Eine bessere medizinische Notfallversorgung bei Flutkatastrophen in Bangladesch sieht das Forschungsprojekt „FlutNetz“ von Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen und des ISOE-Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt zusammen mit Partnern aus Bangladesch vor. 2020 wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förderung des Projekts von 2,4 Millionen Euro zugesagt. Nach pandemiebedingter Verzögerung geht „FlutNetz“ nun an den Start.
Bangladesch gehört zu den Ländern, die von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sind. Auf Platz sieben des Klima-Risiko-Indexes, wird das Land jährlich während der Regenzeit von Flutkatastrophen heimgesucht. Wie die medizinische Versorgung im Land verbessert werden kann und Länder im Katastrophenschutz voneinander lernen können, untersucht nun das Forschungsprojekt „FlutNetz“ von Wissenschaftlern der Goethe-Universität, der RWTH Aachen und des ISOE Institut Frankfurt. Das Projekt wird im Rahmen der BMBF-Maßnahme “Internationales Katastrophen- und Risikomanagement – IKARIM“ gefördert, die seit 2018 im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ der Bundesregierung innovative, anwendungsrelevante Lösungsansätze zur Katastrophenprävention und –vermeidung unterstützt.
„Wegen seiner Erfahrung mit Zyklonen ist Bangladesch mittlerweile gut darauf vorbereitet, im Katastrophenfall große Teile der Bevölkerung rechtzeitig zu evakuieren“, sagt Dr. Ulrich Kuch vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität, der den Forschungsverbund koordiniert. „Trotzdem sterben dort bei Überflutungen viele Menschen, am häufigsten durch Ertrinken, Schlangenbisse, Blitze und defekte Stromleitungen; bei der Vorbeugung und Behandlung solcher Gefahren gibt es großen Nachholbedarf.“ Um zu erforschen, wie notfallmedizinische Versorgung während Flutkatastrophen wirkungsvoll verbessert werden kann, verfolgt das FlutNetz-Projekt eine mehrteilige Strategie.
Für die Wissenschaftler der Goethe-Universität stehen folgende Forschungsfragen im Zentrum: Welche Bevölkerungs- und Berufsgruppen in den am schlimmsten betroffenen Regionen können am besten zu Katastrophen- und Ersthelfern sowie professionellen Rettungskräften ausgebildet werden, nach wie langer Zeit können sie die neu gewonnenen Fähigkeiten noch richtig anwenden, und wie wirksam sind sie im Ernstfall? Parallel dazu wird ein mit speziell ausgebildeten Ärzten besetztes Notfallzentrum mit Telefon-Hotline eingerichtet, das Menschen in schwer erreichbaren Regionen erreichen soll.
Im Rahmen des Forschungsverbunds wird zudem ein unbemanntes Flugsystem eingesetzt, das Notfallpatienten mit lebensrettenden Medikamenten versorgen soll. Zu diesem Zweck wurde an der RWTH Aachen ein Flugsystem so angepasst, dass es in Bangladesch Medikamente wie Schlangengift-Antivenine transportieren und am Standort der Patienten abliefern kann. Um den herausfordernden Wetterbedingungen während der Regenzeit zu trotzen, wird ein Hochleistungs-Kippflügelsystem eingesetzt. Dieser Flugzeugtyp kann vollautomatisch bei Tag und Nacht über größere Distanzen betrieben werden und hält auch starken Winden stand.
In vielen Ländern haben Frauen und Mädchen sowie marginalisierte Gruppen aufgrund geschlechtsspezifischer Rollenerwartungen und gesellschaftlicher Normen einen schlechteren Zugang zur Versorgung bei und nach Flutkatastrophen – so auch in Bangladesch. Kinder und alte Menschen kommen deshalb in den Fluten häufiger zu Tode. Um wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für einen gerechteren Zugang zu medizinischer Versorgung geben zu können, bringt das ISOE seine Expertise zu Fragen der geschlechtersensiblen sozial-ökologischen Forschung ein: Projektübergreifend werden Daten zur Rolle der Geschlechterzugehörigkeit sowie der Zugehörigkeit zu ethnischen, kulturellen, religiösen, Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen gesammelt und ausgewertet.
„Im Kontext von Naturkatastrophen und Katastrophenschutz können wir von Bangladesch viel lernen. Umgekehrt gibt es dort großen Bedarf für Verbesserungen des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und ihrer Qualität; dabei sind Innovationen und Erkenntnisse der zivilen Sicherheitsforschung Deutschlands ebenso gefragt wie die aus unserer Gesundheitsforschung“, erklärt Kuch. „Die Zusammenarbeit von Bangladesch und Deutschland bei diesem Thema dient aber auch anderen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika, von denen viele bei Flutereignissen ganz ähnliche Risikolagen haben. Wir rechnen damit, dass sich Konzepte und Ergebnisse des FlutNetz-Projektes gut auf betroffene Regionen anderer Länder übertragen lassen.“
Neben der Goethe-Universität Frankfurt, der RWTH Aachen und dem ISOE-Institut für sozial-ökologische Forschung Frankfurt arbeiten mehrere staatliche Organisationen wie die Gesundheits- und Katastrophenschutzministerien Bangladeschs sowie Universitätskliniken in Bangladesch, medizinische Fachgesellschaften und die Nicht-Regierungsorganisation Center for Injury Prevention and Research Bangladesh (CIPRB) in dem Projekt mit.
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Hightech-Strategie 2025: “Verbesserung des Zugangs zur Versorgung medizinischer Notfälle bei Flutkatastrophen in Bangladesch (FlutNetz)” (PDF)