VolkswagenStiftung fördert filmwissenschaftliches Projekt an der Goethe-Universität

In Hollywood haben Schauspielerinnen, die die 35 überschritten haben, kaum Chancen auf eine bedeutende Rolle. Anders in Europa: In den vergangenen Jahren sind weibliche Stars über 60 hier durchaus prominent vertreten. Woran das liegt und wie es vom Publikum gesehen wird, das erforscht nun ein Projekt der Filmwissenschaft an der Goethe-Universität.

1950 gab sie ihr Debüt in „Das doppelten Lottchen“, 2021 war sie im Fernsehfilm „An seiner Seite“ in einer Hauptrolle zu sehen: Senta Bergers Karriere hat das zunehmenden Alter offenbar nicht geschadet.

Catherine Deneuve, Senta Berger, Iris Berben – drei Schauspielerinnen, deren Karrieren nicht unbedingt unter ihrem zunehmenden Lebensalter gelitten haben. Nach wie vor werden sie besetzt, und das beileibe nicht in Nebenrollen. „Während das amerikanische Kino nach wie vor von einem strukturellen Jugendkult geprägt ist und Frauen über 35 quasi unsichtbar werden, waren im europäischen Kino der letzten fünfundzwanzig Jahre auffällig viele große Hauptrollen für Schauspielerinnen über 60 zu sehen“, sagt Prof. Vinzenz Hediger, Filmwissenschaftler an der Goethe-Universität. Aus der Wahrnehmung dieses Kontrasts entstand die Idee zu einem neuen europaweiten Verbundprojekt, das nun in der Förderlinie „Challenges for Europe: The Graying Continent“ der VolkswagenStiftung mit einer Summe von 1,5 Millionen Euro auf vier Jahre gefördert wird. Das Projekt selbst trägt den Titel: „AGE-C Aging and Gender in European Cinema“ und ist eines von insgesamt sechs Vorhaben in der Förderlinie.

Partner im Projekt der Goethe-Universität sind das King’s College der University of London, die Universitäten Paris-3 und Udine und die Sapientia in Cluj-Napoca in Rumänien. Gemeinsam will man erforschen, wie Geschlechterverhältnisse im europäischen Kino dargestellt werden und wie diese Darstellung auf das Publikum wirkt. Auch die Produktionsabläufe sollen untersucht werden: Welche Rolle spielt zum Beispiel die europäische und staatliche Filmförderung? Wie hat sich das Kinopublikum in den vergangenen Jahren von seiner Altersstruktur und seiner sozialen Zugehörigkeit verändert? Ist das Publikum vielleicht gar mit den Schauspielerinnen gealtert, während jüngere Menschen mehrheitlich nicht mehr ins Kino gehen, sondern lieber zu Hause streamen? „Hier gibt es anscheinend auch innerhalb Europas große Unterschiede“, sagt Vinzenz Hediger. „In Frankreich zum Beispiel wird mehr Geld in filmische Bildung investiert, dort wächst auch das Arthousekino nach.“ Allein in einer Stadt wie Metz gebe es sechs Arthousekinos – davon ist Deutschland weit entfernt.

Bislang ist dieses gesellschaftlich relevante Thema noch wenig erforscht. Eine Monographie stammt vom Frankfurter Filmwissenschaftler Thomas Küpper, sie trägt den Titel „Filmreif. Das Alter in Kino und Fernsehen“ und wurde 2010 in Berlin publiziert. Nun soll das Phänomen auf Basis von rund 400 bereits ausgewählten europäischen Kinofilmen ganzheitlich untersucht werden; man wird hierbei eng mit Filmfestivals kooperieren, aber auch mit Partnern im Gesundheitswesen, u.a. mit dem Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt. An der Goethe-Universität sind das Cornelia Goethe-Centrum und das Frankfurt Forum for Interdisciplinary Aging Research involviert. Offizieller Start des Projekts ist der 1. Januar 2023.

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