Zwischen Wüstensand und Korallenriff

Frankfurter Studierende erforschen das Leben am Roten Meer

Foto: Mohamed El Ghary, Pharao Dive Club; Stefan Wanke, Mathis Preikschardt

Im April verließen 19 Studierende der Goethe-Universität für zwei Wochen die Universität,um Seminarräume gegen Küsten, Riffe und Wüstenlandschaften einzutauschen. Unter der gleißenden Sonne Ägyptens untersuchten sie Pflanzen, Tiere und Lebensräume, die in keinem Lehrbuch vollständig erfasst sind. Zwischen Mangrovenwäldern und Korallenriffen wurde aus theoretischem Wissen gelebte Wissenschaft und aus Beobachtung Verständnis.

Expeditionen sind wie ein lebendiges Lehrbuch: Arten bestimmen, Lebensräume dokumentieren – im Wasser wie an Land erforschten die Studierenden das Leben dort, wo es sich in größter Vielfalt zeigt und zugleich am empfindlichsten reagiert. Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Wanke vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität erlebten die Studierenden Forschung in all ihren Facetten. »Diese Exkursion bietet etwas, was kein Hörsaal der Welt ersetzen kann: das unmittelbare Erleben von Biodiversität«, betont Prof. Dr. Stefan Wanke, der gleichzeitig die Abteilung Botanik und Molekulare Evolutionsforschung am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt leitet. Erkenntnis treffe Erfahrung, Forschung werde greifbar.

Erforschen, Verstehen, Schützen

Während ihrer Tauchgänge im Roten Meer untersuchten die Studierenden Korallen, Fische und Wirbellose, kartierten kleinere Riffabschnitte und hielten ihre Beobachtungen in digitalen Logbüchern fest. »Als ich das erste Mal untergetaucht bin, war ich völlig überwältigt «, erzählt Nora Kreher, Studentin der Biowissenschaften. »Zwischen den Korallen zu schweben und die Fische aus nächster Nähe zu beobachten, hat mir die Bedeutung der Artenvielfalt auf einer ganz neuen Ebene vor Augen geführt. «

Foto: Mohamed El Ghary, Pharao Dive Club; Stefan Wanke, Mathis Preikschardt

Auch an Land wurde geforscht: In den Küstenregionen und Wüstenoasen stand die Vegetation im Fokus, insbesondere ihre Anpassung an extreme Umweltbedingungen, ihre ökologische Rolle und ihr Beitrag zu den lokalen Ökosystemen. Eine besondere Erfahrung war die Müllsammelaktion in den Mangrovenwäldern, die Forschung und Umweltbewusstsein auf unmittelbare Weise verband. »Wir wollten nicht nur beobachten, sondern auch etwas bewirken «, berichtet Franziska Rode, Masterstudentin Umweltwissenschaften. »Die Aktion hat uns gezeigt, wie verletzlich diese Lebensräume sind und dass wissenschaftliche Arbeit Verantwortung einschließt.« Diese praktischen Naturschutzaktivitäten ergänzten die wissenschaftlichen Untersuchungen und sensibilisierten die Studierenden für aktuelle Umweltprobleme.

Zwischen Tradition und moderner Wissenschaft

Die Exkursion steht in einer langen wissenschaftlichen Tradition: Bereits im 19. Jahrhundert erforschte der Naturforscher Eduard Rüppell im Auftrag der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft die Fauna und Flora Ägyptens und des Roten Meeres. Seine Sammlungen trugen zu den zoologischen und botanischen Beständen des heutigen Senckenberg-Forschungsinstitutes und Museums bei. Somit wandelten die Studierenden bei ihrer Exkursion in gewisser Weise auf Rüppels Pfaden.

Foto: Mohamed El Ghary, Pharao Dive Club; Stefan Wanke, Mathis Preikschardt

Die Professur »Biodiversität und molekulare Evolution der Blütenpflanzen« unter der Leitung von Prof. Wanke, eine gemeinsame Berufung von Senckenberg und der Goethe-Universität, setzt diese enge Verbindung von Forschung und Lehre unmittelbar um. Exkursionen wie diese vermitteln den Studierenden praxisnahe Einblicke und bereiten sie auf ihre künftige Arbeit als Biologen vor, welche immer interdisziplinärer wird.

Foto: Mohamed El Ghary, Pharao Dive Club; Stefan Wanke, Mathis Preikschardt

Forschung ist immer auch Verantwortung

Die gesammelten Beobachtungen und Datensätze fließen in ein Archiv ein, welches seit der ersten Exkursion 2007 gepflegt wird. Dieses bietet die Möglichkeit zur langfristigen Analyse ökologischer Veränderungen, vor allem des »Hausriffs«. In Zeiten des Klimawandels gewinnen umfassende Datensätze eine besondere Bedeutung, denn sie ermöglichen ein genaues Verständnis dafür, wie rasch sich Lebensräume wandeln und welche Folgen diese Entwicklungen nach sich ziehen. Zugleich wird deutlich, dass wissenschaftliche Arbeit untrennbar mit Verantwortung verbunden ist: Wer Veränderungen dokumentiert und bewertet, trägt dazu bei, Grundlagen für nachhaltige Entscheidungen und wirksamen Schutz der Umwelt zu schaffen. Durch die Verbindung von Feldarbeit, Artenbestimmung und Umweltschutzaktivitäten konnten die Studierenden Biodiversität als komplexes, dynamisches System begreifen und zugleich die gesellschaftliche Relevanz biologischer Forschung erkennen. »Feldforschung vermittelt nicht nur Wissen, sondern auch Haltung«, fasst Wanke zusammen. »Unsere Studierenden erleben, was Wissenschaft im Kern ausmacht: Neugier, Verantwortung und Teamgeist.«

So schließt sich ein Kreis: Von den Expeditionen Rüppels im 19. Jahrhundert bis zu den heutigen Forschungsreisen bleibt das Rote Meer ein Ort, an dem Wissenschaft, Geschichte und Zukunft aufeinandertreffen.

Autorin: Heike Jüngst

Gemeinsam Potenziale entfalten / Mit ermöglicht wurde diese außergewöhnliche wissenschaftliche Exkursion durch die Unterstützung der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität. Auch 2025 unterstützte sie gezielt junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Über ihr Förderprogramm werden rund 200 Forschungs-, Sozial- und Kulturprojekte ermöglicht. Finanziert aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen flossen dabei alleine im Vorjahr ca. 1,7 Mio. Euro direkt an die Universität.

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