Der 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre zeichnet jährlich Lehrende für besonders innovative und engagierte Hochschullehre aus. Vorgeschlagen werden die Preisträger von Studierenden – wie zum Beispiel der Kinderund Jugendmediziner Dr. Boris Wittekindt. Er erhielt in diesem Jahr den ersten Preis.

UniReport: Herr Wittekindt, was ist Ihnen während der Laudatio durch den Kopf gegangen?
Boris Wittekindt: Da war ich schon so aufgeregt, dass ich wahrscheinlich nur noch die
Hälfte mitbekommen habe. Was bei mir hängengeblieben ist, dass die Studierenden weniger besondere Unterrichtsinhalte mit mir verbinden, sondern die Art, wie ich Studierenden begegne und sie bei ihrer ärztlichen Sozialisation begleite.
Was können Studierende bei Ihnen lernen?
Da muss man natürlich zwischen den expliziten und den impliziten Lernzielen unterscheiden. Vordergründig lernt man bei mir die physiologischen Besonderheiten bei Kindern, deren Entwicklung, häufige Erkrankungen und Notfallsituationen. Mein Spezialgebiet ist die Behandlung von Neugeborenen und das spiegelt sich auch im Unterricht wider.
Mindestens genauso wichtig sind aber natürlich die impliziten, also eher zwischen den formalen Inhalten versteckten Lernziele: Wie lernt man, Verantwortung für Patienten zu übernehmen? Wie vermeide ich Fehler oder reagiere auf sie? Wie redet man mit Eltern und Kinder? Wie finde ich meine Haltung in existenziellen Situationen?
Wie haben Sie selbst gelernt zu lehren?
Na ja, ich glaube, das war erst mal die typische Mischung aus Nachahmung und Ausprobieren. Didaktische Schulungen gibt es bei uns in der Medizin ja erst im Habilitationsprozess, aber unterrichtet habe ich ja schon seit dem Studium. Einen systematischeren Input habe ich dann über die Treffen der didaktisch interessierten Leute am Fachbereich bekommen, Falk Ochsendorf und Thomas Kollewe kann ich da erwähnen. Und dann habe ich von 2017 bis 2019 einen berufsbegleitenden Masterstudiengang in Medizindidaktik absolviert.
Welche Lehrmethoden setzen Sie am liebsten ein?
Am liebsten schicke ich die Studierenden auf eine Fantasiereise in die Notaufnahme: Ich versuche eine Situation mit einem kranken Kind zu beschreiben und die Studierenden sollen dann detektivisch mit Fragen zur Krankengeschichte, Untersuchungen oder auch Behandlungsversuchen das Problem des fiktiven Patienten lösen. Für manches braucht man Bilder, andere Dinge kann man vorspielen. Am Ende hat dieses Gedankenspiel natürlich aber auch seine Grenzen und man muss in die reale Patienteninteraktion kommen. Hierauf sind die Studierenden dann schon gut vorbereitet.
Wie wichtig sind für Sie neue Technologien? Sind Sie auf KI gespannt?
Bei den Technologien bin ich, glaube ich, eher noch etwas zurückhaltend. Klar, wir haben alle unsere Vorlesungen aufgezeichnet und die Studierenden müssen nicht mehr unbedingt in den Hörsaal kommen – tun sie auch nicht. Dann habe ich einen Podcast aufgezogen, in dem Themen rund um das Thema „Kindermedizin“ mit wechselnden Gästen besprochen werden. Der Rest meiner Lehre ist aber eher durchschnittlich von digitalen Medien durchsetzt. Von KI im Unterricht hatte ich ehrlicherweise keine Ahnung, da bin ich aber nach der Keynote Lecture im Rahmen der Preisverleihung ziemlich neugierig geworden. Vielleicht kann ich in zwei Jahren mehr berichten …
Wann klappt Lehre richtig gut?
Wenn beide Seiten motiviert sind. Der schwierigste Unterricht sind Pflichtschulungen, bei denen die Teilnehmenden den Sinn nicht sehen und die Lehrenden nur verpflichtende Unterrichtsstunden ableisten wollen.
Was frustriert Sie manchmal in der Lehre?
Zum einen das, was ich gerade eben angedeutet habe: Die „Unterrichtsverpflichtung“ für Profs und PDs, die darauf halt zum Teil überhaupt gar keine Lust haben und deren Qualifikationen in anderen Bereichen viel höher sind. Und im Umkehrschluss natürlich auch die Situation, dass Begeisterung für die Lehre im Unibetrieb in der Mehrzahl der Fälle nicht karrierefördernd ist.
Was wollten Sie Ihren Studierenden schon immer einmal sagen?
Studieren ist wunderbar, schauen Sie sich nach allem um, was Sie interessiert und belegen Sie nicht nur Kurse, die vorgeschrieben sind. Bringen Sie sich ein, sei es in den Instituten, in studentischen Initiativen oder den Fachschaften. Und bleiben sie gerne ein wenig länger: Nach dem Bachelor kommt der Master, nach dem medizinischen Staatsexamen die Facharztausbildung und nach der Promotion die Postdoc-Zeit.
Vergeben wird der 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre von der Stiftung der Frankfurter Sparkasse und der Goethe-Universität – die Laudatio aber halten die Studierenden, die die Lehrenden für den Preis vorgeschlagen haben. Über den Oberarzt der Neonatalogie Dr. Boris Wittekindt erfahren die Besucher bei dieser Gelegenheit etwa, dass er ein »Möglichkeitsmacher« sei; dass er mit interaktiven Vorlesungen, mit Peer-Teaching-Angeboten, dem Podcast »Päd als Pod« und Patientenbegegnungen im Seminar sich eine ganze Menge einfallen lässt, um sein Wissen zu vermitteln. Die Studierenden betonen aber auch, dass Wittekindt sich für eine Verbesserung der medizinischen Ausbildung engagiert oder auch »ganz einfach da ist und Mut macht«.









