld, welches man zukünftig noch besser ausbauen möchte, ist die Erfassung des Publikationsoutputs der Goethe-Universität. „Ein Gesamtüberblick über das Publikationsaufkommen an der GU (schätzungsweise 8000 Publikationen jährlich) kann nur durch eine Hochschulbibliographie (HSB) gewährleistet werden, die Automatisierungsmöglichkeiten weitestgehend ausschöpft“, so Seitz. „Das ist auch für die Beantragung von Fördermitteln wichtig.“ Dazu soll dann neben Artikeln, Büchern und Abschlussarbeiten auch bibliografisch erfasst werden, was Forschende in populären Magazinen und Zeitschriften über ihre Forschung sagen. Ein weiterer Baustein bildet hierbei dann auch das Forschungsdatenrepositorium GUDe, das von den Kolleg*innen des Teams Forschungsdaten aufgebaut und betreut wird. Die Bibliografie dient neben anderen Repositorien dazu, die wissenschaftlichen Leistungen der Goethe-Universität sichtbar zu machen, die Forschungstätigkeit zu dokumentieren und die Verbreitung und Zugänglichkeit von Forschungsergebnissen zu fördern.
All dies findet selbstverständlich nicht (ausschließlich) in der MedHB statt, steht aber durch den Leiter, Dr. Christian Seitz, in enger Verbindung.
Die Medizinische Hauptbibliothek: Vom Schwesternwohnheim zur Bibliothek
Eine Institution, älter als die Universität: Bereits im Jahre 1908 als Zentralbibliothek des Städtischen Krankenhauses in Sachsenhausen gegründet, war die Vorgängereinrichtung der heutigen Medizinischen Hauptbibliothek dafür zuständig, Literatur zu allen medizinischen Wissenschaften zu sammeln. Dies lässt sich einem immer noch lesenswerten Beitrag von Hiltraud Krüger aus den „Frankfurter Bibliotheksbriefen“ (1996) entnehmen. Die Leitung hatte anfangs ehrenamtlich ein „Geheimer Medizinalrat“, ihm zur Seite stand ein „Fräulein Bibliothekarassistentin“. 1914, im Jahr der Gründung der Universität, übernahm die Bibliothek auch Aufgaben für die Medizinische Fakultät. 1944 verlor die Bibliothek durch einen Fliegerangriff einen großen Teil ihrer Bestände, musste nach dem Krieg 30 Jahre in einem Provisorium residieren. 1975 erfolgte dann der Umzug in das heutige Gebäude, in ein früheres Schwesternwohnheim, das unter Denkmalschutz steht.
Service- und nutzendenorientiert
An den Nutzenden ausgerichtete Informationsangebote zu entwickeln, gehört ganz unzweifelhaft zu den Themen, mit denen sich die Medizinische Hauptbibliothek künftig intensiver beschäftigen wird. „Informationskompetenz zu vermitteln, wird im Fokus unserer Unterstützungsleistungen als Bibliothek stehen“, ist sich Seitz sicher. Dazu gehören Schulungen zur Recherche, unter anderem zur wichtigen Datenbank PubMed. Ebenso verändern sich im Zuge der Digitalisierung die Tätigkeitsfelder der Mitarbeitenden: In dem Maße, wie die Selbstverbuchung zur Normalität wird, können weitere Themen in den Fokus genommen werden. Eine Zukunftsaufgabe sieht Seitz in der Lernraumentwicklung: „Die Arbeitsplätze sind nicht mehr auf dem neuesten Stand. Das Gebäude war einmal eine Schwesternschule, der Lesesaal war ursprünglich eine Kapelle. Insbesondere unser Hauptnutzendengruppe, die Studierenden, wünscht sich zeitgemäße und ihren Anforderungen entsprechende Lern- und Arbeitsräume.“ Gerne zeigt Seitz den Besucher*innen die schalldichte Arbeitskabine, in der ein ungestörtes Arbeiten auch in einer stark frequentierten Bibliothek möglich ist. Auch über Möglichkeiten, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, wird intensiv auch in Abstimmung mit dem Fachbereich nachgedacht.
Ein weiteres Feld sieht Christian Seitz in der noch stärkeren Vernetzung mit anderen Medizinbibliotheken. „Die MedHB ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft medizinischer Bibliotheken. Im Rahmen der Vernetzung kann man sich durch die Services und Angebote anderer Einrichtungen wie in Mainz oder Heidelberg inspirieren lassen. Denn man muss natürlich nicht alles selbst erfinden.“
Zahlen und Fakten zur MedHB
Bislang vertretene Fächer
• Medizin (Fachbereich 16)
Arbeitsplätze
• 200 Lese- und Arbeitsplätze
• 2 Gruppenarbeitsräume
• 1 Lernkabine
Bestand
Fachgebiet Medizin:
etwa 207 000 Medieneinheiten
(Journals, Datenbanken, E-Books etc.)
Dazu gehören u. a.
• ca. 180 000 eBooks
• ca. 13 500 gedruckte Medien (Bücher)
• ca. 330 gedruckte Zeitschriftentitel
Personal
5 hauptamtliche bibliothekarische Mitarbeiter*innen
• Unterstützt von studentischen Hilfskräften
Öffnungszeiten
MedHB Lesesaal
Montag bis Freitag, 8 bis 21 Uhr
Samstag, 9 bis 18 Uhr
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