Erfreuliche Nachrichten zum Jahresbeginn aus Berlin: Das Zentrum für Islamische Studien an der Goethe-Universität wird auch in den kommenden fünf Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden. „Unsere Wissenschaftler der islamischen Studien haben in den vergangenen Jahren ganz besondere Aufbauarbeit geleistet, das hat die internationale Expertenkommission bei der Evaluation offenbar überzeugt“, freut sich die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Dr. Birgitta Wolff.
Das Zentrum, in dem die Goethe-Universität mit der Gießener Universität kooperiert, hat sich zu einem international anerkannten Ort der islamisch-theologischen Forschung entwickelt. „Das ist für uns ein großer Ansporn“, sagt Prof. Dr. Bekim Agai, Direktor des Zentrums für Islamische Studien. „Wir – und auch die anderen vier geförderten Zentren – arbeiten weiter hart daran, die islamischen Wissenschaften auf dem Niveau lang etablierter Theologien in Deutschland weiterzuentwickeln.“
Immerhin haben die christlichen Theologien schon vor 500 Jahren an den deutschen Universitäten Einzug gehalten. Die Herausforderungen für die neue Disziplin sieht auch Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Und deshalb will der Bund mit seinem Programm, von dem neben Frankfurt und Gießen auch die Zentren in Münster, Osnabrück, Tübingen und Erlangen-Nürnberg profitieren, dafür sorgen, dass der Kreis qualifizierter muslimischer Theologen stetig wächst, Postdocs gefördert, interdisziplinäre Kooperationen und neue Studieninhalten entwickelt werden können.
Dialog der Religionen
Die Zentren sollen auch im öffentlichen Diskurs ihre Stimme erheben. „Mit den Zentren hat der muslimische Glauben eine Heimat in der wissenschaftlich-theologischen Diskussion gefunden, das ist nicht zuletzt auch ein wichtiger Beitrag für den Dialog der Religionen“, betont Wanka. „In Frankfurt, Stadt der vielen Kulturen und Religionen, trägt die Goethe-Universität eine besondere Verantwortung, diesen Dialog auch im öffentlichen Raum zu führen. Die bereits eingespielte Kooperation von Wissenschaftlern, die sich an unserer Uni mit den abrahamischen Religionen und ihren gesellschaftlichen und historischen Bezügen befassen, schafft dafür beste Voraussetzungen“, unterstreicht die Präsidentin der Goethe-Universität.
Mit etwa drei Millionen Euro wird das Zentrum für Islamische Studien in Frankfurt und Gießen in den nächsten Jahren aus Bundesmitteln rechnen können. Ein erheblicher Teil der Mittel wird in den Ausbau der Professuren, der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung und der Forschung fließen. Das Land Hessen wird die Ausbildung der Religionslehrer im gleichen Zeitraum mit rund 2,9 Millionen Euro unterstützen, so haben sich Bund und Länder verabredet. Die Zahl der Frankfurter Studierenden ist seit der Etablierung des Zentrums kontinuierlich von 160 auf heute rund 500 gestiegen. Dazu Agai: „Damit erreichen wir eine Auslastung von weit über 150 Prozent. Das ist nur möglich, weil alle Lehrenden mit übergroßem Engagement, viel Zeit und Herzblut dabei sind. Uns ist bewusst: Das ist eine historische Aufgabe und Chance, die islamischen Studien an deutschen Universitäten zu etablieren.“
Profil der Studiengänge
Zum Profil der Studiengänge gehören neben der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem religiösen Quellenmaterial auch die Auseinandersetzung mit der religiösen Glaubenspraxis und ihrer Vermittlung sowie die kritische und systematische Reflexion von Glaubensinhalten. Das gilt auch für den Lehramtsstudiengang „Islamische Religion“ an Haupt-/Realschulen und Gymnasien, der zum Wintersemester 2016/2017 an der Goethe-Universität startet. „Dieser Studiengang wird sicher stark nachgefragt werden“, prognostiziert Agai. „Wie gut, dass die Arbeitsteilung mit den Gießener Kollegen, die bereits seit vier Jahren Religionslehrer für die Grundschule ausbilden, ausgezeichnet funktioniert.“ Die beiden Professuren für Religionspädagogik in Frankfurt und Gießen werden vom Land Hessen finanziert, das so seinen Teil zur Ausstattung des Zentrums beiträgt.
In Forschung und Lehre wollen die Frankfurter sich in den kommenden Jahren intensiv mit den frühen muslimischen Quellen, dem muslimischen Denken und seiner Wissensproduktion in Geschichte und Gegenwart beschäftigen. Gleichzeitig wollen sie mit der Thematik „Islam im sozialen Feld“ einen neuen Bereich erschließen. „Für unsere Absolventen der Bachelor- und Masterstudiengänge werden wir zusätzliche Qualifikationen für den Beruf schaffen. Denn die Nachfrage in der islamischen Seelsorge von der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge bis zur Jugendarbeit wächst stetig“, erläutert Agai. Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Harry Harun Behr, islamischer Religionspädagoge, startete Agai bereits mit 30 Studierenden und muslimischen Jugendgruppenleitern ein Projekt, in dem es darum geht, wie man in konfliktbelasteten Sozialräumen für junge Muslime attraktive Angebote machen kann, um so Prozesse der Radikalisierung zu verhindern.
“In enger Verbindung mit den bereits bestehenden Theologien”
Das Institut für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität, Grundstein des Zentrums für Islamische Studien, kann inzwischen schon auf eine zehnjährige Tradition verweisen. Als andere Universitäten noch planten, begann Frankfurt schon mit der Umsetzung: 2006 zunächst mit zwei und dann 2010 drei Stiftungsprofessuren der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die inzwischen durch reguläre Professuren der Goethe-Universität ersetzt wurden. „Wir haben uns als Universität auf ein damals für uns neues thematisches Feld vorgewagt, und unsere Erfahrungen mit dem langsamen Aufbau einer Islamischen Theologie in enger Verbindung mit den bereits bestehenden Theologien und den jüdischen Studien sind auch fachwissenschaftlich betrachtet sehr ermutigend und positiv“, konstatiert Prof. Dr. Dr. Matthias Lutz-Bachmann, der als Vizepräsident seiner Zeit die entscheidenden Weichen stellte und noch heute im Vorstand des Zentrums Sitz und Stimme hat.
„Nun wird es darauf ankommen, diese Entwicklung in den nächsten Jahren mit Augenmaß, Entschiedenheit und dialogischer Offenheit fortzuführen.“ (Lutz-Bachmann)
Auch Prof. Dr. Ömer Özsoy, der 2006 als erster Professor für Islamische Theologie berufen wurde und das Institut als langjähriger geschäftsführender Direktor aufgebaut hat, blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Die Fortsetzung der Förderung durch den Bund gibt uns Anlass zur immer vorhandenen, aber nun bestätigten Hoffnung, in Frankfurt Standards dafür zu setzen, wie das neue Fach zu definieren, zu betreiben und inhaltlich wie methodisch zu füllen ist.“
Die Wissenschaftler des Zentrums für Islamische Studien haben in den vergangenen Jahren ein verbindliches Leitbild für das wissenschaftliche Profil entwickelt: Die Frankfurter Wissenschaftler fühlen sich einer selbstreflexiven, überkonfessionellen Islamischen Theologie verpflichtet. „Im Bewusstsein der methodisch-theoretischen Pluralität der Wissenschaften wie auch der lebensweltlichen Vielfalt komplexer Gesellschaften versteht sie sich als eine bekenntnisorientierte Wissenschaft, die sich an den Diskursen über allgemeine, akademisch wie gesamtgesellschaftlich relevante Fragen mit eigenen Perspektiven und unter Offenlegung der eigenen Voraussetzungen beteiligt“, heißt es in dem Leitbild.
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Weitere Informationen unter www.uni-frankfurt.de/46589921/zentrum_islamische_Studien
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