Mehr als 150 führende Forscher treffen sich vom 5. bis 8. März auf dem Campus Westend zu einer der wichtigsten Klimaforschungs-Konferenzen im deutschsprachigen Raum. Themen sind aktuelle Fragen zur globalen Erwärmung und die neuesten Ergebnisse der Fernerkundung.
Unter Fernerkundung fallen Messdaten, die per Satelliten, von Flugzeugen oder vom Boden z.B. mit Radar und Laser gewonnen werden. Sie bieten der Wissenschaft eine nie dagewesene Fülle von Informationen über den Zustand unseres Planeten, die es erlaubt, Zusammenhänge in unserer Atmosphäre sowie das globale Klimasystem zu verstehen und zukünftige Entwicklungen genauer abschätzen zu können. Auch die Planung von geeigneten Maßnahmen zum Erhalt des Erdsystems wird dadurch erleichtert.
Klimarelevante Emissionen sind nun weltweit sichtbar
„Nur mit Hilfe der Fernerkundung können die wesentlichen Lücken der klassischen Beobachtungsmethoden geschlossen werden.“, so Gudrun Rosenhagen, Zweite Vorsitzende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG). Ihrer Einschätzung nach waren die Erkenntnisse aus der Fernerkundung noch nie so groß wie heute: „Mit den gewonnen Daten ergibt sich eine fast lückenlose Beobachtung unseres Planeten. Wesentliche Verursacher von Emissionen sind aus dem Weltall erkennbar. Hierzu zählen die natürlichen Methanquellen ebenso, wie die Emissionen von Fabriken und Schiffen. Die Fernerkundung ist das zentrale Instrument der Beobachtung unseres Klimasystems in fast allen Bereichen geworden.”
Blitz- und Hagelschlag in Hessen
Prof. Dr. Bodo Ahrens vom Institut für Atmosphäre und Umwelt der Goethe-Universität erforscht die Häufigkeit und Intensität von kleinräumigen Wetterextremen wie Starkniederschlägen, Hagel- und Blitzschlag. Heute stehen Fernerkundungsdatensätze für hochaufgelöste Klimaänderungsmodellsimulationen zur Verfügung. Zwar gibt es noch keine endgültigen Resultate, aber in der Tendenz werden Blitz- und Hagelschlag künftig in Hessen weniger häufig auftreten, wie Ahrens auf der Pressekonferenz zum Auftakt der Klimatagung berichtete.
Klimatologisch relevante Fernerkundungsdatensätze sind auch eine neue Chance aber auch eine neue Herausforderung in der universitären Lehre: einerseits ermöglichen die neuen Datensätze anschauliche bewegte Bilder der Atmosphäre, wie sonst nur mit Modellsimulationen möglich sind, andererseits ist das Lehrspektrum und der technische Aufwand in der Lehre deutlich gestiegen. Ahrens forderte deshalb, die Forschungsförderung im Bereich der Fernerkundung für die Klimatologie zu intensivieren.
Die Waldgrenze wandert nach Norden
Zu den bisher wenig beachteten Daten, die mit Satellitenbeobachtungen gewonnen werden, zählen auch Daten der belebten Umwelt mit ihren verschiedenen Lebensräumen, der Biosphäre. Dieser Lebensraum stellt eine Schlüsselkomponente des Klimasystems dar. In den vergangenen 50 Jahren hat die starke Beschleunigung aller möglichen klimatischen Entwicklungen (von der Zunahme der Treibhausgase bis zum Abschmelzen von Gletschern und Polkappen) dazu geführt, dass die Aussterberate von Tieren, Pflanzen und Insekten um den Faktor 100 bis 1000 zugenommen hat. Das führt auch zu einem Verlust der Ökosystem-Dienstleistungen – beispielsweise der Bestäubung von Blüten durch Insekten.
Durch die Erkundung mit Satelliten lassen sich hier in bisher nicht da gewesener Vollständigkeit Aussagen über die Entwicklung ableiten. „Die Beobachtung der Biosphäre durch Fernerkundung ist heute entscheidend für die Analyse des laufenden Verlustes von Wäldern und biologischer Vielfalt. So sehen wir erstmalig lückenlos, wie die Pflanzenwelt im globalen Maßstab auf die globale Erwärmung reagiert. Wir schätzen die Entwicklung heute anders ein, als noch vor 20 oder 30 Jahren“, so Prof. Dr. Dr. hc. Volker Mosbrugger. Generaldirektor, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung.
Als Beispiele nennt Mosbrugger das „Sahara Greening“ oder ein Vordringen der arktischen und alpinen Baumgrenze. Wichtig sei die Fernerkundung aber auch für das Geo-Engineering, was bedeutet, die Folgen von einschneidenden Veränderungen wie den Bau des Nicaragua-Kanals für das Erdsystem abschätzen zu können.
„Wenn man die Erde als Patienten sieht, dann ist die Fernerkundung ein sehr genaues System für die Diagnose, das uns erlaubt, auch die Konsequenzen von Eingriffen vorher abschätzen zu können“, so Mosbrugger.
Pinguine, Gletscher und der Meeresspiegel
In der Antarktis konnten Auswertungen von Satellitendaten die Auswirkungen des Klimawandels auf das marine Ökosystem des Südozeans zeigen. Hierzu wurden u.a. mit Hilfe der Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2 Pinguinpopulationen ausgezählt und verfolgt, die als Indikator für mögliche klimabedingte Veränderungen verwendet werden können.
Gletscher reagieren auf die globale Erwärmung. Satellitendaten zeigen, dass sich über 80 Prozent der weltweiten Gletscher zurückziehen. „Sie sind aber nicht nur ein wesentlicher Faktor im Klimasystem, sie fungieren auch als Trinkwasserreservoire für große Teile der Menschheit. Ihr Rückzug während des vergangenen Jahrhunderts ist nicht nur ein Zeichen für den stattfindenden Klimawandel und beeinflusst den globalen Meeresspiegelanstieg, sondern wirkt sich auch entscheidend auf regionale Wasserkreisläufe aus“, so Rosenhagen. Mit Satellitendaten können vorhandene Lücken im umfangreichen internationalen historischen Datenbestand geschlossen werden, der im Rahmen des Forschungsprojektes „Global Terrestrial Network for Glaciers“ (GTN-G) aufgearbeitet wird.
Bis in die 1990iger Jahre waren Pegeldaten die weltweit die einzige Grundlage für die Bestimmung des Meeresspiegels. Heute kann man mit Satellitendaten flächendeckend die Änderungen des Meeresspiegels abschätzen. Im Pazifik steigt er teilweise über 1,2 Zentimetern pro Jahr an, was von höchster Relevanz für die Abschätzung der zukünftigen Existenz zahlreicher Inseln in dieser Region ist. Doch gibt es auch Meeresbereiche mit nur sehr geringem Anstieg oder sogar leicht abnehmender Tendenz.
Klima-Monitoring mit höchster Präzision
Dr. Paul Becker, Vizepräsident Deutscher Wetterdienst: „Sowohl Radardaten als auch Satellitenbeobachtungen ergänzen die Messungen vor Ort und stellen so eine wesentliche Grundlage für die Verbesserung der Wettervorhersage dar. In Regionen mit nur einer geringen Dichte an Wetterstationen sind Fernerkundungsdaten mit Abstand die wichtigste Informationsquelle.“ Niederschlag, ob Regen oder Schnee, ist eine der wichtigsten Komponenten in unserem Klimasystem. Da er räumlich und zeitlich sehr stark schwankt, ist er mit Messstationen nur punktuell, aber nicht flächendeckend messbar. Becker: „Der Deutsche Wetterdienst liefert seit 2001 deutschlandweite Analysen des Niederschlags mit einer raum-zeitlichen Auflösung von einem Quadratkilometer und einer Stunde. Diese Messungen wurden an die direkten Messungen automatischer Regenmesser der Wetterstationen angeeicht, sodass wir heute einen besseren Überblick über die räumliche Verteilung und Intensität des Niederschlags haben, als jemals zuvor.“
40 Jahre europäische Satellitenbeobachtungen
EUMETSAT ist von seinen 30 Mitgliedstaaten beauftragt, einen Beitrag zur operationellen Klimaüberwachung inklusive der Analyse globaler Klimaveränderungen zu leisten.
„Dank Daten aus 40 Jahren der Beobachtung durch europäische Satelliten, kann EUMETSAT einen einzigartigen Beitrag zur Klimaforschung und wissenschaftlich basierten Überwachung des Klimawandels erbringen“, so Alain Ratier, Generaldirektor EUMETSAT. „EUMETSAT erreicht bereits heute einen Anteil von 26 Prozent an den weltweit aus Satellitenbeobachtungen bestehenden Klimadatensätzen, die von Weltraumbehörden erstellt wurden oder in der nahen Zukunft zur Verfügung stehen werden. Um der Wissenschaft validierte Klimadatensätze zur Verfügung zu stellen, werden historische Daten durch Rekalibration verbessert und durch kontrolliertes Prozessieren aufbereitet. Diese Datensätze werden dann für Analysen der Klimavariabilität und des Klimawandels eingesetzt. Das Satellitendatenauswertungszentrum für Klimaüberwachung, das vom DWD angeführt wird, leistet einen großen und sehr wichtigen Beitrag auf diesem Gebiet“.
Bis zum 8. März 2018 dauert die 11. Deutsche Klimatagung an, die von der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) dieses Jahr mit der Goethe Universität Frankfurt als lokalem Veranstalter veranstaltet wird.
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Die Deutsche Klimatagung (DKT) wurde 1989 als Deutsch-Deutsche Klimatagung von Prof. Hans von Storch (damals am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg) und prof. Hans Graf (damals an der Humboldt-Universität in Berlin) ins Leben gerufen, um den Austausch zwischen Klimaforschern aus Ost und West zu fördern. Im Laufe der Jahre setzte die DKT immer wieder neue Akzente in der Klimaforschung und ist zur erfolgreichen Institution geworden. Die DKT ist seit 2013 eine Veranstaltung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und wird alle drei Jahre zusammen mit einem lokalen Gastgeber durchgeführt.
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