Meeresspiegelanstieg: Wo die Flüsse nicht ins Meer fließen

Änderung des Gesamtwasserspeichers in den von Meer abgeschnittenen (endorheischen) Einzugsgebieten, basierend auf Beobachtungen des GRACE-Satellits von April 2002 bis März 2016. Bildrechte: Kansas State University

Ein Fünftel der Landfläche auf der Erde bedecken Flusseinzugsgebiete, die keine Verbindung zum Meer haben. Auch in diesen Gebieten ist Wasser gespeichert, zum Beispiel in Seen und Gletschern. Jetzt hat ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung der Goethe-Universität gezeigt, dass die Wasserspeicherung in solchen endorheischen Einzugsgebieten weltweit abgenommen hat. Hauptgründe dafür sind steigende Temperaturen und Wasserentnahmen durch den Menschen. Diese Wasserverluste leisten einen bisher unterschätzten Beitrag zum Meeresspiegelanstieg, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von Nature Geoscience erklären.

„Beispiele für austrocknende endorheische Gebiete sind der Aralsee, der immer stärker ausgezehrte Arabische Aquifer und die zurückweichenden Gletscher im Tibetischen Hochland“, so Jida Wang, Geograph der US-amerikanischen Kansas State University und Hauptautor der Studie. Mithilfe von Schwerefeldbeobachtungen der NASA GRACE-Satelliten konnten die Autoren die globale Netto-Wasserabnahme in endorheischen Gebieten auf jährlich etwa 100 Milliarden Tonnen seit Beginn dieses Jahrtausends beziffern. Das entspricht pro Jahr etwa der doppelten Wassermenge des Bodensees. Überraschenderweise ist die Verlustrate in endorheischen Gebieten doppelt so hoch wie auf den gesamten restlichen Landflächen außerhalb von Grönland und der Antarktis.

Der Wasserverlust verstärkt nicht nur eine eventuelle Wasserknappheit in den endorheischen Gebieten, sondern trägt auch zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Dazu Chungiao Song, Wissenschaftler am Nanjing Institute of Geography and Limnology, Chinese Academy of Sciences und zweiter Hauptautor der Studie: „Wenn das gespeicherte Wasser in endorheischen Gebieten aufgrund steigender Temperaturen und verstärkter Wasserentnahmen verdunstet, wird es über die Atmosphäre als Wasserdampf in exorheische Gebiete, zum Beispiel die großen Flusssysteme wie Amazonas und Nil transportiert. Diese Gebiete entwässern in die Ozeane.“

Während des vergleichsweise kurzen Beobachtungszeitraums von 14 Jahren führte der Wasserverlust in endorheischen Einzugsgebieten zu einem zusätzlichen Meeresspiegelanstieg von insgesamt vier Millimetern. Das sind etwa zehn Prozent des beobachteten Meeresspiegelanstieges in diesem Zeitraum und entspricht dem Anteil, der durch Grundwasserentnahmen verursacht wird. Im Vergleich zum Wasserverlust von Inlandgletschern (außerhalb von Grönland und der Antarktis) ist derjenige in endorheischen Gebieten etwa halb so groß. „Wir gehen nicht davon aus, dass der endorheische Wasserverlust vollständig im Ozean gelandet ist“, sagt Wang. „Aber wenn die derzeitige Entwicklung in endorheischen Gebieten weiter anhält, kann das zusätzliche Wasser in exorheischen Gebieten einen bedeutenden Anteil des Meeresspiegelanstieg ausmachen.“

Doch was sind die Gründe für den endorheischen Wasserverlust? Durch eine Kombination von multiplen Satellitenbeobachtungen und hydrologischer Modellierung berechneten die Autoren, dass global betrachtet der Wasserverlust in ungefähr gleichem Umfang aus Oberflächenwasser (in Gewässern, Schnee und Gletschern), Böden und Grundwasserkörpern herrührt. Regional betrachtet ist dies jedoch nicht so. Im endorheischen Zentralasien geht beispielsweise das meiste Wasser aus Oberflächenwasser verloren, insbesondere von Endseen wie dem Aralsee, dem Kaspischen Meer und dem Urmia-See, sowie von schmelzenden Gletschern in den asiatischen Hochgebirgen.

Monatliche Anomalien des Gesamtwasserspeichers in endorheischen und exorheischen Gebieten (ohne Grönland, Antarktis) und Verknüpfung mit der El Niño-Zirkulationsindikator (rechte Achse). Bildrechte: Kansas State University

Während die Gletscherschmelze auf höhere Temperaturen zurückgeht, spielen bei den Endseen eine Kombination von Niederschlags-Dürren und Wasserentnahmen aus den Zuflüssen eine große Rolle. Auf der anderen Seite beruhen Wasserverluste in der endorheischen Sahara und Arabien auf nicht-nachhaltigen Grundwasserentnahmen. Im endorheischen Nord-Amerika ist eine Dürre des Bodenwassers der Hauptgrund.

Die drei Kernbotschaften der Studie:

  • Die Änderung der Wasserspeicherung in endorheischen Systemen könnte trotz ihrer geringen Gesamtmasse den Wasserspeichertrend auf den Landflächen weltweit während der letzten zehn Jahre dominiert haben.
  • Da der derzeitige endorheische Wasserverlust wenig von natürlichen Variationen des Klimasystems beeinflusst wird, sind naheliegende Hauptursachen längerfristige klimatische Entwicklungen sowie die anthropogene Wassernutzung.
  • Wasserverluste in endorheischen Gebieten haben Konsequenzen – sowohl für den regionalen Wasserhaushalt als auch für den Meeresspiegelanstieg.

Diese Kernbotschaften lassen die derzeitig als gering eingeschätzte Bedeutung endorheischer Einzugsgebiete für den globalen Wasserhaushalt und den dringenden Bedarf von einem besseren Verständnis in Wasserspeicheränderungen in diesen Gebieten in einem anderen Licht erscheinen.

Hannes Müller Schmied, Postdoktorand am Institut für Physische Geographie der Goethe-Universität Frankfurt und am Senckenberg Biodiversitäts- und Klimaforschungszentrum Frankfurt, berechnete mithilfe des globalen Wassernutzungs- und Verfügbarkeitsmodells WaterGAP wie sich Wasserspeicher veränderten, insbesondere die Schneewasserspeicher, die Wasserspeicherung in der Vegetation und im Boden.

Gemeinsam mit Gruppenleiterin Prof. Petra Döll und Doktorandin Denise Caceres arbeitet er darüber hinaus an einem Projekt der europäischen Raumfahrtagentur ESA, in dem es darum geht, präziser zu berechnen, welchen Beitrag die Wasserspeicheränderungen in Landflächen zum Meeresspiegelanstieg leisten. „Die jetzt publizierte Studie ergänzt das ESA-Projekt insofern, als dass die getrennte Betrachtung von endorheischen und exorheischen Einzugsgebieten zu neuen Erkenntnissen führte. Wir wollen den endorheischen Gebieten zukünftig deutlich mehr Beachtung schenken“, so Müller Schmied.

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Publikation Jida Wang, Chunqiao Song, John T. Reager, Fangfang Yao, James S. Famiglietti, Yongwei Sheng, Glen M. MacDonald, Fanny Brun, Hannes Müller Schmied, Richard A. Marston und Yoshihide Wada: Recent global decline in endorheic basin water storages, in: Nature Geoscience, https://doi.org/10.1038/s41561-018-0265-7

Zur englischsprachigen Pressemitteilung der Kansas State University: https://www.k-state.edu/media/newsreleases/2018-11/wang113018.html

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Quelle: Pressemitteilung der Goethe-Uni vom 3. Dezember 2018

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