Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen neuen Transregio-Sonderforschungsbereich (SFB-TR) bewilligt, in dem Physiker der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität Bielefeld und der Technischen Universität Darmstadt gemeinsam „stark-wechselwirkende Materie unter extremen Bedingungen“ erforschen wollen. Dafür hatten die Forscher für die nächsten vier Jahre rund 8 Millionen Euro beantragt. Sprecher des neuen Forschungsverbunds, der in der Kooperation mit der TU Darmstadt auch die Ende 2015 ins Leben gerufene Strategische Allianz der Rhein-Main-Universitäten (RMU) stärkt, ist der Frankfurter Physiker Prof. Dirk Rischke.
Mit „extremen Bedingungen“ sind hohe Temperaturen und Dichten gemeint, wie sie z.B. in der ersten Millionstel Sekunde nach dem Urknall vorlagen: Einige Billionen Grad Celsius (das ist hunderttausendmal heißer als das Innere unserer Sonne) sowie das Mehrfache der in Atomkernen erreichten Dichte (mehrere 100 Millionen Tonnen pro Kubikzentimeter). Unter diesen Bedingungen ist Materie von der so genannten starken Wechselwirkung dominiert. Das ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie ist u.a. für den Aufbau der Atomkerne aus Protonen und Neutronen und für deren innere Struktur aus Quarks und Gluonen verantwortlich.
Unter extremen Bedingungen bildet stark-wechselwirkende Materie neuartige Zustandsformen aus, vergleichbar mit den verschiedenen Aggregatzuständen des Wassers als Eis, Flüssigkeit und Gas. Während dies an großen Teilchenbeschleunigern wie dem LHC am CERN in Genf und in Zukunft an FAIR in Darmstadt experimentell untersucht wird, will der neue SFB-TR die Thematik von theoretischer Seite her beleuchten.
In 14 Teilprojekten sollen hier die fundamentalen Eigenschaften stark-wechselwirkender Materie untersucht und auf die Physik im frühen Universum und in Schwerionen-Experimenten angewendet werden. Erklärtes Ziel ist es dabei, möglichst direkt von der fundamentalen Theorie der starken Wechselwirkung, der Quantenchromodynamik (QCD), auszugehen. Diese Theorie, für deren Erforschung es schon mehrere Nobel-Preise gab, ist seit über 40 Jahren bekannt. Dennoch hat es sich vielfach als schwierig erwiesen, im Rahmen der QCD konkrete Vorhersagen zu machen. Insbesondere die Eigenschaften makroskopischer Ansammlungen stark-wechselwirkender Teilchen bei hohen Temperaturen und Dichten konnten noch nicht zufriedenstellend aus der QCD abgeleitet werden.
Einzigartig am neuen SFB-TR ist die Kombination von analytisch basierten Methoden mit aufwändigen numerischen Simulationen auf Höchstleistungs-Supercomputern („Gitter-QCD“). „Dies geschieht in enger Zusammenarbeit, so dass wir die Stärken der jeweiligen Zugänge und die unterschiedlichen Expertisen an den drei Standorten optimal ausnutzen“, betont der Sprecher des SFB-TR, Prof. Dirk Rischke von der Goethe-Universität Frankfurt. Prof. Jochen Wambach von der TU Darmstadt, zusammen mit Prof. Frithjof Karsch von der Universität Bielefeld Rischkes Stellvertreter, ergänzt: „Viele von uns kennen sich schon lange und haben auch früher erfolgreich zusammengearbeitet. Der Transregio stellt diese Kooperation aber auf eine völlig neue Stufe.“
Die gleichberechtigte Zusammenarbeit der drei Partneruniversitäten wird dadurch unterstrichen, dass bereits jetzt vereinbart wurde, die Sprecherschaft des SFB-TR nach jeder Förderperiode bei erfolgreicher Verlängerung rotieren zu lassen. „Die komplexen theoretischen Fragestellungen sowie die derzeit stattfindenden und bereits geplanten Experimente in diesem auch international äußerst aktiven Forschungsgebiet werden in dem kommenden Jahrzehnt Anregungen für vielfältige Forschungsprojekte geben“, sagt Karsch. „Wir sind daher davon überzeugt, die maximale Laufzeit eines SFBs von zwölf Jahren mit interessanten Projekten ausfüllen zu können“, sind sich Rischke, Karsch und Wambach einig.
SFB in der Medizin verlängert
Verlängert wurde ein Sonderforschungsbereich aus der Medizin. Im SFB 1039 „Krankheitsrelevante Signaltransduktion durch Fettsäurederivate und Sphingolipide“ untersuchen die Forscher, welche Bedeutung Lipide (Fettmoleküle) als Signalmoleküle haben und wie sie an Krankheitsprozessen beteiligt sind. Somit kann die Kooperation der Goethe-Universität mit dem Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim in den kommenden vier Jahren fortgesetzt werden.
Zahlreiche Befunde der letzten Jahre weisen darauf hin, dass Störungen des Fettstoffwechsels an der Entstehung und dem Fortschreiten von Erkrankungen wie Arteriosklerose, Diabetes, Krebs, Entzündungen, Schmerz und neurodegenerativen Erkrankungen beteiligt sind. Sie bieten sich deshalb als pharmakologische Zielstrukturen an.
In der ersten Förderperiode konzentrierten sich die Forscher darauf, Synthese- und Abbauwege von Molekülen zu untersuchen, die in den gesunden sowie den gestörten Fettstoffwechsel eingreifen. Diese sogenannten Lipidmediatoren sollen nun in der zweiten Förderperiode in Bezug auf bestimmte Erkrankungen wie akute und chronische Entzündungen, Schmerz oder der Tumorentwicklung untersucht werden. „Wir wollen die Forschung in Richtung der funktionellen Konsequenzen sowie der diagnostischen und therapeutischen Umsetzung, experimentell wie klinisch, vorantreiben“, so Prof. Josef Pfeilschifter, Sprecher des SFBs.
Quelle: Pressemitteilung vom 26. Mai 2017