Mit 150 Sachen durch den Eiskanal: Goldmedaillengewinnerin Deborah Levi im Interview

Deborah Levi über den Gewinn der Goldmedaille in Peking und darüber, wie sich Spitzensport und Studium verbinden lassen.

Deborah Levi im Gespräch mit Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff, in der Hand ihre Goldmedaille. Foto: Lecher

UniReport: Liebe Frau Levi, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Goldmedaille im Zweierbob. Haben Sie den Erfolg schon verarbeitet, lässt sich ein solcher Triumph überhaupt fassen?

Deborah Levi: So ganz kann man es noch nicht begreifen. Meine Pilotin Laura Nolte und ich haben es noch gar nicht geschafft, uns die Läufe der anderen Bobteams anzuschauen, es standen nach Olympia so viele Termine an. Solche Empfänge, so nett sie auch sind, sind immer noch etwas surreal. Dass wir wirklich in Peking die Goldmedaille geholt haben, ist immer noch nicht ganz bei uns angekommen.

Lag es vielleicht auch daran, dass die Spiele in Peking unter einer extremen Abschottung stattgefunden haben?

Ich glaube, das war letztlich gar nicht so entscheidend. Denn wir kannten das ja bereits auch vom Winter davor. Wir hatten sicherlich diesmal sehr strenge Corona-Regeln, durften nach der Ankunft das Hotelgelände und später das olympische Dorf nicht verlassen. Man konnte nicht mal eben in die Stadt oder in die freie Natur gehen. Aber in gewisser Weise ist man während einer solchen Großveranstaltung immer etwas abgeschottet. Alles dreht sich nur um Sport, man hat nur Kontakt zu Athlet*innen und Betreuer*innen. Dann fühlt es sich schon sehr komisch an, wenn man nach den Spielen in den Alltag zurückkehrt.

Hat sich die Besonderheit der Spiele auf die Stimmung im Team ausgewirkt?

Am Anfang war die Anspannung schon sehr groß, was vor allem mit der Corona-Pandemie zu tun hatte. Unsere Trainer und Betreuer hatten schon große Sorge, dass sich einer im Vorfeld infizieren könnte. Bei den Rodlern gab es dann sogar auch einige Positivfälle. Dazu kam, dass man nicht wusste, ob die Ergebnisse der PCR-Tests in China anders ausgewertet werden als in Deutschland. Irgendwann hat sich dann aber die Anspannung gelegt und wir konnten uns ganz auf das Training und die Vorbereitung fokussieren. Dass man recht abgeschottet von der olympischen Öffentlichkeit war, hatte auch den Vorteil, dass die Reizüberflutung nicht so groß wurde.

Wenn Sie mit Ihrer Pilotin im Bob sitzen: Spürt man das eigentlich während der Fahrt, ob es gut läuft? Oder fährt man eher ein abstraktes Rennen gegen die Uhr?

Doch, das merkt man schon während der Fahrt, wie gut der Bob auf der Bahn liegt. Ich sehe zwar als Anschieberin hinten nichts, aber ich spüre schon recht deutlich, ob man zwischendurch aneckt, die Bande touchiert – das kann einem sogar auch mal blaue Flecken bescheren (lacht). Man weiß natürlich nicht, wie die anderen Teams fahren; so gesehen ahnt man nicht, ob zum Schluss ein Hundertstel fehlen könnte.

Sie sehen gar nichts hinten?

Ich sitze quasi geduckt hinten, während meine Pilotin Laura vorne die Bahn im Blick hat und mit zwei Lenkseilen die Fahrt steuert.

Ein Bob fährt mit sehr hoher Geschwindigkeit durch den Eiskanal – hat man davor großen Respekt oder fühlt man sich sicher im Bob?

Angst sollte man definitiv nicht haben, das wäre schädlich. Respekt kann aber nicht schaden, gerade vor bestimmten Bahnen. In Kanada gibt es die weltweit schnellste Bahn, wo Spitzengeschwindigkeiten bis zu 150 km/h erreicht werden. Ich bin auch schon mehrfach gestürzt. Wenn man dann oben vor Antritt der Fahrt an so etwas denkt, dann ist das vielleicht für einen Moment etwas mulmig. Aber um im Wettkampf sein Leistungspotenzial abrufen zu können, sollte man die Ängste überwinden können.

Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

In ihrer Rolle als Anschieberin müssen Sie sehr konzentriert und fokussiert am Anfang der Fahrt Ihre Kraft und Schnelligkeit punktgenau einsetzen.

Ja, das stimmt. Ich komme aus der Leichtathletik; im Sprint muss man auch binnen kürzester Zeit alles rausholen. Der Bob muss auf eine gute Geschwindigkeit gebracht werden, dafür bedarf es auch einer guten Koordination mit der Pilotin.

Ist schon mal etwas passiert am Start?

Ja, meine Pilotin ist beim Start einmal kurz hängengeblieben, aber ohne Folgen. Das ist mir auch schon mal passiert: Ich bin kurz nach hinten gekippt, dann fast mit dem Kopf aufs Eis geschlagen, ist dann aber nochmal gut gegangen, der Bob war nicht ausgebrochen.

Sie werden im Zweierbob bleiben?

Ja, als Anschieberin; ich möchte jetzt nicht selber Pilotin werden. Das Erlernen des Fahrens dauert Jahre, bis man wirklich auf Weltcup-Niveau mithalten kann. Ich möchte den Fokus weiterhin auf die Athletik legen, da liegt meine Leidenschaft. Nebenbei bin ich weiterhin noch in der Leichtathletik aktiv.

Sie waren gerade auch an COVID-19 erkrankt; wie lange muss man als Sportlerin dann erstmal pausieren?

Ich bin jetzt wieder symptomfrei, aber auch alltägliche Bewegungen sind noch nicht ganz unanstrengend. Ich habe gerade Trainingspause, von daher ist das so gesehen nicht weiter schlimm. Ich habe demnächst einen ärztlichen Check-up, dann wird schon genau hingeschaut, ob und wann ich wieder mit dem Training anfangen kann. Ich habe in den letzten Jahren schon mal den Fehler gemacht, nach einer Influenza zu früh mit dem Training angefangen zu haben. Das meldet der Körper dann irgendwann zurück; ich bin damals über ein halbes Jahr ausgefallen.

Wie geht es bei Ihnen weiter, wie bereiten Sie sich auf Ihre weiteren sportlichen Aktivitäten vor?

Im Sommer werde ich meine Aktivitäten wieder aufs Laufen, auf Kraft und Schnelligkeit, konzentrieren. Ich habe in Frankfurt meine Trainingsgruppe, mit der ich schon lange zusammenarbeite. Bob fahren kann man im Sommer nicht, erst wieder zum Herbst hin. Laura kann das Fahren nur im Simulator in München üben, aber die Technik ist noch in der Entwicklung und bietet nicht ein Fahrerlebnis wie im richtigen Bob. Ab und zu treffe ich mich mit Laura auch schon im Sommer in Winterberg; dort kann man auf kurzen Anschubstrecken auf Tartan üben. Erst ab Oktober fängt das eigentliche Training an. Dann wird auch eine Art Fahrplan erstellt, mit den Trainingseinheiten. Dann erfolgt auch die Auswahl, ob man überhaupt im Weltcup dabei sein wird.

Wie können Sie Sport und Studium in Einklang bringen?

Die Goethe-Universität hat mit dem Olympia-Stützpunkt in Frankfurt eine Kooperation. Die Universität setzt sich ja ganz allgemein für Leistungssport ein; ich habe einen Laufbahnberater, der für mich mein Studium mit dem Leistungssport koordiniert. Da kann man zum Beispiel auch abstimmen, ob und wie lange man das Studium strecken möchte. Auch innerhalb des Fachbereichs und des Instituts habe ich viel Unterstützung erfahren. An dieser Stelle möchte Dr. Gerlinde Hemmling aus dem Institut für Sportwissenschaften exemplarisch nennen. Als Spitzensportlerin bin ich im Winter bis zu 90 Prozent der Zeit im Sport unterwegs; dadurch habe ich viele Fehlzeiten und muss mein Lernpensum und meine Anwesenheit mit den Dozierenden abstimmen. Manchmal wird für die Anerkennung des Seminars eine Zusatzleistung verlangt, manchmal reicht aber auch, dass ich am Schluss die Klausur regulär mitschreibe. Im zurückliegenden Winter habe ich nach einem langen Trainingstag oft noch mit Laura, die auch studiert, am Schreibtisch gesessen, während die anderen Sportler*innen bereits Karten gespielt haben. Das Studium des Grundschullehramts lässt sich insgesamt gut mit dem Sport kombinieren, da viele einzelne Leistungen unabhängig voneinander erworben werden können. Auch meine Kommiliton*innen haben mich gut unterstützt und mir schon mal Inhalte weitergeleitet.

Sind Sie bereits von vielen Kommiliton*innen auf ihre sportlichen Erfolge angesprochen worden?

Die engsten Kommiliton*innen haben es natürlich mitbekommen, auch im Institut für Sportwissenschaften haben viele mitgefiebert, aber ansonsten hält sich meine Bekanntheit in Grenzen. Autogrammwünsche musste ich auf dem Campus noch nicht erfüllen (lacht).

Fragen: Dirk Frank

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