Astronomisch groß und mikroskopisch klein

Das Clusterprojekt ELEMENTS auf der Suche nach unserem Gold

Die Entstehung der schweren Elemente im Universum lässt sich nur aus verschiedenen Blickwinkeln verstehen: Im Leuchtturmprojekt ELEMENTS gehen deshalb Theorie und Praxis Hand in Hand. Durch die Kooperation der Rhein-Main-Universitäten ergänzen sich Theoretiker und Experimentatoren ideal. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung und der Justus-Liebig-Universität Gießen sind beteiligt, um Antworten auf die Frage zu finden, wie schwere Elemente im Universum entstehen.

Kernfusion, Kollisionen, Kilonovae …, es sind gewaltige Phänomene, mit denen sich die rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Clusterprojekt ELEMENTS auseinandersetzen – im Großen wie im Kleinen. Auf der Suche nach dem Ursprung schwerer Elemente, wie etwa Gold und Platin, müssen sie sowohl ins weite Universum als auch hinein in winzige Atomkerne schauen.

Auf den Spuren schwerer Elemente

Doch von vorne: Elemente, die schwerer sind als Eisen, können nicht mehr in den als kosmische Brennöfen fungierenden Sternen, wie auch unsere Sonne einer ist, produziert werden. Vereinfacht ausgedrückt liegt das daran, dass die Fusion von Eisenkernen mehr Energie verbraucht, als dabei freigesetzt wird. Durch die fehlende Energie in seinem Inneren beginnt der Stern unter seiner eigenen Schwerkraft zusammenzusacken und explodiert schließlich als Supernova. Bei sehr massereichen Sternen wird die Materie im Kern so dicht komprimiert, dass dort Elektronen mit Protonen verschmelzen und Neutronen bilden. So entsteht ein extrem dichter und kompakter Neutronenstern, sozusagen der kleine Bruder eines Schwarzen Lochs. Diese Objekte sind so gewaltig, dass sie trotz ihrer – astronomisch gesehenen – winzigen Größe von nur etwas mehr als 20 km Durchmesser bis zu doppelt so viel Masse haben können wie unsere Sonne und von der Erde aus in Form eines sogenannten Pulsars sichtbar sind.

Und woher kommt nun unser Gold? Dafür braucht es noch einen zweiten dieser spektakulären Himmelskörper: Wenn zwei Neutronensterne einander zu nahkommen, kreisen sie wegen ihrer starken Anziehungskraft umeinander. Irgendwann verschmelzen sie miteinander in einer katastrophalen Kollision und lassen eine hell leuchtende Kilonova entstehen. In diesem Prozess liegt der Schlüssel zu den schweren Elementen versteckt, da diese nur unter solch extremen Bedingungen in der Natur gebildet werden. Was genau dort vor sich geht, ist im Detail jedoch noch unklar. Erklärtes Ziel von ELEMENTS ist es, das herauszufinden.

Mathematischer Blick ins All

Damit das gelingen kann, braucht es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen der Physik und komplementäre Herangehensweisen. So nähert sich etwa die Arbeitsgruppe um ELEMENTS-Sprecher Luciano Rezzolla am Institut für Theoretische Physik der Goethe-Uni dem Problem – oder vielmehr den Problemen – mathematisch an. Basierend auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie errechnet sie zahlreiche Modelle, die die Vorgänge in Neutronensternen simulieren. Dabei spielt die ungeheure Anziehungskraft der Neutronensterne eine zentrale Rolle. »Binäre Systeme verschmelzender Neutronensterne sind starke Quellen von Gravitationswellen und elektromagnetischer Strahlung, die sehr genaue Informationen über die makroskopischen Eigenschaften dieser Objekte liefern können«, erklärt Rezzolla. »Mithilfe fortschrittlicher numerischer Simulationen zur Lösung komplexer Gleichungssysteme können wir diese Signale vorhersagen und sie mit tatsächlichen astronomischen Beobachtungen vergleichen. Indem wir die Multi-Messenger-Natur dieser Signale ausnutzen, sind wir nun endlich in der Lage, unsere Modelle zu verfeinern und seit Jahrzehnten unbeantwortete Fragen wie ‚Wie wird Gold im Universum produziert?‘ zu beantworten.«

Blick in die Beschleunigerhalle des S-DALINAC an der TU Darmstadt

Experimente mit kleinsten Teilchen

Im Gegensatz dazu wird am Institut für Kernphysik an der Technischen Universität Darmstadt experimentell an der Elemententstehung geforscht. »Wir untersuchen, wie der Erzeugungsprozess allerschwerster Elemente auch in Neutronensternkollisionen zum Erliegen kommt, wenn die Elemente, die schwerer sind als Uran, schneller spalten, als sie durch weitere Neutroneneinfänge wachsen können«, erläutert Co-Sprecher Norbert Pietralla. »Dazu möchten wir unsere Experimente in Zukunft auf Kernspaltungsvorgänge in Plutonium und noch schwereren Elementen ausdehnen.«

Im hauseigenen Teilchenbeschleuniger S-DALINAC (Superconducting Darmstadt LINear ACcelerator) werden Elektronen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und auf die Atomkerne schwerer Elemente geschossen sodass diese gespalten werden. Die dabei entstehenden Fragmente können Aufschluss darüber geben, wie die Spaltprozesse von in Neutronensternkollisionen gebildeten, sehr schweren Atomkernen ablaufen und so dazu beitragen, die Erzeugung der uns umgebenden Natur und ihrer Elemente zu verstehen.

So können die Experimente die Annahmen der Theoretikerinnen und Theoretiker untermauern. Umgekehrt sind die Praktiker immer wieder auf Berechnungen und Simulationen aus Frankfurt angewiesen, um die gemessenen Daten erklären zu können.

Kollegiale Kooperation

Insgesamt arbeiten bei ELEMENTS rund 20 Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Aspekten dieser komplexen Prozesse. Um bei den vielen Forschungsprojekten optimal miteinander zu kooperieren, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in vier interdisziplinären, institutsübergreifenden Arbeitsbereichen organisiert, die sich regelmäßig online treffen. Auch das Projektteam ist überregional unterwegs. So gibt es nicht nur eine Projektleitung mit Assistenz, sondern auch Referentinnen für Forschungsdatenmanagement, Gleichstellung und Wissenschaftskommunikation, die exklusiv für das Cluster tätig sind. Möglich macht dies die Förderung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, das ELEMENTS in Vorbereitung auf die Exzellenzstrategie des Bundes seit 2021 finanziert. Nach zwei Jahren intensiver Vorbereitung wurde der Vorantrag Ende Mai dieses Jahres bei der Deutschen Forschungsgesellschaft eingereicht. Jetzt heißt es Daumen drücken.

Autorin: Phyllis Mania; Bild 1: Luciano Rezzolla; Bild 2: Klaus Mai, TU DA

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