Zum Tod des Philosophen Prof. Karl-Otto Apel / Nachruf von Prof. Rainer Forst, Co-Sprecher Exzellenzcluster Herausbildung Normativer Ordnungen

Professor Dr. Karl-Otto Apel, Emeritus für Philosophie an der Goethe-Universität, ist am 15. Mai 2017 im Alter von 95 Jahren an seinem Wohnort in Niedernhausen im Taunus gestorben. Er war einer der wichtigsten Philosophen seiner Zeit und hat die Philosophie in Deutschland und weit darüber hinaus nachhaltig geprägt.

Am 15.03.1922 in Düsseldorf geboren, studierte Apel Geschichte, Germanistik und Philosophie (bei Erich Rothacker) in Bonn, wo er auch die Bekanntschaft mit dem sieben Jahre jüngeren Jürgen Habermas machte, seinem wichtigsten philosophischen Weggefährten, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. 1950 wurde er mit einer Arbeit über Dasein und Erkennen. Eine erkenntnistheoretische Interpretation der Philosophie Martin Heideggers promoviert, 1961 folgte die Habilitation in Mainz mit einer Arbeit über Die Idee der Sprache in der Tradition des Humanismus von Dante bis Vico. Nach Professuren in Kiel (1962-69) und Saarbrücken (1969-72) lehrte Apel von 1972 bis zu seiner Emeritierung 1990 an der Goethe-Universität. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen Transformation der Philosophie (1973), Diskurs und Verantwortung (1988) und Auseinandersetzungen (1998).

Berühmt wurde Karl-Otto Apel durch die Entwicklung der Transzendentalpragmatik, die im Kern besagt, dass der menschliche Sprachgebrauch an unhintergehbare Normen der kommunikativen Rationalität und des gegenseitigen Respekts als gleichberechtigte Diskurspartner geknüpft ist. Dabei griff er Charles Sanders Peirces Idee einer prinzipiell unbegrenzten wissenschaftlichen Interpretationsgemeinschaft auf und konfrontierte die an Heidegger anknüpfende hermeneutische Philosophie mit der sprachanalytischen Sinnkritik in der Folge Wittgensteins; auf dieser breit gefächerten Grundlage entfaltete er eine neue Transzendentalphilosophie, die er „im Apriori der Kommunikationsgemeinschaft“ begründet sah. Damit verband sich für ihn einerseits der Anspruch, das bis zum 20. Jahrhundert vorherrschende Paradigma der Subjektphilosophie durch das Paradigma einer Philosophie intersubjektiver Verständigung zu überwinden, und zum anderen der Versuch, eine Letztbegründung nicht nur der theoretischen, sondern auch der praktischen Philosophie zu leisten. An der Notwendigkeit und Möglichkeit solch einer ultimativen Begründung hielt er auch in seinen zuletzt erschienenen Aufsatzsammlungen Paradigmen der ersten Philosophie (2011) und Transzendentale Reflexion und Geschichte (2017) fest. Denn fundamental geprägt durch die historische Erfahrung mit dem Nationalsozialismus, wollte Apel nicht zuletzt in der praktischen Philosophie jede Form von Relativismus vermeiden.

Die Bereitschaft zum ernsthaften Argumentieren implizierte Apel zufolge „immer schon“ die Anerkennung der ethischen Grundnorm, nach der „alle Sinn- und Wahrheitsansprüche von Menschen im Prinzip in einer unbegrenzten Kommunikationsgemeinschaft durch Argumente – und nur durch Argumente – einlösbar sein müssen“. (Apel, Diskurs und Verantwortung, 46) Nur, wenn jede(r) am Diskurs Beteiligte sich bemühe, die Diskursregeln einzuhalten, bzw. sich verpflichte, für deren Etablierung und Realisierung zu sorgen, lasse sich die argumentative Praxis aufrechterhalten und zur Konfliktlösung einsetzen. Auf dieser Grundnorm aufbauend hat Apel schon seit den sechziger Jahren seine Diskursethik – im Dialog mit, aber auch im Widerspruch zu Jürgen Habermas – entwickelt, mit Implikationen auch für die politische Philosophie.

Insgesamt haben Apels Untersuchungen zur Sprach- und Erkenntnisphilosophie wie auch zur praktischen Philosophie die philosophischen Debatten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht nur in Deutschland entscheidend mit bestimmt. Für diejenigen, die wie der Verfasser das Privileg hatten, bei ihm zu studieren, wird nicht nur seine Philosophie in ihrem Anspruch auf starke Begründungen weiterwirken. Karl-Otto Apel wird darüber hinaus als leidenschaftlicher Denker und Lehrer in Erinnerung bleiben, der seine Zuhörer in ebenso klaren wie umfassenden und mutigen Gedankengängen mitriss. Er verkörperte einen Typus des Gelehrten, der sich einzig dem philosophischen Gedanken verschrieben hatte, der zur systematischen Entfaltung drängte; wer erlebte, wie er selbst durch diese Gedanken mitgerissen wurde, der wurde Zeuge davon, was verkörperte Philosophie ist. Er wird uns unvergesslich bleiben.

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