Auf dem Campus Riedberg sind die naturwissenschaftlichen Disziplinen versammelt und bieten Raum für interdisziplinären Austausch. Ein Blick hinter die Kulissen des zweitgrößten Campus der Goethe-Universität.
Andreas Espig streicht mit den Händen über das Papier und breitet den Lageplan auf dem Tisch aus. Sein Blick gleitet über die gezeichnete Landschaft, die den Campus Riedberg darstellt. Blaue Rechtecke verkörpern die Gebäudeteile der Fachbereiche Biowissenschaften, Biochemie, Chemie und Pharmazie, der Physik und der Geowissenschaften. Sie alle liegen auf dem ca. 24 Hektar großen Areal nebeneinander. „Vom Chemiegebäude verläuft ein Drei-Kammer-Kanal als unterirdischer Versorgungsweg hinüber zum Biozentrum“, sagt Andreas Espig und fährt den Verlauf des Gangs mit dem Finger auf dem Plan nach.
„Der Kanal wurde in den 1970er Jahren gebaut, weil man damals schon in Betracht zog, den Campus zu erweitern. Da gab es das Biozentrum noch gar nicht.“ Der Drei-Kammer-Kanal ist nur eines der vielen verborgenen Details, in die Andreas Espig einen Einblick hat – denn hinter die Kulissen des Campus zu schauen ist quasi sein Beruf. Er ist stellvertretender Leiter des Technischen Gebäudemanagements Campus Riedberg und damit verantwortlich für die technischen Abläufe.
Diese können ganz unterschiedlich sein, denn so vielfältig die Forschung, so vielfältig auch deren Anforderungen. Die Räumlichkeiten der NMR-Spektroskopie benötigen eine konstante Raumtemperatur von 21 Grad. In den Reinräumen der Biowissenschaft muss die Umgebungsluft gefiltert werden, damit sich keine Ablagerungen auf den Gerätschaften bilden. Bei einigen Experimenten muss über eine spezielle Batterieanlage eine unterbrechungsfreie Stromversorgung garantiert werden, damit Messreihen nicht gefährdet werden.
Im eigenen Tierstall der Biowissenschaften ist in den Tierhaltungsräumen für die Untersuchungsobjekte eine bestimmte Luftfeuchtigkeit notwendig, damit den dort beherbergten Fledermäusen ein optimales Lebensumfeld geschaffen wird. „Unsere Aufgabe ist es, den technischen Rahmen zu schaffen, damit die Wissenschaftler optimal arbeiten können“, sagt Andreas Espig. Dass er in der Abstimmung dabei so eng mit den Forschern zusammenarbeitet, macht ihm an seiner Arbeit besonders großen Spaß.
„Die Anlagentechnik ist auf diesem konzentrierten Campus eng vernetzt“, sagt Andreas Espig. „Wenn ich also an einer Stelle erhöhten Bedarf habe, hat das eine Auswirkung an anderer Stelle. Die Herausforderung an unsere Arbeit ist, dass wir die Zusammenhänge abschätzen und auf die Experimente abstimmen können.“ Dies geht natürlich nur in enger Zusammenarbeit mit den Forschern, so dass die Mitarbeiter des Technischen Gebäudemanagements eng in den Forschungsalltag eingebunden sind.
Wenn man auf dem Campus zusammenarbeitet und sich kennt, kann es schon einmal geschehen, dass man auf dem kleinen Dienstweg wie etwa beim Weg zu Mensa angesprochen wird. „Da ist der Campus wie eine Teeküche, in der man sich begegnet“, sagt Andreas Espig und lacht. Dass der Campus sich zur Science City von heute entwickeln konnte, war ein über Jahre dauernder Prozess, der 1973 mit dem Bau des Gebäudes des Fachbereichs Chemie begann.
Dieser war auf dem damals als Campus Niederursel bekannten Gelände lange Zeit alleine vertreten, bis 1994 das Biozentrum errichtet wurde. Nach dem Beschluss, dass der Campus Bockenheim geräumt werden sollte, zogen nach und nach auch die anderen naturwissenschaftlichen Institute auf den Riedberg: 2005 startete der Fachbereich Physik mit dem Institut für Kernforschung, das damals auf dem Rebstockgelände angesiedelt war.
2007 kamen die Geowissenschaften dazu, 2009 die Werkstattzentrale der Fachbereiche an der Altenhöferallee, 2011 wurde schließlich das Biologicum, das Buchmann Institute for Molecular Life Sciences (BMLS) und das Otto-Stern-Zentrum mit der naturwissenschaftlichen Bereichsbibliothek und den Hörsälen bezogen. In den kommenden Jahren sollen auch die Fachbereiche Mathematik und Informatik in die Riedbergallee umsiedeln. Neben den universitären Gebäuden und zwei Studentenwohnheimen sowie zwei Kindertagesstätten sind aber auch außeruniversitäre Einrichtungen auf dem Campus.
So liegen Forschungsinstitute wie das Max-Planck-Institut für Hirnforschung und das Max-Planck-Institut für Biophysik in unmittelbarer Nachbarschaft zu den universitären Fachbereichen. Das interdisziplinär arbeitende Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ist eine von Goethe-Universität und Sponsoren finanzierte Stiftung öffentlichen Rechts, in der internationale Wissenschaftler über die Strukturbildung und Selbstorganisation komplexer Systeme arbeiten.
Direkt neben dem FIAS, im Giersch Science Center, hat HIC for FAIR seinen Sitz – Europas größtes Projekt physikalischer Grundlagenforschung. Das ebenfalls benachbarte Frankfurter Innovationszentrum Biotechnologie (FIZ) beherbergt junge Firmen der Biotechnologie-Branche und bildet eine Brücke von akademischer Forschung zur industriellen Produktion. Im FIZ ansässig ist INNOVECTIS, das Tochterunternehmen der Goethe- Universität für Innovations-Dienstleistungen, das Forscherinnen und Forscher bei der Patentierung und Vermarktung von Forschungsergebnissen unterstützt.
Hier wird Experimentieren großgeschrieben
Im Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie hofft man, dass das bereits geplante Institutsgebäude für Mathematik und Informatik nicht der letzte Neubau auf dem Campus sein wird. Ebenso wie viele andere seiner Kollegen in der Chemie hat auch Matthias Wagner, Professor am Institut für Anorganische und Analytische Chemie, einen Neubau des mittlerweile ältesten Gebäudes auf dem Riedberg schon oft gefordert. „Kurz nach meiner Berufung vor 15 Jahren hat man unsere Labore zwar oberflächlich renoviert, aber beispielsweise die Strom- und Wasserinstallationen sind im gesamten Gebäude noch immer auf dem Stand der 1970er Jahre“, sagt Matthias Wagner.
Bis man die Institute der Chemie mit einem neuen, modernen Gebäude ausstattet, müssen Wagner und seine Kollegen mit dem rund vierzig Jahre alten Bau Vorlieb nehmen – ein Zustand, der mit dem Anspruch an exzellente Forschung und Lehre nicht uneingeschränkt vereinbar ist. Beispielsweise wird die Raumluft in den Laboren zwar vorschriftsmäßig ausgetauscht, aber ohne Wärmerückführung, was die Heizkosten im Winter unnötig in die Höhe treibt.
Im Sommer führt die schlechte Isolierung des Gebäudes zu starken Hitzebelastungen mit Raumtemperaturen von über 35 Grad. Seit geraumer Zeit fehlt ein Langzeitlabor, in dem Versuche auch über Nacht laufen können, und das technisch so ausgerüstet ist, dass es den Sicherheits- und Brandschutzvorgaben genügt. Auch die Ausstattung der Chemie-Praktika sollte nach Wagners Ansicht noch besser an den steigenden Bedarf angepasst werden.
Immerhin erlaubte es eine Sonderförderung der Universität, Handschuhkästen, sogenannte glove boxes, und eine Labormikrowelle anzuschaffen, in denen empfindliche oder gefährliche Chemikalien unter Schutzgas handhabbar sind. „Unter anderem dadurch haben wir die Ausbildung in synthetischer Chemie am Institut deutlich verbessern können“, sagt Wagner. „Viele unserer Studierenden werden später in der Industrie arbeiten, da sollten sie die wichtigsten Geräte schon einmal kennengelernt haben.“
Eine adäquate Ausstattung mit Lehrmaterialien sicherzustellen ist teuer, denn neben den Geräten müssen für die Laborpraktika, die jeder Studierende absolviert, auch Chemikalien beschafft werden. Um die Kosten für die Universität zu begrenzen, wirbt das anorganisch-chemische Institut regelmäßig Spenden von Industrieunternehmen ein, die die Fachbereiche beispielsweise mit teuren Reagenzien wie Edelmetallkatalysatoren oder metallorganischen Spezialchemikalien unterstützen.
„Ohne diese Beiträge aus der Industrie wäre der Lehrbetrieb in unserem Fach auf international konkurrenzfähigem Niveau schwer möglich“, sagt Matthias Wagner, dem die Ausbildung seiner Studierenden sehr am Herzen liegt. Auch nach 15 Jahren Tätigkeit an der Goethe-Universität legt er großen Wert darauf, sich an den Einführungsveranstaltungen der Chemie zu beteiligen. „Mir ist es wichtig, die Studierenden gleich am Anfang davon zu überzeugen, dass sie das richtige Fach gewählt haben“, sagt er.
„Oft wird die Chemie als trocken und zu abstrakt empfunden. Vorlesungsexperimente können entscheidend dazu beitragen, den Lehrstoff zu illustrieren und die Zuhörer zu begeistern.“ Da Vorlesungsversuche durch den straffer gewordenen Zeitplan des Bachelor- und Mastersystems nur noch begrenzt möglich sind, hat er den experimentellen Teil der Vorlesung kurzerhand als freiwilliges Angebot auf Freitagabend verlegt. „Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass man frühzeitig den Studierenden begegnet, die am Fach besonders interessiert sind“, so Wagner.
Die praktischen Übungen im Labor sind ein entscheidender Bestandteil des Chemiestudiums. Sind die Vormittage der Studierenden den Vorlesungen gewidmet, gehören die Nachmittage in der Regel den Laborpraktika. Dabei übernehmen auch Studierende der höheren Semester die Betreuung, so wie Sven Kirschner (25). Der Doktorand entwickelt Kohlenstoff- Bor-Verbindungen als neuartige Materialien für organische Leuchtdioden. Er hat eine hochkomplexe Anlage aus ineinander verschlungenen Glasröhren aufgebaut, an der verschiedene Reaktionskolben hängen.
Dunkelt man den Raum ab und schaltet eine UV-Lampe ein, leuchtet es am Arbeitsplatz in allen Farben. Mit ihm forscht Melina Fengel (21) an ihrer Bachelorarbeit. Sie widmet sich einem Projekt, das mit dem Thema von Sven Kirschner verwandt ist, weshalb er sie bei Problemen mit seinen Erfahrungen unterstützen kann. Mit etwas Glück werden die beiden ihre Ergebnisse demnächst in einem Fachjournal veröffentlichen können. Auch Sven Kirschner profitiert von der Kooperation, da er sich auf diese Weise die Fähigkeit aneignet, Mitarbeiter anzuleiten und zu motivieren – eine Schlüsselkompetenz seines zukünftigen Berufslebens.
„Es macht mir Freude, zu erleben, wie andere an die Probleme herangehen und dabei unter Umständen auf unkonventionelle Lösungen kommen, die entscheidend weiterhelfen. Beispielsweise hat Melina zahlreiche Ideen eingebracht, die wichtige Syntheseschritte wesentlich vereinfacht haben“, erläutert Sven Kirschner. Auch Doktorand Kamil Samigullin (26) bildet mit der Masterstudentin Isabelle Georg (23) ein sehr erfolgreiches Team. Die beiden arbeiten häufig an glove boxes und Isabelle Georg profitiert dabei stark von den Erfahrungen, die sie im Rahmen des Chemie-Praktikums bereits sammeln konnte.
In den Laboren der anorganischen Chemie sind auch immer wieder Physiker anzutreffen. „Durch solche Kooperationen lernt man Leute aus anderen Fachbereichen und deren Arbeitsweise kennen“, sagt Kamil Samigullin, und freut sich, dass diese Möglichkeit besteht.
Naherholung im Wissenschaftsgarten
Der Wissenschaftsgarten, ein liebevoll gepflegtes Gelände am südwestlichen Rand des Campus, zieht nicht nur Studierende aus den Seminarräumen hinaus ins Freie, sondern erfreut sich auch bei externen Gästen wachsender Beliebtheit. Regelmäßig kommen interessierte Besucher zu Führungen durch den Garten auf den Riedberg, und auch die Kindergärten aus dem benachbarten Stadtviertel Riederwald wissen die nahgelegene Grünanlage zu schätzen. „Ich freue mich sehr, dass der Garten so gut angenommen wird“, sagt Robert Anton. „Dies zeigt, dass wir eine gute Arbeit machen.“ Robert Anton ist Landschaftsarchitekt und seit drei Jahren technischer Leiter des Wissenschaftsgartens und der Außenanlagen der Goethe-Universität. Nachdem die naturwissenschaftlichen Fächer auf den Riedberg gezogen waren, sollten auch die Pflanzen nicht länger im Westend verweilen.
Der Botanische Garten in der Siesmayerstraße wurde dem Palmengarten vermacht und die Pflanzen in das neuerrichtete Gewächshaus geholt, das nach zwei Jahren Bauzeit am 1. Juni letzten Jahres anlässlich der 100-Jahr-Feier der Universität eröffnet und mit dem neu angelegten Arzneipflanzengarten, der Streuobstwiese und der Glatthaferwiese der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Im südlichen Teil des Gartens wurden sogar ein Buchen- und ein Eichenwald angelegt.
Der „Wald der Zukunft“ ist Teil eines Forschungsprojekts am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, in dem mediterrane Eichenarten darauf getestet werden, ob sie die durch die Klimaerwärmung gefährdeten heimischen Eichen in deutschen Wäldern ersetzen könnten. Auch der Buchenwald ist Gegenstand einer Langzeitbeobachtung, in der die Symbiose zwischen Pilz und Baum untersucht wird. Anlagen wie der Arzneipflanzengarten oder die Glatthaferwiese mit ihrem Artenreichtum werden vor allem als Möglichkeit genutzt, Seminarthemen am lebenden Objekt zu verdeutlichen.
„Unsere Aufgabe ist es, die Planung des Gartens an den Bedürfnissen von Forschung und Lehre auszurichten“, sagt Robert Anton. Werden solche Bedürfnisse aus den Fachbereichen geäußert, gehen sie als Vorschlag in die Garten-Kommission ein, ein Gremium aus Vertretern des Botanischen Gartens, des Palmengartens und des Wissenschaftsgartens, die in Zusammenarbeit mit Professoren der verschiedenen Fachbereiche entscheiden, in welche Richtung der Garten weiterentwickelt werden soll.
Bislang steht gemäß Flächennutzungsplan fest, dass der südliche Trakt des Geländes entlang der Marie-Curie- Straße begrünt werden soll. „Was das Gesamtbild der Grünanlagen betrifft, arbeiten wir darauf hin, dass der Masterplan für dem Campus Riedberg sichtbar wird“, sagt Robert Anton, denn die Betreuung des Wissenschaftsgartens ist nicht seine einzige Aufgabe. In seinen Verantwortungsbereich fallen die Außenanlagen der gesamten Universität, und auf dem Riedberg ist hinsichtlich der Grünflächen noch viel zu tun.
„Als ich vor drei Jahren meine Arbeit hier aufnahm, glichen weite Teile des Geländes noch einer Mondlandschaft“, erzählt er. Seitdem hat sich viel getan. Der Wissenschaftsgarten ist errichtet und viele Baustellen konnten abgeschlossen werden. „Die größte Aufgabe wird sein, den Campus gartenarchitektonisch zusammenzuführen“, sagt Robert Anton. „Die Gebäude auf dem Gelände sind allesamt Bauunikate und sollen in Zukunft durch eine homogene Gartenlandschaft eingefasst werden.“
Kernstück der Grünanlagen soll der Campusplatz zwischen Otto-Stern-Zentrum und Biozentrum sein, der durch eine Parkanlage belebt und verschönert werden soll. All das wird aber erst passieren, wenn alle Gebäude auf dem Campus, inklusive der Neubauten für Mathematik und Informatik, errichtet worden sind. Was in diesem Herbst allerdings noch ansteht, ist die Fertigstellung der Außenanlage des Otto-Stern- Zentrums. „Es sollen vor allem die Bauzäune entfernt werden, damit die Terrassen genutzt werden können“, sagt Robert Anton. „Was die Begrünung des Campus angeht, sind wird dran. Aber die Natur braucht eben ihre Zeit.“ [Autorin: Melanie Gärtner]
[dt_call_to_action content_size=”small” background=”plain” line=”true” style=”1″ animation=”fadeIn”]
Dieser Artikel ist in der Ausgabe (6-15) des UniReport erschienen: [PDF-Download]
[/dt_call_to_action]