Zwei Forschungsgruppen der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft nehmen Arbeit auf

Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat zwei Projekte als Longterm-Forschungsgruppen ausgewählt. Bis 2022 stellt die Akademie den beiden Forschungsprojekten „Linked open Tafsīr“ und „Normativität des Korans“ insgesamt bis zu 2,7 Millionen Euro zur Verfügung.

Linked open Tafsīr – Digitale Koranexegese

Die AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Linked open Tafsīr“ – ein Kooperationsprojekt zwischen den Universitäten Frankfurt am Main, Gießen und Hamburg – erstellt eine online abrufbare Datenbank frühislamischer Korankommentare (Tafsīr). Als Grundlage dient der Kommentar des muslimischen Gelehrten at-Tabarī (gest. 310/923), der als vollständigste Sammlung aller Anfang des 10. Jahrhunderts vorliegenden Berichte zum Koran und seinem Offenbarungskontext gilt. Während die meisten bisherigen Forschungsarbeiten überwiegend textimmanent vorgehen, um den Koran in seinem geschichtlichen Kontext zu verorten, greift die Forschungsgruppe auf die Möglichkeiten der „Digital Humanities“, also dem digitalen Zugriff auf Texte, zurück. Sie erhofft sich dadurch ergänzende Informationen über die Historizität des Korans: Schwerpunkt der systematischen Erschließung der exegetischen Überlieferungsmaterialien werden relevante theologische und rechtliche, sprachliche und lexikographische, phonetische und grammatische sowie inter- und intratextuelle Variablen des Korans sein. Neben diesen in den Überlieferungen enthaltenen Informationen wird die Datenbank auch die Überliefererketten (Isnāde), durch die diese Informationen tradiert wurden, sowie die daran Beteiligten erfassen.

Durch die frei zugängliche Datenbank werden erstmals Informationen bereitgestellt, die womöglich neue Deutungsmöglichkeiten für einzelne Koranpassagen sowie neue Informationen zur Koran- und Islamentstehung mit sich bringen können. Die Forschungsgruppe arbeitet – das ist eine Besonderheit – mit Expertinnen und Experten aus der muslimischen Zivilgesellschaft zusammen. Zu diesem Zweck bieten die beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gemeinsam mit der Gesellschaft zur Förderung der Islamstudien (GEFIS) in muslimischen Gemeinden Fortbildungen an.

Die Leitung der Forschungsgruppe übernehmen Prof. Dr. Ömer Özsoy (Goethe-Universität), Prof. Dr. Yasar Sarikaya (Justus-Liebig-Universität Gießen) und Prof. Dr. Serdar Kurnaz (Universität Hamburg).

Normativität des Korans: Islamische Textquellen unter der Lupe

Die AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans“, ein Kooperationsprojekt mit den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Tübingen – fragt nach dem Verhältnis von Norm und Ethik im Koran und richtet dabei den Blick auf praktische Fragestellungen für Muslime in Deutschland. Forschungsschwerpunkt werden die Normenverse (ayāt al-aḥkām) des Korans sein – das heißt, ein Textkorpus von rund 600 Koranversen, aus denen normative Beurteilungen und Bestimmungen für Muslime und Musliminnen abgeleitet werden. Ziel der Untersuchung ist es, die Selbstbestimmung des Individuums als ethisches Prinzip in den klassischen und modernen Rezeptionen dieser Normenverse zu analysieren. Dies soll Rückschlüsse darüber ermöglichen, wie eine an praktischen Fragen und Lösungen orientierte Neuinterpretation der Normenverse des Korans aussehen kann.

Die Auseinandersetzung mit den Normenversen erfolgt interdisziplinär aus den Fachperspektiven der Koranwissenschaften, des Islamischen Rechts und der Islamischen Religionspädagogik. Damit möchte die AIWG-Forschungsgruppe dazu beitragen, Debatten zur Frage nach einer zeitgenössischen religiösen Lebensführung zu ordnen und Gläubigen in Deutschland in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen eine Orientierungshilfe zum Umgang mit der Normativität des Korans in einer modernen Gesellschaft anzubieten. Zu diesem Zweck wird es Fortbildungen für Imame und Beschäftigte in der Sozialen Arbeit geben.

Die Forschungsgruppe wird geleitet von Prof. Dr. Mohammed Nekroumi (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sowie Prof. Dr. Mouez Khalfaoui und Jun.-Prof. Dr. Fahimah Ulfat (beide Eberhard Karls Universität Tübingen).

Ein Beitrag für Wissenschaft und Gesellschaft

„Mit unseren beiden Longterm-Forschungsgruppen unterstützen wir zwei innovative Forschungsvorhaben, die sich durch hohe Aktualität und große gesellschaftliche Relevanz auszeichnen“, betont Prof. Dr. Bekim Agai, Direktor der AIWG. „Gleichzeitig tragen sie zu den erklärten Zielen der AIWG bei: die islamisch-theologischen Studien zu konsolidieren sowie Antworten auf konkrete lebensweltliche Fragen von Musliminnen und Muslimen in Deutschland zu geben“, so Prof. Agai weiter.

Auch Dr. Jan Felix Engelhardt, Geschäftsführer an der AIWG, freut sich auf die AIWG Longterm-Forschungsgruppen und erklärt: „Die Aufgabe der AIWG ist es nun, aktiv die Zusammenarbeit unter den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und den Praxisakteuren zu gewährleisten. Gleichzeitig wird die AIWG in den kommenden Jahren die Forschungsarbeit der Gruppen in der Öffentlichkeit sichtbar machen und vor allem dafür Sorge tragen, dass Teilergebnisse sowohl für die muslimische als auch die allgemeine Zivilgesellschaft und die Öffentlichkeit zugänglich und nutzbar gemacht werden.“

Der Forschungsanteil beider Projekte wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert, die Stiftung Mercator fördert die Transferarbeit der Projekte.

Über die AIWG

Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Stiftung Mercator.

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Informationen:

zu den AIWG-Longterm Forschungsgruppen »

zur AIWEG »

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Quelle: Pressemitteilung der Goethe-Uni vom 12. Dezember 2018

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