Studie belegt Wirksamkeit einer neuen Psychotherapie/ Publikation in JAMA.
Für Jugendliche, die körperliche oder sexuelle Gewalt erlitten haben, gab es bisher nur wenige wissenschaftlich evaluierte Therapieansätze. Psychologen der Goethe Universität haben diese Lücke geschlossen, indem sie eine speziell auf diese Altersgruppe zugeschnittene Psychotherapie entwickelten. Deren Wirksamkeit ist nun in einer bundesweiten Studie über vier Jahre nachgewiesen worden.
Etwa vier bis 16 Prozent der Kinder erleben in westlichen Ländern körperliche Misshandlungen, bei sexuellem Missbrauch liegen diese Zahlen zwischen fünf und zehn Prozent. Die Betroffenen leiden in der Folge nicht nur an Einschränkungen in vielen Lebensbereichen, sondern haben auch ein erhöhtes Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, insbesondere an der Posttraumatischen Belastungsstörung. Diese ist mit belastenden Symptomen verbunden wie wiederkehrenden Erinnerungen, Ängsten, Schlafstörungen oder Reizbarkeit. Häufig werden Dinge und Situationen vermieden, die an das traumatische Ereignis erinnern. Eine frühe Behandlung kann jedoch helfen, Langzeitfolgen zu verhindern.
Das Team um Privatdozentin Dr. Regina Steil, Akademische Oberrätin am Institut für Psychologie der Goethe-Universität, hatte bereits 2014 eine entwicklungsangepasste kognitive Verhaltenstherapie entwickelt, die speziell auf die Situation und Bedürfnisse von Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren zugeschnitten ist. Sie umfasst 30 bis 36 Sitzungen innerhalb von vier bis fünf Monaten und unterteilt sich in vier Behandlungsphasen. Nach einer Kennenlernphase mit dem Therapeuten lernen die Jugendlichen zunächst, mit ihren Gefühlen umzugehen und Strategien für den Umgang mit Stress anzuwenden. Erst dann setzen sie sich mit ihren Gedanken und Gefühlen zum sexuellen Missbrauch und/oder die körperliche Misshandlung auseinander und gewinnen schrittweise wieder ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit.
Dass diese neue Form der Psychotherapie die psychische Belastung effektiv reduziert, ist jetzt im Rahmen einer vom Bundesforschungsministerium geförderten Studie gezeigt worden. Diese stand unter der Leitung von Prof. Rita Rosner, Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie der Katholischen Universität Eichstätt und umfasste Behandlungsstandorte in Berlin (Babette Renneberg), Frankfurt (Regina Steil) und Ingolstadt (Rita Rosner). Die ersten Ergebnisse wurden in „JAMA Psychiatry“, einer Zeitschrift der „American Medical Association“, veröffentlicht. Diese zählt weltweit zu den renommiertesten psychiatrischen Fachzeitschriften.
In der Studie erhielten die jungen Patientinnen und Patienten nach dem Zufall aufgeteilt entweder die neue Psychotherapie oder die in Deutschland derzeit übliche Versorgung. Dieser Kontrollgruppe wurde aber nach Abschluss der Studie die Möglichkeit gegeben, ebenfalls mit der neuen Therapie behandelt zu werden. Nach Ende der Therapie bzw. Wartezeit wurden die beiden Gruppen hinsichtlich ihrer psychischen Belastung verglichen. Es zeigte sich, dass die Gruppe, die die neue Therapie bekam, deutlich weniger Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufwies als die Kontrollgruppe. Aber auch andere psychische Erkrankungen, wie depressive Symptome oder die Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, gingen bei der behandelten Gruppe stärker zurück. Auch drei Monate nach Therapieende konnten diese Unterschiede beobachtet werden. „Die erfolgreiche Überprüfung der neuen Therapieform stellt einen wichtigen Schritt in der Verbesserung der Behandlungssituation von traumatisierten Jugendlichen dar“, fasst Dr. Regina Steil die Ergebnisse zusammen.
Publikation: Rosner R, Rimane E, Frick U, et al. Effect of developmentally adapted cognitive processing therapy for youth with symptoms of posttraumatic stress disorder after childhood sexual and physical abuse: a randomized clinical trial. JAMA Psychiatry. Published online April 10, 2019. doi:10.1001/jamapsychiatry.2018.4349
Informationen: Privatdozentin Dr. Regina Steil, Institut für Psychologie, Fachbereich 5, Campus Bockenheim, Tel.: (069) 798-23379 , steil@psych.uni-frankfurt.de
Quelle: Pressemitteilung vom 20. Mai 2019