Die Scharfmacher: Wie dendritische Zellen das Immunsystem aktivieren

Forscher:innen von Goethe-Universität, Max von Pettenkofer-Institut und Medizinischer Hochschule Hannover klären die molekularen Mitspieler des MHC-I-Beladekomplexes auf

Dendritische Zellen (pink) aktivieren T-Zellen (türkis), indem sie ihnen zum Beispiel Virusfragmente präsentieren. Einzelheiten des Präsentationsvorgangs konnten jetzt Forscher:innen der Goethe-Universität gemeinsam mit Partnern aufklären. Illustration: shutterstock / Design_Cells

Als Teil des Immunsystems sind dendritische Zellen essenziell für die Bekämpfung von virusinfizierten und entarteten Körperzellen. Sie lösen eine Immunantwort aus, indem sie Eiweißbruchstücke, zum Beispiel von Viren, den T-Zellen zeigen und sie dadurch aktivieren, die präsentierten Proteinfragmente als fremd zu erkennen. Ermöglicht wird dieser Vorgang innerhalb der dendritischen Zelle durch bestimmte Membranproteine, die MHC-I-Moleküle. Forscher:innen der Goethe-Universität Frankfurt und ihrer Partnerinstitute haben nun weitere Interaktionspartner des für die Beladung der MHC-I-Moleküle verantwortlichen Proteinkomplexes bei dendritischen Zellen identifiziert.

Das spezifische oder erworbene Immunsystem der Wirbeltiere ist eine schlagkräftige Waffe gegen Krankheitserreger und krankhaft veränderte Körperzellen. Eine besondere Rolle spielen dabei die T-Zellen, die nach ihrer Aktivierung virusinfizierte oder entartete Zielzellen präzise abtöten können. Sie tragen auf ihrer Oberfläche einen Rezeptor für die Erkennung von kleinen Eiweißbruchstücken – Antigenen –, die ihnen von spezialisierten Immunzellen präsentiert werden, darunter die höchst effizienten dendritischen Zellen. Dabei handelt es sich um Fresszellen, die auf der Suche nach infizierten oder entarteten Zellen durch den Körper patrouillieren, sie aufnehmen und im Inneren eines Membranbläschens abbauen. Während dieses Prozesses werden Antigene erzeugt, die es den dendritischen Zellen ermöglichen, an sogenannte MHC-I-Rezeptoren zu binden und sie dann auf der Zelloberfläche zu präsentieren.

Die Antigen-MHC-I-Moleküle bleiben mehrere Tage stabil und dienen in dieser Zeit dazu, unreife (naive) T-Zellen zu aktivieren und in schlagkräftige Killerzellen (zytotoxische T-Zellen) umzuwandeln. Diese „Scharfmacher-Funktion“ macht dendritische Zellen zu einem Hoffnungsträger der personalisierten Immuntherapie. Ein Team um Prof. Robert Tampé von der Goethe-Universität Frankfurt unter Beteiligung von Dr. Christian Schölz vom Max von Pettenkofer- Institut in München sowie Prof. Reinhold Förster und Prof. Ulrich Kalinke von der Medizinischen Hochschule Hannover konnte nun zeigen, dass der für die Beladung der MHC-I-Moleküle verantwortliche Proteinkomplex bei dendritischen Zellen für eine besonders effiziente Antigenpräsentation in supramolekularen Verbünden organisiert ist.

Wie alle Oberflächenproteine werden auch MHC-I-Moleküle noch während ihrer Synthese in die Membran des innerzellulären Endoplasmatischen Retikulums (ER) eingebaut, einem System aus Röhren und Taschen innerhalb der Zelle. Im ER werden die MHC-I-Moleküle mit Antigenen beladen, die über einen Transporter namens TAP dorthin gelangen.

Aus dem Endoplasmatischen Retikulum schnüren sich kleine Bläschen (Vesikel) mit den beladenen MHC-I-Molekülen ab, wandern zur Zellmembran und verschmelzen mit ihr, sodass sie an der Zelloberfläche erscheinen und mit den T-Zellen interagieren können. „Jede Körperzelle mit Zellkern präsentiert dem Immunsystem ihre eigenen Antigene“, erklärt Tampé, „aber dendritische Zellen sind diejenigen, die Antigene anderer Zellen am besten auf MHC-I präsentieren und damit T-Zellen scharf schalten können.“ Dafür haben die dendritischen Zellen ein besonders weit verzweigtes ER.

Für ihre Experimente untersuchten die Forscher:innen dendritische Zellen eines frühen Zellentwicklungsstadiums, sogenannte Vorläuferzellen, und ließen sie sich zunächst zu unreifen und dann zu reifen dendritischen Zellen entwickeln. In allen drei Zellgruppen fanden sie einen Antigenpeptid-Beladekomplex, der aus TAP, MHC-I und drei weiteren Proteinen besteht: Tapasin, ERp57 und Calretikulin. Letztere sind Faltungsenzyme (Chaperone), die die Ausbildung der korrekten dreidimensionalen Struktur des MHC-I begünstigen.

In den reifen dendritischen Zellen war der Beladekomplex zusätzlich um drei weitere Proteine bereichert: Die Wissenschaftler:innen entdeckten in enger räumlicher Nähe die Proteine VAPA und ESYT1, die üblicherweise an Kontaktstellen zwischen ER und anderen Zellmembranen vorkommen, sowie BAP31. Letzteres befindet sich an ER-Austrittsstellen – also da, wo die sich Vesikel mit den gefalteten Proteinen vom ER abschnüren. „Dieses Ergebnis deutet daraufhin, dass die Antigenverarbeitung in dendritischen Zellen effizienter wird, indem der Beladekomplex nicht einzeln operiert, sondern in organisierten Verbünden zusammenarbeitet“, so Martina Barends, eine der Erstautorinnen der Forschungsarbeit.

Die Kooperation mit den neu beschriebenen Partnern lässt vermuten, dass die Beladung der MHC-I-Moleküle an den ER-Austrittsstellen stattfindet, wodurch die Komplexe besonders schnell zur Zelloberfläche gelangen könnten. Beladekomplexe an Kontaktstellen zwischen ER und Plasmamembran könnten darüber hinaus einen direkten Transport zur Zelloberfläche ermöglichen. „Dies würde die Effizienz der Antigenpräsentation enorm erhöhen“, ist Tampé überzeugt. Die Hoffnung ist nun, dass diese Erkenntnisse dabei helfen, neue Impfstrategien und Immuntherapien zu entwickeln. „Wir haben jetzt eine bessere Vorstellung davon, wie in dendritischen Zellen Antigene erzeugt werden, die therapeutisch genutzt werden können“, fasst Tampé zusammen.

Publikation: Martina Barends, Nicole Koller, Christian Schölz, Verónica Durán, Berislav Bosnjak, Jennifer Becker, Marius Döring, Hanna Blees, Reinhold Förster, Ulrich Kalinke, Robert Tampé: Dynamic interactome of the MHC I peptide loading complex in human dendritic cells. PNAS (2023) https://doi.org/10.1073/pnas.2219790120

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