Archäologie: Ertragreiche Exkursion im Oman

Die Archäologin Stephanie Döpper hat im Rahmen eines DFG-Projektes mit Studierenden auf der Arabischen Halbinsel nach Objekten von der Steinzeit bis heute gesucht.

Mitte Februar ging es los: Stephanie Döpper, Archäologin an der Goethe-Universität, brach mit zehn Studierenden und zwei Promovierenden zu einer mehrwöchigen Feldkampagne auf. Ziel der Reise war der 5000 Jahre alte Fundort Al-Khashbah im Sultanat Oman. Dort befinden sich die ältesten Monumentalgebäude sowie die ältesten Nachweise für intensive Kupferverarbeitung im Oman. Idee der Exkursion war, das Umfeld dieses frühen Zentrums zu untersuchen, um Aufschlüsse über die Siedlungsstrukturen der damaligen Zeit zu gewinnen. Die ursprünglich auf acht Wochen angelegte Reise musste dann doch frühzeitig abgebrochen werden – der Ausbruch der Corona-Pandemie machte dies erforderlich. Doch mit 20000 Funden war die Feldkampagne höchst erfolgreich, Stephanie Döpper hofft, im nächsten Frühjahr die Arbeit dort fortsetzen zu können.

Blick auf den Boden

Studierende beim »archäologischen Survey«.

Bei archäologischen Exkursionen denkt der Laie direkt an aufwendige Grabungen. Doch im Oman ging das Team von Stephanie Döpper anders zu Werke: Der „archäologische Survey“ bestand darin, Nord-Süd-verlaufende Bahnen in einem Abstand von 2 km zueinander in einem ca. 30 x 30 km großen Gebiet zu Fuß abzulaufen. Jeweils vier Studierende laufen dabei nebeneinander her und schauen ständig auf den Boden, um alle möglichen archäologischen Objekte zu entdecken. Stephanie Döpper erklärt, dass diese Vorgehensweise mit der Beschaffenheit der Landschaft zu tun hat: „Es gibt in diesem extrem trockenen und heißen Klima nahezu keine Bodenbildung, wie wir es aus Europa kennen. Dafür fehlen weitgehend Pflanzen. Während bei uns absterbende Pflanzen eine Bodenschicht bilden, unter der Gebäude und Gegenstände im Laufe der Zeit quasi ‚begraben‘ werden, fehlt dieser Prozess in einem Land wie dem Oman.“ Das bedeutet im Prinzip, dass der Besucher heute die gleiche Oberfläche vorfindet wie vor 5000 Jahren. Die menschlichen Hinterlassenschaften können also einfach vom Boden aufgelesen werden; Erosion zum einen, Siedlungsaktivitäten zum anderen können natürlich dazu beitragen, dass nicht alle Objekte die Zeit überstehen. Was wurde denn nun gefunden? Zu 90 Prozent handelt es sich um Keramikscherben, aber auch Pfeilspitzen und Schmuck konnten aufgelesen werden. Grundsätzlich werden die Funde vor Ort bearbeitet, das heißt gereinigt, dokumentiert und beschrieben. Dies war in diesem Jahr allerdings wegen des vorzeitigen Abbruchs der Kampagne nicht mehr möglich, erklärt Stephanie Döpper. Man konnte schließlich den Behörden nur die Funde in Kisten verpackt übergeben.

Vermittlung auch im Supermarkt

Besucher der Ausstellung im Al-Khubayb Castle.

Dass prinzipiell all das, was die Archäologen vor Ort finden, im Ursprungsland verbleibt, ist im Unterschied zu früheren Praktiken ganz normal, unterstreicht Döpper; lediglich Proben darf man für die weitere Analyse mit an die heimische Universität nehmen. Archäologie, so wie sie Stephanie Döpper versteht, agiert nicht im akademischen Elfenbeinturm. Vermittlung des über die Funde zusammengetragenen Wissens wird großgeschrieben, so auch im Oman. Auf sehr großes Interesse bei der Bevölkerung stieß eine Ausstellung im Al-Khubayb Castle, die Anfang März stattfand und nun auch als Online-Ausstellung für alle zugänglich ist. Eine weitere, niedrigschwellige Präsentation der Funde in einem Supermarkt – der Oman ist in vielerlei Hinsicht ein sehr westlich orientierter Staat – musste hingegen Corona-bedingt nach kurzer Zeit wieder geschlossen werden. Bei den die Ausstellung begleitenden Vorträgen musste man noch lernen, die kulturellen und sozialen Eigenheiten zu berücksichtigen, erzählt Stephanie Döpper: Bei den normalen Einladungen kamen anfangs nur Männer, also lud man die Frauen zu separaten Vortragsabenden ein.

Studentenleben auf der Exkursion

Unterkunft bot dem Archäologen-Team ein großes, modernes Haus in einem kleinen Dorf des Untersuchungsgebiets, wo alle zusammen wohnten und arbeiteten. Für die Verpflegung waren die Studierenden selbst verantwortlich – sie kümmerten sich um den Einkauf in der nächstgelegenen größeren Stadt in einem modernen „Hypermarkt“. Gekocht wurde in wechselnden Teams. Die Tage waren lang, es wurde von Sonnenaufgang bis zum Mittagessen draußen im Feld gearbeitet. Die Nachmittage, nach einer längeren Mittagspause, waren dann der Fundbearbeitung gewidmet: Datenbankeingaben, waschen, zeichnen, fotografieren, verpacken und diesmal vor allem auch das Vorbereiten von ausreichend Tüten für den nächsten Tag. Der Freitag war dann frei, orientiert am islamischen Wochenende. Dies wurde von den Studierenden genutzt für Ausflüge in der Region, in die Wüste, zum Baden oder aber auch zum Shoppen in die Mall nach Nizwa.

Was hat die Studierenden nachhaltig beeindruckt? Katharina Koch fand besonders bereichernd, dass sich auch die einheimische Bevölkerung für die Arbeit der Frankfurter Archäologen interessierte. „Vor allem, dass wir dort auf eine so große Offenheit und Gastfreundschaft getroffen sind. In diesem Ausmaß habe ich das selten bis nie in Deutschland erlebt. Wir wurden häufig eingeladen oder Menschen brachten uns einfach so Frühstück oder Datteln zur Arbeit, uns wurde immer ehrliches Interesse entgegengebracht.“ Auch für ihre Kommilitonin Tamara Schneider war die diesjährige Kampagne eine sehr interessante Erfahrung, vor allem wegen der Fülle an Funden im Lesesurvey trotz des wegen Corona verkürzten Aufenthalts. Sie betont: „Da ich in dieser Kampagne zum ersten Mal Verantwortung für eines der Surveyteams übernehmen durfte und somit zum ersten Mal die Leitung eines Teams innehatte, war dies wohl die größte Herausforderung für mich.“ Sie hofft, dass sie in der folgenden Kampagne 2021 daran anknüpfen kann.

Dirk Frank

Hier geht es zur virtuellen Ausstellung im Al-Khubayb Castle.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 4.20 des UniReport erschienen.

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