Physik: Selbstlernende Sensorsysteme für Natur und Technik

In Testeinrichtungen wie dem Windenergietestfeld WINSENT, das derzeit auf der Schwäbischen Alb entsteht, sollen die von SENSORITHM entwickelten Systeme auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden. (Foto: Markus Bernards)

Wie sich mit intelligenten Sensortechnologien an Windrädern Kollisionen mit Vögeln und Fledermäusen vermeiden lassen ist eines der beiden Forschungsziele des von der Goethe-Universität koordinierten Projekts SENSORITHM Rhein-Main. Außerdem wollen die Forscherinnen und Forscher selbstlernende Sensorsysteme zur Überwachung technischer Komponenten und Anlagen entwickeln. Eine Expertenjury wählte das Projekt jetzt im Ideenwettbewerb „Clusters4Future“ des Bundesforschungsministeriums für eine Förderung in der Konzeptionsphase aus – als eines von 15 Projekten aus insgesamt 117 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen.

Wer Windräder aufstellen will, gelangt leicht in ein Grün-Grün-Dilemma: Einerseits soll die von Windrädern erzeugte erneuerbare Energie den Klimawandel aufhalten und damit letztlich auch die Artenvielfalt sichern, andererseits gefährden die Rotorblätter seltene Vogelarten wie den Roten Milan und verschiedene Fledermausarten. An bestimmten Windradstandorten wird daher über längere Zeit aufgezeichnet, wann typischerweise zum Beispiel Fledermäuse unterwegs sind. Zum Schutz der gefährdeten Arten müssen dann die Windräder anschließend bei bestimmten Temperatur- und Windbedingungen abgeschaltet werden. Andere Standorte kommen derzeit wegen des Artenschutzes gar nicht erst für Windräder infrage.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projekts SENSORITHM Rhein-Main wollen nun verschiedene, selbstlernende Sensorsysteme entwickeln, die es einmal erlauben sollen, die Betriebszeiten von Windkrafträdern so zu optimieren, dass Fledermausarten und bestimmte Vogelarten wie der Rote Milan nicht gefährdet werden und dass sich zum Beispiel die Windräder abschalten, wenn es eine erhöhte Flugaktivität gibt.

SENSORITHM-Projektkoordinator Dr. Jochen Moll von der Goethe-Universität Frankfurt erklärt: „Wir wollen Sensoren und künstliche Intelligenz dazu nutzen, um Windkraft besser mit Artenschutz vereinbar zu machen. Neben den technischen Aspekten ist auch die Einbindung regionaler Stakeholder aus der Energiewirtschaft und dem Umwelt- und Artenschutz sowie Bürgerinnen und Bürger Teil des Projekts. Eine besondere Stärke von SENSORITHM Rhein-Main liegt darin, dass wir hier die Expertise aus Physik, Biologie, Informatik, Maschinenbau und Sozialwissenschaften verbinden.“

Die zweite Säule von SENSORITHM bildet die Entwicklung innovativer Sensortechnologien und Algorithmen zur technischen Überwachung von Windrädern und anderen industriellen Anlagen. Auch beispielsweise die Flugtauglichkeit von Flugzeugen oder die Stabilität von Brücken können so sichergestellt werden. Dr. Moll: „Mit unserem methodischen Ansatz wollen wir die Betriebssicherheit insbesondere bei Leichtbaustrukturen erhöhen. In der Zukunft sind auch andere Anwendungen vorstellbar, etwa in der Medizintechnik, in der sich selbstlernende Sensorsysteme einsetzen lassen.“

Das Projekt SENSORITHM Rhein-Main wird von der Goethe-Universität Frankfurt koordiniert, weitere Antragsteller sind die Technische Universität Darmstadt und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Rahmen des Verbunds der Rhein-Main-Universitäten, das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt und das Institut für Tierökologie und Naturbildung in Laubach. Zudem wird SENSORITHM Rhein-Main Netzwerke wie das Hessische Zentrum für Künstliche Intelligenz, (hessian.ai), regionale Industriekooperationen sowie regionale NGOs, Landesbehörden und Schulen der Region in ein Innovationsnetzwerk zusammenführen. In Reallaboren wie zum Beispiel dem Windenergietestfeld des Windforschungsclusters Süd, an Baukränen, Drohnenflotten oder Brücken sollen die Sensorsysteme erprobt und validiert werden. Dabei wird SENSORITHM Rhein-Main unter anderem Bürgerinnen und Bürger als „Citizen Scientists“ einbinden.

Die zweite Runde des „Clusters4Future“-Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums (BMBF) startete im November 2020 als Teil der Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung. Mit „Clusters4Future“ soll in regionalen Spitzenstandorten der Wissens- und Technologietransfer gefördert werden. Zunächst wird SENSORITHM Rhein-Main ein Konzept mit Unterstützung des BMBF ausarbeiten, um von der Wettbewerbsskizze zu einem Umsetzungsszenario zu gelangen. Etwa die Hälfte der eingereichten Konzepte sollen dann ab Sommer 2022 zunächst für die Dauer von drei Jahren mit jährlich 5 Millionen Euro gefördert werden.

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