Preisverleihung: Plädoyer für „freien und internationalen Dialog“

Neben der Ehrung der drei Preisträger beschäftigte die Festgesellschaft in der Paulskirche auch ein weiteres Thema: Freizügigkeit beim internationaler Austausch der Wissenschaftler.

Das hohe Lied auf die Freiheit der Wissenschaft, die ohne internationale Freizügigkeit nicht denkbar ist, stimmten am Dienstagabend bei der Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises Festredner und Preisträger an; die Kritik an nationalistischen Bestrebungen und Trumps Abschottungspolitik war unüberhörbar. „Wissenschaftlicher Fortschritt braucht den offenen, freien und internationalen Dialog. Abschottung ist Gift für die Forschung“, so Prof. Harald zur Hausen, Vorsitzender des Stiftungsrats der Paul-Ehrlich-Stiftung, in seiner Rede.

Ein besserer Ort als die Paulskirche für dieses einmütige Bekenntnis in schwierigen Zeiten ist kaum zu finden: Denn hier – so betonte der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein in seiner Begrüßung – sei schon 1848 proklamiert worden, Wissenschaft und Lehre sind frei. Der Staatssekretär des Bundesgesundheitsamt Lutz Stroppe plädierte für ein internationales Miteinander – „egal, ob Wolken aufkommen“. Minister Hermann Gröhe sei übrigens zeitgleich auf der Tagung des National Cancer Institute in den USA.

Es sind die Persönlichkeiten hinter den Namen der Preisträger, die die Anwesenden in der Frankfurter Paulskirche gleichermaßen beeindrucken und mitreißen: Vollblut-Wissenschaftler, die mit Begeisterung und Neugierde von ihrer Arbeit berichten, aber auch von ihren internationalen Teams, ohne die sie diese Leistungen nicht hätten erbringen können.

Die drei Preisträger bei der Pressekonferenz.

Der US-Amerikaner Prof. Patrick Moore (60), der gemeinsam mit seiner in Taiwan geborenen Frau Prof. Yuan Chang (57) für ihre Forschungsarbeiten zu Tumorviren mit dem international renommierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis, zählte in seiner Dankesrede nur einige Herkunftsländer seiner Mitarbeiter auf: Mexiko („Let me repeat, Mexico!“), Honduras, Japan, China… Auch der Nachwuchspreisträger Dr. Volker Busskamp (36), der zurzeit in Dresden („ein Wermutstropfen sind die rassistischen Tendenzen in der Stadt“) forscht und u.a. durch das „Freigeist“-Programm der VolkswagenStiftung gefördert wird, betonte, wie wichtig es für seine wissenschaftliche Karriere gewesen sei, dass er in der Schweiz wie in den USA so offen und schnell in die internationalen Teams aufgenommen worden sei. Gerade in der Schweiz habe er durch ein Rotationsprogramm, in das er aufgenommen worden sei, viele verschiedene international besetzte Labore und Arbeitsstile kennengelernt – ein unschätzbarer Gewinn für seine heutige Arbeit!

Freiräume, beherzt zu nutzen, Lust, sich auf neue Felder zu begeben, ungewöhnliche Methoden und Ansätze aus verschiedensten Fächern zusammenzufügen, – das charakterisiert Spitzenforscher, das betonten auch die Laudatoren in ihren Festreden für die drei Preisträger. Im Zentrum standen natürlich die bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen.

Die beiden Virologen Chang und Moore, die seit den 1990er Jahren zusammenarbeiten, wurden für ihre Arbeiten zu Tumorviren geehrt; sie entdeckten zwei Tumorviren, das Humane Herpesvrius 8 (HHV-8) und das Merkelzell-Polyomavirus (MCV) und entwickelten Methoden, mit denen in Zukunft weitere, noch unbekannte Tumorviren gefunden werden können. Inzwischen geht man davon aus, dass jede sechste Krebserkrankung auf eine Virusinfektion zurückzuführen ist. Allerdings ist das Erkrankungsrisiko in den westlichen Industrieländern geringer als in den Entwicklungsländern. „Denn virusbedingter Krebs hat mit einer geschwächten Immunabwehr zu tun“, so Chang. Der Epidemiologe und Virologe Moore hat zwei Jahre in Ghana und Liberia geforscht. In einigen afrikanischen Ländern mit hoher Aids-Infektionsrate verursacht das HHV-8-Virus sehr häufig das Kaposi-Sarkom, eine Tumorerkrankung der Blutgefäßzellen. Zwar sind inzwischen sowohl Kandidaten für in der Therapie einsetzbare Zielmoleküle und auch für einen Impfstoff gefunden, doch es gibt – so betonte Moore – offensichtlich „wenig kommerzielles Interesse, tatsächlich Impfstoffe oder spezielle Therapien zu entwickeln“.

Die Nachfahren der Stifter: Elizabeth Brody (Urenkelin von Paul Ehrlich) und der , Dr. Ulrich Bollert (Urenkel von Ludwig Darmstaedter) in der Paulskirche.

Der Nachwuchspreisträger Dr. Volker Busskamp (36), derzeit Nachwuchsgruppenleiter am DFG-Forschungszentrum für regenerative Therapien an der TU Dresden, erforscht Behandlungsmöglichkeiten für die Retinitis pigmentosa, eine erbliche Augenerkrankung, die zu Erblindung führt. So verknüpft er Nervenzellen in der Petrischale zu künstlichen Schaltkreisen; diese Laborversuche zeigen, dass eine Gentherapie bei Retinitis pigmentosa möglich ist. Dabei kommt ihm zugute, dass er sich auf unterschiedlichen Gebieten auskennt: Biotechnologie, Neurowissenschaften und Stammzellforschung.

Bei der Preisverleihung, die traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag stattfindet, waren in diesem Jahr auch zwei Urenkel der beiden Stifter anwesend: Elizabeth Brody, Urenkelin von Paul Ehrlich, war extra aus New York angereist; regelmäßiger Gast der Preisverleihung ist der Urenkel von Ludwig Darmstaedter, Dr. Ulrich Bollert, er ist ebenso wie die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Birgitta Wolff, Kuratoriumsmitglied der Paul-Ehrlich-Stiftung. Die Stiftung wird treuhänderisch von der Vereinigung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität verwaltet, ihr Vorsitzender, Prof. Wilhelm Bender, ist Mitglied des Stiftungsrats.

Das Preisgeld, das insbesondere von Unternehmen, aber auch vom Bundesgesundheitsministerium getragen wird, konnte mit Unterstützung aller Beteiligten für den Hauptpreis von 100.000 auf 120.000 Euro aufgestockt werden. Damit dürfte dies – zumindest zurzeit – der höchst dotierte Wissenschaftspreis in Deutschland sein, wie Prof. Harald zur Hausen, der Vorsitzende des Stiftungsrats der Paul Ehrlich-Stiftung, betonte. Der Nachwuchspreis, der seit 2006 vergeben wird, ist weiterhin mit 60.000 Euro dotiert.

Autorin: Ulrike Jaspers

Weitere Informationen unter: www.paul-ehrlich-stiftung.de

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