Goethe-Universität Frankfurt trauert um Reinhard Selten

Prof. Reinhard Selten; 5. Oktober 1930; † 23. August 2016
Prof. Reinhard Selten; 5. Oktober 1930; † 23. August 2016

Die Goethe-Universität Frankfurt trauert um ihren ehemaligen Studenten, Promovenden und Habilitanden Reinhard Selten, der 1994 als erster und bislang einziger Deutscher den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt für seine Leistungen im Bereich der Spieltheorie. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Selten am 23. August im Alter von 85 Jahren verstorben.

Die Präsidentin der Goethe-Universität, Prof. Birgitta Wolff, sagte: „Reinhard Selten war ein Wissenschaftspionier. Er verfolgte damals vollkommen neue Ansätze in der experimentellen Wirtschaftsforschung. An der Goethe-Universität fand er in den 1950er und 1960er Jahren, als er in Frankfurt studierte, promovierte und sich habilitierte, Mentoren und Förderer, die seine Ideen teilten und ihn ermutigten, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Sein Tod macht uns sehr traurig. Wir freuen uns über den großen Erfolg seiner Arbeit, die Schule gemacht hat.“

Raimond Maurer, Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften: „Die deutschen Wirtschaftswissenschaften verlieren einen international hochgeachteten Forscher. Als Vorbild bleibt er uns mit seiner Neugier, seiner Beharrlichkeit und seiner wissenschaftlichen Ambition in vieler Hinsicht erhalten.“

Reinhard Selten begann 1951 an der Goethe-Universität mit dem Studium der Mathematik, das er mit dem Besuch von Vorlesungen in Volkswirtschaftslehre und Psychologie ergänzte. Bereits in dieser Zeit entflammte sein Interesse an der ökonomischen Bedeutung von Spielen. Seine Diplomarbeit über die „Bewertung strategischer Spiele“ (1957) entsprach nach Aussage seines Betreuers Ewald Burger bereits dem Niveau einer Doktorarbeit. Während sich Selten in dieser Arbeit noch auf Spiele mit zwei Spielern beschränkte, weitete er die Betrachtung in seiner Doktorarbeit, „Bewertung von n-Personenspielen“ (1961), aus. Diese Arbeit, für die ihm der Doktor der Mathematik verliehen wurde, entstand während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl des Ökonomen Heinz Sauermann, einem der Vorreiter der Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland.

Neben der Weiterentwicklung seiner Spieltheorie baute Selten gemeinsam mit Sauermann das zweite große Standbein seiner wissenschaftlichen Arbeit auf, die experimentelle Wirtschaftsforschung, deren Ziel es ist, reales menschliches Verhalten in Laborsituationen zu untersuchen. Beide Interessen gingen Hand in Hand. Die Verfeinerung des Nash-Gleichgewichts mit Seltens Konzept der Teilspielperfektheit ist noch heute elementarer Baustein der experimentellen Wirtschaftsforschung. Den Grundstein für seine Arbeit in diesem Bereich, für die ihm später der Nobelpreis verliehen wurde, legte Selten 1965 mit der Publikation „Ein Oligopolmodell mit Nachfrageträgheit“.

1968 habilitierte sich Selten am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften mit einer Arbeit über „Preispolitik der Mehrproduktenunternehmung in der statischen Theorie“ – laut Bewertung seiner Gutachter eine der wichtigsten deutschsprachigen Beiträge zur ökonomischen Theorie der Nachkriegszeit. Nach insgesamt 17 Jahren an der Goethe-Universität nahm Selten 1969 einen Ruf an die Freie Universität Berlin an. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere wurden Bielefeld und Bonn.

Mit der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften 1994 an die drei maßgeblichen Vertreter der Spieltheorie John Harsanyi, John F. Nash und Reinhard Selten würdigte die Schwedische Akademie der Wissenschaften die ökonomisch-mathematische Erforschung des strategischen Verhaltens von Menschen in Spielsituationen, die lange Zeit eher als Randaspekt der Ökonomie galt, und machte sie – und ihre Vertreter – international auch über die Grenzen ihres Faches hinweg bekannt.

Autorin: Muriel Büsser

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