Gemeinsames Schreiben der Ministerin und der Hochschulpräsidentinnen und Hochschulpräsidenten

Sehr geehrte Studierende,
sehr geehrte Lehrende,
sehr geehrte Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeiter,
sehr geehrte Studienbewerberinnen und -bewerber,

vor acht Wochen und damit zum Beginn dieses für uns alle außergewöhnlichen Sommersemesters haben wir Ihnen die Leitlinien vorgestellt, mit denen wir den durch die Ausbreitung des Corona-Virus bedingten Herausforderungen für die Hochschulen und ihre Mitglieder und Angehörigen begegnen wollen. Dabei waren wir uns dessen bewusst, dass wir erst am Anfang eines in seinem weiteren Verlauf nur schwer absehbaren Geschehens standen, dessen vielschichtige Folgen nicht nur tief in unser Leben eingreifen und Fragen aufwerfen, auf die wir gemeinsam Antworten finden müssen, sondern auch erhebliches Engagement aller Beteiligten bei der Bewältigung dieser krisenhaften Situation erfordern. Dank dieses Engagements insbesondere in der medizinischen Versorgung, in Behörden und sozialen Initiativen, aber auch der Disziplin der allermeisten Bürgerinnen und Bürger, haben wir jetzt einen Stand erreicht, der uns verhalten optimistisch nach vorne blicken lässt und eine allmähliche und vorsichtige Lockerung der bisherigen Restriktionen ermöglicht. Gleichzeitig haben wir intensiv daran gearbeitet, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und auf die drängendsten Fragen zufriedenstellende Antworten zu finden. Wir möchten Sie heute darüber informieren, wo wir stehen, und wie es aus der jetzigen Perspektive weitergehen soll:

1. Wir sind neue Wege gegangen, und wir müssen diese auch weiterhin beschreiten

Wir setzen weiterhin auf Flexibilität bei der Gestaltung des Lehr-, Studien- und Prüfungsbetriebs. Lehre und Forschung müssen nach wie vor in Formen geschehen, die den epidemiologischen Anforderungen genügen. Das heißt im Sommersemester vor allem: weiterhin vorwiegend digital und mit neuen Formaten. Unser gemeinsames Ziel, dass möglichst alle, die das Semester absolvieren wollen, dies soweit wie möglich auch können, versuchen wir dadurch zu erreichen, dass der Präsenzbetrieb jedenfalls dort wiederaufgenommen werden kann, wo Lehre und Forschung ohne die Nutzung der räumlichen und sächlichen Ressourcen der Hochschulen schlicht an Grenzen stoßen. Das betrifft insbesondere den Laborbetrieb, das Musikstudium, die künstlerische Atelierarbeit sowie die Sportpraxis und vergleichbare Angebote. Diese sind, unter strenger Einhaltung der von den Hochschulen entwickelten Hygienekonzepte, ab sofort grundsätzlich wieder möglich. Über die für Sie relevanten Einzelheiten – was läuft wo, wann und wie – informieren die Hochschulen auf ihren Internetseiten. Darüber hinaus muss es zunächst bei dem Vorrang der Online-Lehre bleiben, um das gemeinsam Erreichte nicht voreilig zu gefährden. Nur auf diese Weise können wir hoffen, zeitnah zum vollwertigen Campusleben und dem damit verbundenen zwischenmenschlichen Austausch, den wir uns alle so dringend wünschen und von dem Hochschule letztendlich lebt, zurückkehren zu können. Die hessischen Hochschulen, die in den vergangenen Wochen Online-Lehre massiv ausgebaut haben, werden dabei durch das Land mit dem im April geschlossenen Digitalpakt Hochschulen mit einem Gesamtvolumen von 112 Millionen Euro und 5-jähriger Laufzeit unterstützt. Für das Jahr 2020 haben wir den besonderen Bedarf für die Herausforderungen durch Corona ermittelt und verabredet, die ersten Mittel von 8 Millionen Euro aus dem Digitalpakt gezielt beispielsweise für zusätzliche Streaming-Kapazitäten, Ausstattungen für video-basierte Lehrveranstaltungen sowie in begrenztem Maße für einen Notfonds für studentisches Arbeitsmaterial einzusetzen.

2. Wir haben gemeinsam losgelegt, benötigen aber weiterhin viel Flexibilität

Am 20. April ist der Lehrbetrieb an den Hochschulen des Landes Hessen zunächst mit digitalen Angeboten gestartet. Unser Dank gilt allen, die mit viel Einsatz und Kreativität neue digitale Angebote und zusätzliche Lösungen erarbeitet und an deren technischer Umsetzung gefeilt haben, und denen, die sich trotz manch technischer Tücken beharrlich darauf eingelassen haben. Wegen des eingeschränkten Präsenzbetriebs und der aufgrund der Hygieneanforderungen deutlich reduzierten Gruppengrößen müssen wir innerhalb des Sommersemesters das Ende der Vorlesungszeit flexibel nach hinten verschieben, damit alle die gleichen Chancen erhalten, das Sommersemester erfolgreich zu absolvieren. Das kann bis in den Oktober hinein andauern. Wir haben uns daher darauf verständigt, dass die Vorlesungen des Wintersemesters am 2.11.2020 beginnen. Damit der Monat Oktober genutzt werden kann, besteht für die Hochschulen die Möglichkeit, Studienleistungen, die im Oktober erbracht werden, dem Sommersemester 2020 zuzurechnen. Studierende, die ihr Studium zum Ende des Sommersemesters abschließen können oder die Hochschule wechseln wollen und sich daher nicht zum am 1. Oktober beginnenden Wintersemester zurückmelden, können auf Antrag eine um den Oktober verlängerte Semesterbescheinigung durch die Hochschule erhalten. Für eine familienfreundliche Erholungszeit während der hessischen Sommerferien von mindestens drei Wochen tragen die einzelnen Hoch- schulen Sorge. Prinzipiell sollen in dieser Zeit keine Lehrveranstaltungen stattfinden. Prüfungen können durchgeführt werden.

3. Niemand soll zurückbleiben – das ist und bleibt unser oberstes Gebot

Studierende, die aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie keine oder nicht alle vorgesehenen Leistungen erbringen können, sollen grundsätzlich keine Nachteile erfahren. Die Prüfungsfristen, die an die Fachsemester oder definierte Zeitspannen anknüpfen, wurden seitens der Hochschulen und der für Staatsexamina zuständigen Prüfungsämter entsprechend verlängert und die Anrechnung abweichender Lehrveranstaltungs- oder Prüfungsformate grundsätzlich sichergestellt. Die Frage der Durchführung, Absage oder Verschiebung von Staatsprüfungen/Staatsexamina liegt nicht in der fachlichen Zuständigkeit des Hessischen Wissenschaftsministeriums, sondern bei den jeweils zuständigen Fachministerien. Insgesamt ist es uns wichtig, im Austausch mit den Hochschulen und den anderen Fachministerien einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess sicherzustellen, damit aufgrund der besonderen Situation des Sommersemesters 2020 grundsätzlich keine Nachteile entstehen.

Die Wissenschaftsministerinnen und -minister der Länder haben sich beim Bund massiv dafür eingesetzt, dass vor allem beim BAföG, aber auch bei Kindergeld und Krankenversicherung, Regelungen gefunden werden, die den Lebensunterhalt der Studierenden in Zeiten der Covid-19-Pandemie zu sichern vermögen.

Stand jetzt sieht es so aus: Wir haben gegenüber dem Bund frühzeitig auf BAföG-rechtliche Probleme hingewiesen, die sich aufgrund der Verschiebung des Vorlesungsbeginns für BAföG-Empfängerinnen und -empfänger ergeben könnten. Das BMBF hat mit einem Erlass sowohl im Hinblick auf die Weiterförderung als auch die Erstförderung dargelegt, dass BAföG-Geförderte ihre Ausbildungsförderung weiterhin erhalten. Für BAföG-Geförderte ergeben sich insoweit also grundsätzlich keine Nachteile.

Aktuell wird noch daran gearbeitet, wie der Nachteilsausgleich für pandemiebedingte Verzögerungen im Studium konkret aussehen soll. Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass die pandemiebedingten Verzögerungen im Studium zu einer entsprechenden Verlängerung des BAföG-Bezugs führen sollen. Unser favorisierter Weg ist eine pauschale Re- gelung des Bundes ohne hohen Verwaltungsaufwand. Hessen hat deshalb über den Bun- desrat die Bundesregierung dazu aufgefordert, ein Verfahren zu ermöglichen, das pauschal sicherstellt, dass Studierenden mit pandemiebedingten Verzögerungen im Studienablauf keine Nachteile beim Bezug der BAföG-Leistungen entstehen. Aktuell führt das HMWK dazu Gespräche mit dem Bund. Parallel arbeiten wir an tragfähigen Alternativen, falls der Bund die pauschale Regelung nicht umsetzt. Uns ist es wichtig, dass rechtzeitig, bevor Anträge auf Verlängerung gestellt werden müssen, im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des Bundes die erforderliche Sicherheit und Transparenz geschaffen wird.

Viele Studierende finanzieren ihr Studium mit Jobs, die sie jedoch im Zuge der Corona- Pandemie verloren haben.

Um BAföG-berechtigten Studierenden in der aktuellen Krise möglichst schnell finanziell unter die Arme greifen zu können, sieht das BAföG Instrumente für kurzfristigen Zahlungsbedarf vor, wie z.B. Abschlagszahlungen bei Neuanträgen (§ 51 Abs. 2 BAföG) und bei Folgeanträgen (§ 50 Abs. 4 BAföG) oder die Möglichkeit von Aktualisierungsanträgen bei geringerem Einkommen der Eltern oder des Ehegatten/der Ehegattin (§ 24 Abs. 3 BAföG).

Hinweisen möchten wir auch auf die vom BMBF angekündigten Nothilfe- und Überbrückungsmöglichkeiten für Studierende in pandemiebedingten Notlagen. Diese Hilfsleistungen für die Studienfinanzierung sind ein wichtiger Schritt, auch wenn sie leider hinter dem zurückbleiben, was wir für wünschenswert und möglich gehalten haben.

Studierende können ab sofort bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein zunächst zinsloses Darlehen beantragen. Ausländische Studierende können ab dem 1. Juni 2020 einen Antrag stellen. Das Darlehen hat eine Höhe von bis zu 650 Euro im Monat. Das Dar- lehen kann unbürokratisch online beantragt werden (nähere Informationen: www.kfw.de/studienkredit-coronahilfe). Der Zinssatz des Darlehens in Höhe von 0 % gilt bis zum 31.03.2021.

Ferner werden dem Deutschen Studentenwerk vom BMBF 100 Millionen Euro für die Nothilfefonds der Studierendenwerke/Studentenwerke vor Ort zur Verfügung gestellt. Mit diesem Geld soll denjenigen Studierenden in nachweislich besonders akuter Notlage geholfen werden, die ganz unmittelbar Hilfe benötigen und keine andere Unterstützung in Anspruch nehmen können. Die Einzelheiten dieses Zuschusses werden derzeit noch geklärt.

Die Frage der Studienfinanzierung ist eine klare Aufgabe des Bundes. Trotzdem prüfen die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, inwiefern eine weitere Unterstüt- zung des Landes für diejenigen in Notsituationen möglich ist.

4. Alle strengen sich weiter gemeinsam an

Viele und hochwertige Angebote wurden und werden trotz der Einschränkungen ermöglicht, Angebote, zu denen die Lehrenden, aber auch die administrativ-technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Beitrag erbracht haben, und auf die sich viele Studierende engagiert eingelassen haben. Dafür danken wir Ihnen allen. In den Bibliotheken kann unter Einhaltung von Hygienebedingungen auch ein eingeschränkter Präsenzbetrieb sukzessive ermöglicht werden. Hochschulische Prüfungen in Präsenzform können nach entsprechender Vorbereitung mit besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen wieder durchgeführt werden. Es muss dabei gewährleistet sein, dass alle geltenden Vorgaben zum Infektionsschutz umgesetzt werden. So muss insbesondere zwischen den Prüfungs- beteiligten ein Abstand von mindestens 1,5 m eingehalten werden. Die Hochschulen er- stellen derzeit passgenaue Hygiene-Konzepte. Ob bei der Durchführung einer Hochschulprüfung in Präsenzform alle Vorgaben zum Infektionsschutz eingehalten werden können und die Prüfung damit durchgeführt werden kann, entscheidet die jeweilige Hochschule in eigener Verantwortung.

Präsenzprüfungen, die nach diesem Maßstab noch nicht durchgeführt werden können, müssen nachgeholt werden. Die Hochschulen sind darüber hinaus auch bestrebt, für die Prüfungen im Sommersemester 2020 ersatzweise andere Prüfungsformate zu finden und anzubieten.

Zur Vermeidung von Nachteilen für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs wurde auf Bundesebene eine Anpassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes eingelei- tet. Die Situation der auf befristeten Beamtenstellen geführten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und deren Qualifikationsinteressen behalten wir im Blick.

5. Wir planen die nächste Etappe und stellen die Weichen für das Wintersemester

Die Verschiebungen an den Hochschulen im Sommersemester und bei den Abiturprüfungen in mehreren Bundesländern haben auch Auswirkungen auf das kommende Wintersemester 2020/2021. Wir haben uns zwischen den Ländern auf ganz überwiegend einheitliche Lösungen sowohl für die bereits Studierenden als auch für die neuen Erstsemester verständigt.
Nach endgültiger Beschlussfassung durch die Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) (voraussichtlich am 2.6.) wird die Öffnung des DoSV-Bewerbungsportals für das Zentrale Vergabeverfahren (in den Studiengängen Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie) am 1.7. erfolgen und dessen Schließung am 20.8.(Ende der Bewerbungsfrist). Gleiches gilt für die über das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV) koordinierten Studiengänge mit örtlichen Zulassungsbeschränkungen. Das Ende der Bewerbungsfrist für die Abiturjahrgänge vor 2020 (Altabiturienten) im Zentralen Vergabeverfahren (bisher der 31.05.) verschiebt sich entsprechend. Das genaue Datum wird nach Beschlussfassung durch die SfH bekanntgegeben. Für alle Bewerbungen zum ersten Fachsemester in örtlich zulassungsbeschränkten grundständigen Studiengängen, die nicht über das DoSV koordiniert werden, wird das Ende der Bewerbungsfrist ebenfalls auf den 20.8. festgelegt. Mit dieser Regelung können alle diesjährigen Abiturienten mit ihren Noten sowie auch mit den Ergebnissen der voraussichtlich Ende Juli und Anfang August stattfindenden Eignungstests für Medizinstudiengänge am Zulassungsverfahren teilnehmen. Nähere Informationen können den Informationsangeboten der SfH und der Hochschulen entnommen werden. Damit alle Zulassungsverfahren rechtzeitig vor Beginn der Lehrveranstaltungen abgeschlossen werden können, wird der Vorlesungsbetrieb des Wintersemesters einheitlich am 2.11. beginnen. Das schließt nicht aus, dass einzelne Angebote für höhere Fachsemester, insbesondere im Interesse einer Verlängerung der Raumnutzungsmöglichkeiten unter den erforderlichen Hygienestandards, bereits früher starten. Auch insoweit informieren die Hochschulen rechtzeitig und umfassend.

Wir alle können gegenwärtig noch nicht absehen, welchen pandemiegeschuldeten Rahmenbedingungen Studium, Lehre und Forschung im Wintersemester und darüber hinaus unterliegen werden. Wir können zunächst nur hoffen, dass unser Gesundheitssystem auch weiterhin die Herausforderungen so gut bewältigen kann, wie es bisher der Fall war, und wir können und müssen im Interesse der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen unseren Beitrag dazu leisten, auch über alle Hindernisse und Schwierigkeiten hinweg.

Wir können und werden an diesen Anforderungen wachsen, gemeinsam. Bitte bleiben Sie alle gesund – und voller Tatkraft zuversichtlich!

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